Harburg. Helge Adolphsen erzählt, wie Reformator Martin Luther „dem Volk aufs Maul schaute“ und so viele Begriffe prägte.

Wir saßen in großer Runde. Nicht nur mit Smalltalk, sondern in ernsteren Gesprächen. Ein Freund behauptete, die Redensart „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ sei typisch alttestamentlich. Das ganz Alte Testament spreche überwiegend von Vergeltung und Rache. Ich höre solche Urteile häufig. Und deshalb griff ich flugs ein: Das sei ein großes Missverständnis mit der zitierten Redensart. Der entsprechende Vers aus dem 2. Buch Mose sei ein kluger jüdischer Rechtsgrundsatz. Der solle verhindern, dass der Übeltäter für einen ausgeschlagenen Zahn mit zwei ausgeschlagenen Zähnen oder gar mit seinem Leben büßen muss. Ein kluger Satz, weil er ungezügelte Aggressionen und Rache verhindern soll.

Martin Luther hat das als Übersetzer der Bibel ins Deutsche gewusst. Zu seiner Zeit gab es die eine deutsche Sprache noch nicht, nur über 20 verschiedene Dialekte. Und daneben die spröde mitteldeutsche Kanzleisprache. Deren Texte lasen sich mindestens so schwer wie heutige Schreiben von Behörden im Amtsdeutsch oder wie technische Gebrauchsanweisungen. Vor Luther gab es bereits 70 Übersetzungen von Bibeltexten. Die waren Wort für Wort aus dem Lateinischen übersetzt. Aber die Übersetzung war dadurch so holprig, dass kein Mensch sie verstand.