Phillip Schilling und Björn Esperling versuchen sich im Musikmanagement. Der Rapper Tastic soll ihr erstes großes Plattenprojekt werden.

Winsen. Beim Schreiben ist er ganz allein. Wenn Sven Kreier seine Songs zu Papier bringt, zieht er sich in sein Zimmer zurück, zündet ein paar Teelichter an - und ringt mit sich selbst um jede Textzeile. "Dann bin ich ein mentales Wrack", sagt der Musiker aus Winsen.

Vor mehr als 20 Jahren fand er Halt im Hip-Hop, in diesem Sommer hat er unter seinem Künstlernamen Tastic sein zweites Album veröffentlicht - und damit einen überraschenden Erfolg erzielt. Die Songs auf "Schicksalsschläge" sind sehr persönlich, es geht um Trennung, Trauer und Hoffnungsschimmer. Die Arbeit an dem Album war wie eine Therapie, sagt Tastic. Und dass er von dem plötzlichen Erfolg überrascht gewesen sei. Insbesondere sein Video zum Song "Das ist für" kam im Internet gut an. "Dass sich daraus so viel ergibt, damit hatte ich nicht gerechnet", sagt er. "Ich dachte, wir machen das für uns."

Vor zwei Jahren haben Phillip Schilling und Björn Esperling ihre Firma Style Effekt gegründet, ursprünglich, um das Winsener Festival WinJam zu organisieren. Seit 2008 holen sie einmal im Jahr junge Nachwuchskünstler aus der Region auf die Bühne des Jugendzentrums Egon's, zusammen mit bekannten Hip-Hop-Künstlern. Schon Samy Deluxe brachte hier im vergangenen Jahr Live-Premieren einiger seiner Songs. "Das hätten wir im Traum nicht gedacht", schwärmt Björn Esperling. Das Festival ist ein Erfolg, jetzt wollen die beiden aus der kleinen Firma eine richtige Agentur machen, mit Booking, Medien, Merchandising.

"Mit WinJam haben wir den Grundstein für unseren Traum gelegt", sagt Björn Esperling. "Jetzt mit dem Album haben wir die Pläne in die Tat umgesetzt." Tastic soll ihr erstes großes Projekt werden. T-Shirts zum Album sind bereits bedruckt, die Videos zu drei Songs erreichen hohe Klickzahlen im Internet, weitere Konzerte sollen folgen, Interviews werden vereinbart, Sponsoren gesucht, Fanzuschriften beantwortet.

Sie vermitteln auch DJs, Moderatoren und andere Musiker - aber ein Großteil ihrer Energie fließt derzeit in die Vermarktung des Rappers. Dabei arbeiten beide noch als Angestellte, Philipp Schilling ist - wie seit Kurzem auch der gelernte Altenpfleger Sven Kreier alias Tastic - im Krankentransport am Krankenhaus Winsen tätig. Für die Zukunft setzt der 22-Jährige jedoch auf den Sprung in die Selbstständigkeit. "Ich will ins Eventmanagement."

Björn Esperling macht eine Ausbildung zum Kaufmann für Marketingkommunikation. Vieles, was der 24-Jährige dort lernt, kommt ihm beim Aufbau der eigenen Firma zugute. Er ist deshalb vor allem für die Bereiche Video und Medien zuständig, kümmert sich um Plakate, Flyer und die gezielte Kommunikation im sozialen Netzwerk Facebook. Überhaupt: Facebook, meint Björn Esperling, das sei unglaublich wichtig für ihre Arbeit, die immer auch mit dem Privaten verschwimmt.

Auf Reichtum hoffen die beiden dabei nicht. "Wir machen das mit Style Effekt aus Liebe zur Musik", sagt Phillip Schilling. Zwar sei die Zeit neben der Arbeit knapp, und nur durch die Unterstützung von Sponsoren seien ihre Projekte derzeit kostendeckend, sagt Björn Esperling. Aber sie wollen ihre Firma Schritt für Schritt ausbauen. "Wir glauben an unsere Künstler. Wen wir für talentiert halten, den pushen wird."

So wie Tastic, der sich zwar auch viel selbst um Auftritte und Kontakte kümmert, die Unterstützung durch seine Freunde jedoch sehr schätzt. Denn das sind sie mittlerweile, nach der intensiven Arbeit an dem neuen Album, für die sie sich oft mehrmals in der Woche getroffen haben. "Gerade entsteht eine richtige Freundschaft zwischen uns", sagt Sven Kreier, und er guckt dabei nachdenklich. Mit enttäuschtem Vertrauen habe er schließlich gerade schmerzhafte Erfahrungen gemacht. Details nennt er nicht.

Geht es um die gemeinsam produzierte Musik, nehmen die Freunde aber keine falsche Rücksicht. Bei den Texten ist Tastic eigen, die sollen möglichst nicht verändert werden. Bei den Sounds haben sie jedoch viel ausprobiert. "Wir sagen auch, was wir nicht cool finden", sagt Phillip Schilling. Er ist vor allem für den musikalischen Bereich bei Style Effekt zuständig. Dafür hat er bei sich zu Hause mitten in seinem Zimmer die Mikros für die Aufnahmen aufgestellt. Ein echtes Studio sei das zwar nicht, räumt er ein. "Aber wir machen da sehr gute Aufnahmen." Sven Kreier nickt vehement, er braucht keinen aufwendig ausgestatteten Profiraum, um seine Musik gut rüberbringen zu können. Auch in die Großstadt zieht es ihn nicht. "Dass wir das alles hier machen, hat ja auch mit einer gewissen Treue zu Winsen zu tun." Seine beiden Freuden haben zwar durchaus schon mal überlegt, mal ihre Fühler nach Hamburg auszustrecken. Aber bisher fühlen sie sich in Winsen sehr wohl, vielleicht auch, weil sie in ihrer Heimatstadt auf viele Unterstützer zählen können. Alle drei leben hier, arbeiten hier - und werden wohl auch erst einmal hier bleiben.

Passend zu seiner sehr persönlichen Musik sind auch die 250 CDs gestaltet, die das Team von "Schicksalsschläge" produziert hat. Jedes Exemplar trägt die Signatur von Tastic, er will seine Hörer berühren, will authentisch sein. Zurzeit überlegt er, Workshops im Jugendzentrum anzubieten. "Ich will was zurückgeben." Hip-Hop ist für ihn eine Kultur, zu der viel mehr als nur Musik gehört. "Hip-Hop entwickelt sich ständig weiter, und zum Glück gibt es nicht nur diesen aggressiven Sido-Gangsta-Rap. Ich glaube, der Hype lässt schon wieder nach."

Sein softer Hip-Hop kommt an, aus ganz Deutschland gingen Bestellungen ein, von Teenies, aber auch von Hausfrauen um die 40. Der Rapper findet das gut. Er müsse niemandem mehr beweisen, was für ein harter Kerl er sei, sagt der 35-Jährige. Vielleicht sei das eine Frage des Alters. "Aber ich will keine Leute fluchen hören oder Mütter beleidigen. Echte Poesie ist doch viel interessanter."