Kammern, Verbände und der Hamburger Senat unterzeichnen Kooperationsvereinbarung zur verstärkten Berufsorientierung.

Hamburg. Zum Beispiel Alyssa Uecker: Die 19-Jährige, die gerade ihr Abitur an der Otto-Hahn-Stadtteilschule in Jenfeld gebaut hat, absolvierte ein Praktikum bei Airbus auf Finkenwerder. "Eine Woche lang haben wir das Unternehmen kennengelernt", erzählt die Schülerin. "Wir haben gelötet, andere haben gefeilt, wir waren in einem A380 und haben an einem freiwilligen Einstellungstest teilgenommen."

Alyssa Uecker ist für ein Hightech-Unternehmen wie Airbus ein Glücksfall: Die junge Frau interessiert sich für Technik, konnte sich sogar ein Ingenieursstudium vorstellen. Das ist nach wie vor eine männliche Domäne. "Ich war gut in Mathe und Physik", sagt Alyssa Uecker. Dennoch wird es nun vermutlich anders kommen: Die Abiturientin sieht ihre berufliche Zukunft "eher im kaufmännischen Bereich".

+++ "Wir bauen hier die teuerste Schule Hamburgs" +++

+++ Einige Stadtteilschulen haben bis zu 40 Prozent Förderschüler +++

Günther Meyer, Projektmanager Berufsausbildung bei Airbus, stört es nicht, dass Alyssa Uecker einen anderen Weg einschlägt. Die gezielte Mädchenförderung ist längst zu einem wichtigen Baustein der Nachwuchsrekrutierung des Unternehmens geworden. "Die Erfolgsquote der Mädchenförderung liegt bei 50 Prozent", berichtet Meyer. Das heißt: Jedes zweite Mädchen, das bei Airbus Praktikumsluft schnuppert, entscheidet sich später dafür, bei dem Unternehmen zu arbeiten. Vier Kooperationen mit Stadtteilschulen und Gymnasien unterhält Airbus bereits, eine fünfte ist geplant. Die Otto-Hahn-Stadtteilschule zählt seit mehreren Jahren zu den Partnern.

Was die Schule im sozial belasteten Stadtteil Jenfeld und der Flugzeugbauer praktizieren, soll jetzt Schule machen. Schulsenator Ties Rabe (SPD) und Vertreter der Handels- und der Handwerkskammer sowie des Unternehmensverbandes Nord (UV Nord) haben gestern eine Vereinbarung mit dem Ziel unterzeichnet, die Kooperationen zwischen Schulen und Unternehmen deutlich auszubauen.

"Wir wollen die Schulen befähigen, jungen Menschen die Berufswelt aufzuschließen", sagte Rabe. Dabei stehen die Schüler im Blickpunkt, die kein Abitur machen. "Auch sie sollen eine richtige und schöne Perspektive bekommen", so der Senator. Zwei Drittel der Schüler ohne Abitur schafften nicht den Sprung direkt in duale Ausbildung. "Um diese zwei Drittel müssen wir uns kümmern."

Von der Begegnung mit beruflicher Realität schon zu Schulzeiten profitieren beide Seiten: Schüler können frühzeitig ihr Interesse für ein Berufsfeld entdecken und Hemmschwellen abbauen. Betriebe können gezielt nach Nachwuchs Ausschau halten und den persönlichen Kontakt über Praktika und Schulbesuche aufbauen.

"Jugendliche haben heute in Hamburg exzellente Perspektiven. Der Run der Arbeitgeber auf qualifizierte Schüler hat bereits begonnen", sagte UV-Nord-Hauptgeschäftsführer Michael Thomas Fröhlich. Die Kooperation zwischen Betrieben und Schulen sei auch deswegen fruchtbar, weil die Unternehmensseite Einblicke in aktuelle Herausforderungen der Schulen erhielte.

Den Kammern und Verbänden liegen besonders die Stadtteilschulen mit ihrer starken Berufsorientierung am Herzen. "Die Stadtteilschule ist für uns das Kernstück der Schulreform. Wir sind für ein starkes Zwei-Säulen-System", sagte Handwerkskammer-Hauptgeschäftsführer Frank Glücklich. Die Berufsorientierung in Klasse 8 und der Übergang Schule-Beruf sei ein Alleinstellungsmerkmal dieser Schulform.

"Wir wollen die Kräfte bündeln und neue Kooperationen ins Leben rufen", sagte Thomas Schierbecker von der Handelskammer. Wie viele Kooperationen zwischen Unternehmen und Schulen es schon gibt, wird nicht erhoben.