Harburg. Archäologen graben sich im Binnenhafen bis ins 14. Jahrhundert vor. Nun brechen sie ihre Zelte ab – sehr zur Freude der Harburger.

  • Seit vergangenem Sommer ist in Harburg in Goldgräber-Stimmung ausgebrochen
  • In einer Grube im Binnenhafen graben elf Archäologen nach Schätzen der Stadtgeschichte
  • Nun liegt die Grabungsstätte seit ein paar Tagen offen – und zieht immer mehr Schaulustige an

Die Archäologen an der Harburger Schloßstraße brechen ihre Zelte ab – und das nur, um noch besser in die Geschichte Harburgs eintauchen zu können. Seit Juli vergangenen Jahres ist ein elfköpfiges Team im Harburger Binnenhafen dabei, an dem archäologisch trächtigen Standort des ehemaligen Gasthauses „Weißer Schwan“ zu graben. Bis ins 14. Jahrhundert ist es vorgestoßen. Tiefer geht‘s nicht. Aber es bleibt noch ein weißer Fleck, der nun in Angriff genommen werden kann: der Bereich zwischen den beiden Grabungsfeldern, auf dem die Stützen der Zelte ruhten.

Archäologische Spurensuche im Harburger Binnenhafen – mit „bemerkenswerten Funden“

Um ihn bearbeiten zu können, werden die Zelte abgebaut. Am Montag wurden bereits die Planen entfernt, sodass die Passanten jetzt einen schönen Einblick in die Grabungsstätte haben, wenn sie die Schloßstraße Richtung Kanalplatz entlang gehen. Am Dienstag folgte die Demontage des Zeltgerüsts. Dafür musste ein Hubsteiger beschafft werden. Denn die Zeltbauer hatten nicht bedacht, dass Archäologen in die Tiefe graben – die Befestigungen am Zeltdachfirst und die Beleuchtungsröhren waren nun nicht mehr mit Leitern erreichbar.

Offen für alle einsehbar: Die archäologische Grabungsstätte an der Schloßstraße im Harburger Binnenhafen.
Offen für alle einsehbar: Die archäologische Grabungsstätte an der Schloßstraße im Harburger Binnenhafen. © HA | Angelika Hillmer

Ist das Gestänge weggeräumt, können die Archäologinnen und Archäologen den Steg zwischen den beiden Grabungsfeldern (Schnitten) abbauen und auch diesen Bereich noch untersuchen. Dafür geht das Projekt, das zunächst Ende April abgeschlossen werden sollte, um einen Monat in die Verlängerung. Zunächst wird nun die Deckschicht entfernt, um die unterschiedlichen Zeithorizonte freizulegen. Bis ins Mittelalter (Ende des 14. Jahrhunderts) sind die Forscher links und rechts des Steges vorgedrungen.

Das elfköpfige Grabungsteam in historischer Goldgräber-Manier, analog aufgenommen und im Labor entwickelt. Zweiter von rechts: Grabungsleiter Dr. Martin Eckert. 
Das elfköpfige Grabungsteam in historischer Goldgräber-Manier, analog aufgenommen und im Labor entwickelt. Zweiter von rechts: Grabungsleiter Dr. Martin Eckert.  © Martin Eckert | Martin Eckert

„Wir haben schon jetzt einige bemerkenswerte Funde gemacht“, sagt Grabungsleiter Martin Eckert und nennt als Beispiel eine komplett erhaltene Hausecke mit Schwellbalken und Pfosten eines 700-jährigen Fachwerkhauses. „Das Haus ist offenbar abgebrannt, man sieht dort auch Brandschutt. Die Schichtung und die gefundene Keramik weisen darauf hin, dass das Haus dem Stadtbrand von 1396 zum Opfer fiel. Es wurde vermutlich irgendwann Ende des 13., Anfang des 14. Jahrhunderts gebaut – wir sind hier in der untersten Siedlungsschicht.“

Weiter als bis um 1300 kann Grabung nicht reichen

Zwar wird die Keimzelle Harburgs, die Horeburg, ins 11./12. Jahrhundert datiert. Doch Siedlungsreste aus dieser Zeit sind höchstwahrscheinlich verloren: Die ersten Gebäude lagen nördlich vom heutigen Grabungsareal, etwa dort, wo sich heute der Lotsekanal befindet. Sie fielen um 1650 dem Festungsbau zum Opfer. Mehr als die Relikte eines Hauses, das um 1300 errichtet wurde, konnte von der Grabung an der Harburger Schloßstraße/Ecke Kanalplatz also nicht erwartet werden.

Ein Blick ins nördliche Grabungsfeld an der Harburger Schloßstraße, hier noch unter dem Zeltdach.
Ein Blick ins nördliche Grabungsfeld an der Harburger Schloßstraße, hier noch unter dem Zeltdach. © Angelika Hillmer | Angelika Hillmer

Bis 1965 stand auf dem heutigen Baugrundstück der Gasthof „Weißer Schwan“. Seine Wurzeln reichen bis 1819, doch schon zuvor hat des dort eine Gastwirtschaft gegeben. Die Archäologen legten einen Vorgängerbau frei, der zwischen 1695 und 1709 errichtet worden sein muss. Er steht auf einem Grundstück, das offensichtlich aus mehreren Parzellen bestand. Das Forschungsinteresse im Mai richtet sich auf diese mittelalterliche Siedlungsstruktur.

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Grundstück vom „Weißen Schwan“ besteht aus mehreren Parzellen

„Wir möchten wissen, ob das Grundstück des Weißen Schwans aus drei oder vier Parzellen zusammengesetzt wurde“, sagt der Grabungsleiter. Die mittelalterlichen Häuser standen im 14./15. Jahrhundert auf Wurten, aufgeschütteten Erdhügeln aus Torf- und Kleischichten. Mit ihnen schützten sich die ersten Siedler gegen das Hochwasser der Elbe. Auf jeder Wurt stand ein Haus, zwischen den Wurten verliefen Gräben.

Die einzelnen Parzellen waren schmal und lang, reichten bis zum heutigen Westlichen Bahnhofskanal. Mit dem Festungsbau und dem entstandenen Kanalplatz änderte sich die Siedlungsstruktur. Am Kanalplatz wurden Häuser gebaut, sodass die anliegenden Schloßstraßen-Parzellen, die „schmalen Handtücher“ zum Kanal, entsprechend gekappt wurden. Damit die arg verkleinerten Grundstücke noch sinnvoll zu nutzen sind, wurden mehrere zusammengelegt.

Am 22. April werden die Planen der Zelte, die die Grabung
Am 22. April werden die Planen der Zelte, die die Grabung "Weißer Schwan" an der Harburger Schloßstraße schützten, heruntergenommen. Ein Tag später wird das Gerüst abgebaut. © Angelika Hillmer | Angelika Hillmer

Archäologen-Team ist von nun an dem Hamburger Wetter ausgesetzt

Doch wie viele Parzellen gab es vor der Zusammenlegung auf dem Grabungsareal? Um diese Wissenslücke zu beseitigen, muss nun der Steg zwischen den ehemaligen Zelten weichen. Grabungsleiter Eckert freut sich auf diesen letzten Akt der Grabung, auch wenn sein Team jetzt dem Hamburger Wetter ausgesetzt ist – „dann ziehen wir uns halt Regenmäntel an“.

Martin Eckert schaut am Montag zu, wie seine Mitarbeiter die Planen von den beiden großen Zelten ziehen: „Im Juni 2023 wurden die Zelte aufgebaut, am 3. Juli haben wir angefangen zu graben. Die Zeit verging wie im Fluge.“