Das Abendblatt besucht Sportboothäfen entlang der Elbe und lässt Seemannsgarn spinnen. Heute: der Wassersportclub Drochtersen-Elbe.

Schafe grasen am Hang des Deiches, Rinder muhen lauthals in die Weite der Elblandschaft hinaus, Entenschwärme watscheln aufgeregt am Ufer des Flusses entlang. Eine natürliche Idylle herrscht hier, im Naturschutzgebiet Asselersand. Und inmitten der saftig grünen Elbgestade, im Ruthestrom, der die Insel Asselersand vom Festland trennt, schwimmt das Vereinshaus des Wassersportclubs Drochtersen-Elbe, kurz WSDE.

"Das ist das Besondere an unserem Hafen", sagt Bernd Oberdick. Der 57-Jährige ist 1. Vorsitzender des WSDE. "Guckt man nach links, hat man Natur. Guckt man nach rechts, hat man Natur. Um den Hafen tummeln sich Rinder und Enten. Und blickt man auf die Elbe, kann man sogar die großen Schiffe bewundern, die dort entlang fahren." Er sitzt gemeinsam mit fünf Vereinsmitgliedern im Versammlungsraum des schwimmenden Vereinshauses.

Drei der dort versammelten Mitglieder gehören der Seniorengruppe des Vereins an. Zwei von ihnen sind gar Gründungsmitglieder des 1968 gegründeten WSDE, namentlich Gerd Bahr, 79, und Heinz von Bargen, 83. Zusammen mit Wilfried Schröder, 79, der von 1978 bis 2003 Hafenmeister des Hafens am Ruthestrom war, gehören die Senioren zudem zur "Plattsnackers"-Gruppe des Vereins. Die Gruppe entstand, nachdem Wilfried Schröder seinen Dienst als Hafenmeister aufgab. Mittlerweile zählt sie 15 lokalpatriotische Männer, die sich dienstags zum Plattsnacken treffen. Bernd Oberdick freut sich, eine solch aktive Plattdeutsch-Gruppe im Verein zu haben. "Das ist großartig. Plattdeutsch und Segeln sind ja beides maritime Themen", sagt er.

+++ Der Vorsitzende +++

+++ Der Reisende +++

Bis Sören, 12, und Jacob, 11, zur Seniorengruppe eines Wassersportvereins gehören, dauert es noch etwas. Trotzdem sind die zwei Jugendlichen aus Dornbusch und Krautsand bereits heute begeistert vom Wassersport. Verwandte haben sie an diesem Tag mit an den Hafen des WSDE genommen, um einen Törn nach Krautsand zu unternehmen. "Seit einem halben Jahr segele ich in Wischhafen in einem Optimisten. Das macht richtig Spaß", sagt Jacob. Sören steuert selbst noch kein Boot. Trotzdem hat er bereits dezidierte Pläne. "Wenn ich mir ein Boot kaufe, wird es wohl ein Motorboot. Damit hätte ich, glaube ich, mehr Spaß", sagt er.

Ein ehemaliger Jugendtrainer des WSDE, Martin Erdmann, macht gerade am Steg seinen Segler flott für den nächsten Törn. Der 40-Jährige wohnt in der Nähe von Bremen. Doch der Wassersport treibt ihn jedes Wochenende aufs Neue nach Drochtersen. Über eine Stunde kostet ihn jede An- und Abreise. Trotzdem möchte er seinen Drochtersener Hafen nicht missen.

"Meine Mutter ist in Krautsand geboren. Hier fühle ich mich zu Hause. Außerdem ist das Revier hier einfach schön", sagt Erdmann. "Zwischen Drochtersen und Freiburg ist das Ufer bewaldet, dann hat man beim Segeln richtig was zu gucken und es wird nicht langweilig." Außerdem sei die Elbe wegen der Berufsschifffahrt ein anspruchsvolles Segelgebiet. Auch das habe seinen Reiz.

Barbara Lücke, 45, und André Fiebing, 51, aus Bendestorf sind gerade im Begriff, sich auf eben dieses anspruchsvolle Gebiet zu wagen. Es soll zum Dwarsloch gehen, nordöstlich von Stade. "Segeln ist für mich komplette Entspannung", sagt Barbara Lücke. "Kaum sind die Leinen los, ist der Alltag fort. Man begibt sich in eine natürliche Idylle. Natürlich zeigen einem die Gezeiten auch die Kraft der Natur auf, aber auch das gehört dazu." Barbara Lücke zieht das Segeln dem Campen vor. "Auf dem Wasser habe ich meine eigene kleine Welt um mich herum und am Steg mein eigenes Gebiet. Beim Campen stehen ja alle dicht an dicht. Da hat man gar keine Privatsphäre." Für Paare und Freunde sei ein Boot aber vor allem auch eine Art Therapieraum. Während der Zeit auf dem Wasser habe man genügend Zeit, um zu lernen, miteinander auszukommen. Wirkung gezeigt.

+++ Alte Obstsorten +++

+++ Genug freie Plätze +++

Im Versammlungsraum des WSDE klingen in der Zwischenzeit Döntjes aus mehreren Jahrzehnten Wassersport an. "Als ich damals noch längere Touren machte, war ich einmal mit einigen Freunden in Ebeltoft in Dänemark", setzt Gerd Bahr an. "Leider haben wir den Anker zu früh geworfen und sind nicht an den Steg gekommen. Der Anker ließ sich allerdings nicht mehr hochziehen." Dann sei Gerd Bahr ins Wasser gesprungen und in sechs Metern Wassertiefe auf den Anker gestoßen. Doch der saß fest. "Da haben wir dann den Hafenmeister um Hilfe gebeten. Der kannte einen Zwölfjährigen, der angeblich sehr gut tauchen konnte. Der Junge machte uns ein Angebot: 100 Kronen für ihn, wenn er den Anker lösen könne, 50 wenn nicht." Die Drochtersener Segler willigten ein. "Der Junge tauchte, blieb unter Wasser, Luftbläschen kamen an die Oberfläche, wir machten uns bereits Sorgen. Doch dann tauchte er auf und sagte, unser Anker habe sich in der Ankerkette der Fregatte Jylland verfangen."

Die Jylland ist ein 1860 gebautes Holzkriegsschiff der dänischen Marine und liegt heute als Museumsschiff in Ebeltoft. "Auch der Junge meinte, den Anker nicht lösen zu können, und kassierte seine 50 Kronen. Wir mussten uns also von dem Anker trennen und einen neuen kaufen." Gerd Bahr lächelt. "Als wir einige Jahre später erneut in Ebeltoft lagen, gingen wir an einem Laden für Segler vorbei und entdeckten im Schaufenster einen Anker, der unserem verdächtig ähnelte. Es war unserer! Da haben wir uns doch reingelegt gefühlt."

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Auch der 1. Vorsitzende hat noch ein Döntje in petto. "Vor einigen Jahren hat sich ein bayerisches Ehepaar einen Segelkatamaran gekauft und bei uns im Winterlager untergebracht, um ihn etwas zu modifizieren. Bis in die Karibik wollten sie damit segeln", erzählt er. Die Bayern hätten damals keinerlei Segelerfahrung gehabt. "Wir haben uns nur an die Stirn gefasst. Das schaffen die nie, haben wir gesagt. Dann sind sie irgendwann aufgebrochen und nach einiger Zeit erhalten wir dann die Nachricht, dass sie in der Karibik unterwegs seien. Ganz ohne Erfahrung!" Nach Bernd Oberdick fällt Gerd Bahr noch eine Geschichte ein. Und nach Gerd Bahr haben auch Karsten Stelling, Hallenwart, und Dietrich Pohndorf, Kassenwart, noch Anekdoten auf Lager. So gibt es viel zu erzählen im schwimmenden Vereinshaus in Drochtersen, mal auf Hochdeutsch, mal auf Platt.