Harburg. Der emeritierte Hauptpastor des Michels macht sich heute Gedanken über den Umgang mit dem Alter und der Nachhaltigkeit.

Mein Freund hat die 90 überschritten. Er war Unternehmer. Kein Pfeffersack und auch kein Geizhals. Dass sein Schwager 95 Jahre alt ist, freut ihn. Ist ja auch ein gesegnetes Alter. Aber dass der geizig ist, ärgert meinen Freund und das findet er gar nicht gut. „Sein Lebensmotto seit seinem 80. Lebensjahr ist ,Das lohnt sich nicht mehr!’ Er schafft weder für sich noch für seine Eigentumswohnung irgendetwas an. Ein Geizkragen!“ Dann erzählt mein Freund ganz begeistert, dass seine Frau sich mit ihren 87 Jahren ein neues Auto gekauft hat. „Und das natürlich in Unkenntnis ihrer Lebenserwartung und ihres Todes. Ich halte das für richtig“, sagt mein Freund, „sonst lähmt man sich.“ Recht hat er. Das ist lebensklug.

Ich war noch ein Kind, als wir meinen Großvater zu seinem 83. Geburtstag besuchten. Er saß im Ohrensessel vor dem Kachelofen. Während alle miteinander redeten und ihn feierten, starrte er nur vor sich hin. Er hatte sich aufgegeben, obwohl er gar nicht krank war. Ich habe das nie vergessen. Ich finde es andererseits auch nicht gut, dass man so tut, als gäbe es das eigene Ende nicht. Leben ist geschenkte, aber auch gestundete Zeit. Aber deshalb muss man nicht mit finsterer und bitterer Miene durchs Leben gehen und dem Gefühl nachgeben, dass sich alles nicht lohnt, Das fördert nur Angst, Schwarzsehen und Miesepetrigkeit. Andererseits ist es auch nicht klug, drauflos zu leben, als sei das eigene Leben mit einem Garantieschein für die Ewigkeit hier auf Erden versehen. Die Bibel kommentiert das ironisch bis kritisch so: „Lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot.“ Eine ziemlich törichte und oberflächliche Einstellung!