Die SPD-Regierung brütet bis in die Nacht über den Hamburger Haushalt. Die Beamten kritisieren die geplante Kürzung ihrer Besoldung.

Hamburg. Wenn sich einfache Bürger über die Regierenden ärgern, ist oft von "denen da oben" die Rede, die "uns hier unten" das Leben schwer machen. Besser als bei der Haushaltsklausur des Senats wurde diese Konstellation selten in Szene gesetzt. Unten, vor der Tür der Wirtschaftsbehörde, machten gestern Mittag Polizisten und Feuerwehrleute ihrem Ärger über die vom Senat geplante Einkommenskürzung Luft. Und "oben", im achten Stock des schmucklosen Verwaltungsgebäudes, brütete die SPD-Regierung über den Doppelhaushalt 2011/2012 - eine unerwartet komplizierte Aufgabe.

"Hamburg hat ein strukturelles Defizit von einer Milliarde Euro", sagte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) zum Auftakt um 10.15 Uhr. Damit bewegte er sich am oberen Rand dessen, was bislang als Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen genannt wurde. Wie aus der Sitzung im Konferenzsaal mit dem originellen Namen "Hamburg" zu hören war, gab es eine Kontroverse darüber, inwiefern das große Defizit, die teuren Wahlversprechen und das Ziel, langfristig ohne Schulden auszukommen, überhaupt in Einklang zu bringen sind. Scholz und Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) sollen aber eisern daran festgehalten haben, bis spätestens 2020 einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorzulegen - das entspricht der gesetzlichen Schuldenbremse.

Scholz legte sich schon vor der Sitzung auf einen maximalen Ausgabenanstieg bereits in diesem Jahr fest: "Es wird so sein, dass wir, ausgehend vom Haushaltsentwurf 2010, die Ausgaben nicht stärker als ein Prozent pro Jahr wachsen lassen." Das war noch mal eine Verschärfung gegenüber dem Arbeitsprogramm des Senats. Dort stand, dass der Anstieg lediglich "im Durchschnitt der Jahre" ein Prozent nicht übersteigen dürfe. Um 2020 mit den prognostizierten Einnahmen von etwa 12,5 Milliarden Euro auszukommen, werde es sogar nötig sein, die Steigerung unter einem Prozent zu halten, sagte Scholz und stellte auch klar, wie das gehen soll: Ausgaben begrenzen.

Für die Beamten unten vor dem Gebäude war das eine Provokation. Zwar honorieren sie, dass der SPD-Senat ihr Weihnachtsgeld nicht ganz so stark kürzen will wie der schwarz-grüne Vorgängersenat und den Tarifabschluss auch nur in diesem Jahr nicht übernehmen will. Dennoch sind sie sauer: "Nach dem harten Wochenende im Schanzenviertel mit 14 verletzten Polizisten und Tausenden von Überstunden sitzen die da oben im achten Stock und wollen uns das Gehalt kürzen", ereiferte sich Joachim Lenders, Vorsitzender der Polizeigewerkschaft DPolG. "Sieht so der Dank des neuen Senats aus?"

Auch vom Feuerwehrverband und von der Gewerkschaft Ver.di kam Kritik: "Wir haben Sorge, dass es in Zukunft möglicherweise heißt, dass verschiedene Beschäftigtengruppen für die jeweiligen Ausgaben zur Verantwortung gezogen werden, frei nach dem Motto' der Beamte zahlt die Hochschulgebühr, und der Tarifbeschäftigte muss zugunsten des Wohnungsbaus in die Tasche greifen", sagte Ver.di-Fachbereichsleiterin Sieglinde Friess. Ähnlich empfand es Lenders: Dass der Senat die Kita- und Studiengebühren senkt, sei ja schön und gut. "Aber er kann das Geld dafür doch nicht den Beamten wegnehmen." Morgen wollen die Beamten von 16.30 Uhr an für ihre Position auf die Straße gehen. Die Kundgebung führt vom Hauptbahnhof zum Gänsemarkt.

Auch in der Senatsrunde gab es Diskussionen darüber, wie im Wahlkampf versprochene Mehrausgaben bezahlt werden können. Bis in den Abend hinein stellten die Senatoren ihre Behördenetats vor, die größten Projekte und die Schwierigkeiten, sie zu finanzieren. Das Ziel, an diesem Tag den kompletten Entwurf für den Doppelhaushalt 2011/2012 zu beschließen, geriet dabei aus dem Blick. Bürgermeister Scholz soll mehrmals betont haben, dass es keinen Zeitdruck gebe. Viel wichtiger war ihm eine andere Botschaft: "Was wir vor der Wahl gesagt haben, gilt auch nach der Wahl." Allerdings deutete er auch an, dass "neue Erkenntnisse über die Lage des Haushalts" Probleme bereiten. Scholz spielte damit darauf an, dass das Sparprogramm des alten Senats kaum gegriffen habe: Von den angeblichen 500 Millionen Euro pro Jahr seien mindestens 250 Millionen "Luftbuchungen" gewesen, so die Lesart der SPD.

So blieb als Erkenntnis eine Unvereinbarkeit: Es ist weniger Geld da als gedacht, es soll an einigen Stellen mehr ausgegeben und gleichzeitig gespart werden. Kein Wunder, dass die Sitzung am späten Abend noch andauerte.