In unserer Serie “Im sicheren Hafen“ steuern wir Sportboothäfen entlang der Elbe zwischen Bleckede im Osten und Freiburg im Westen an.

Die Boote des Hafens Neuenschleuse" - Nein. "Die Boote des Hafens Borstel" - Ungünstig. "Die Boote des Hafens Jork" - da wird es Unmut unter den ansässigen Seglern und Motorbootfahrern geben. Bevor man über den Hafen des Vereins Altländer Yachtclub, kurz AYC, spricht, muss man sich zunächst bewusst sein, auf welch heikles Terrain man sich in Bezug auf den Hafennamen begibt.

Denn alle Namen haben, für sich genommen, ihre historische Berechtigung. Doch die wenigsten Mitglieder des AYC bleiben im Namensstreit neutral. Selbst auf den Hecks der Vereinsboote wird der Streit ausgetragen - auf einigen Booten ist dort als Heimathafen Neuenschleuse vermerkt, auf einigen Borstel und auf einigen Jork. Dabei kommen sie alle aus ein und demselben Hafen - demjenigen gegenüber des Hanskalbsands, am südlichen Elbufer, in Fließrichtung wenige Kilometer hinter der Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand.

+++ 120 Liegeplätze +++

+++ Pforten und Fachwerk +++

+++ Stegwart +++

+++ Spontaneität +++

"Der Altländer Yachtclub ist wohl der einzige Verein, in dem die Boote am Heck drei unterschiedliche Heimathäfen nennen, obwohl sie aus demselben Hafen kommen", meint Klaus Wehrt, 2. Vorsitzender des AYC. Das liege daran, dass Neuenschleuse ein eigener Ort war, bevor er Teil von Borstel wurde. Borstel wiederum wurde daraufhin Teil von Jork. Rein offiziell müsste der Hafen des AYC also Hafen Jork heißen. So bezeichnet ihn auch die Satzung des Vereins - zumindest in Dieter Stelljes Version. Der 64-Jährige ist Kassenwart des AYC. "Das glaube ich nicht, ich dachte immer, in der Satzung steht Borstel! Die Version, die du hast, muss wohl falsch sein", echauffiert sich Klaus Wehrt vor dem Kassenwart. Und lacht kurz darauf.

So hitzig und erregt geht es im Altländer Yachtclub allerdings nur selten zu. Im Grunde seien die Mitglieder vor allem eines: gemütlich. Das meint Heike Stelljes, die Frau des Kassenwartes. "Sobald wir uns spontan treffen, wird es gemütlich. Oft setzen wir uns dann in unseren Booten zusammen. Kuchen ist ja immer an Bord", sagt sie. Unter Skippern heißt die kastenförmig aufgespannte Plane am Heck der Yacht, wo man sitzen und plaudern kann, gemeinhin Kuchenbude.

"Ja, Kuchen gibt es oft. Man sagt von Altländern ohnehin, sie äßen viel Kuchen", meint Dieter Stelljes. Ob ein Jorker nun wirklich ein Altländer ist oder nicht - darüber möchten weder er, noch andere Vereinsmitglieder Auskunft geben. Gemütlichkeit geht vor.

Das Leben unter der berühmten Kuchenbude - Gitta Gosau, 61, kann ein Lied davon singen. Sie und ihr Gatte Dieter Gosau, 69, sind regelmäßig über ein Drittel des Jahres auf dem Wasser. Dann geht es zu den Ostfriesischen Inseln, nach Dänemark, Schweden oder Holland. "Die weiteste Tour war einmal zu den Åland-Inseln", berichtet sie. Die Inselgruppe gehört offiziell zu Finnland, verwaltet sich aber weitgehend selbst. Auch wird dort nicht Finnisch, sondern Schwedisch gesprochen.

+++ Harburg - Ein Hafen, der gar keiner ist +++

+++ Finkenwerder: Anlegen bei Marina Rüsch +++

In Neuenschleuse wird natürlich ebenfalls nicht Deutsch gesprochen, sondern Platt. "Kom mi nüch anne Farv!", ist ein Spruch, den man unter Altländer Bootsfreunden oft zu hören bekommt. Er lässt sich mit "Komm' mir nicht an die Farbe!" übersetzen und ist bezeichnend für die Liebe, aber auch den Beschützerinstinkt, den Skipper gegenüber ihrem Gefährt spüren.

Sobald jemand einen Kratzer in der Farbe des Boots hinterlässt, hat er dem Skipper eine tiefe, seelische Wunde zugefügt. Und das ist erst die Farbe - die dünne, oberste Schicht. "Die Beziehung von manchen Menschen zu ihrem Boot ist wirklich stark. Manchmal sogar stärker als zu ihrer Familie", meint Klaus Wehrt.

Regina Hinrichsens Familie ist zurzeit im Urlaub. Somit kann die 47-Jährige endlich auch allein segeln. Sie war bereits vier Tage auf dem Wasser, nur sie und ihr Boot "Pianissimo" - italienisch für "sehr leise". "Das Wetter war großartig. So macht es natürlich am meisten Spaß", sagt sie.

Wenn ihre Männer zu Hause sind, segelt sie normalerweise nicht allein. Allerdings können ihre Männer ihr einige anstrengende Arbeiten abnehmen - wie das Hochkurbeln des Schwerts, einer Platte im Kiel, das für Stabilität beim Segeln sorgt. Beim Auslaufen bei Niedrigwasser kann das Schwert im Schlick stecken bleiben.

"Das ist eigentlich schon Männerarbeit", sagt sie mit Schweißperlen auf der Stirn. Seit ihrer Kindheit ist sie Mitglied im AYC. Selbst ihre Kinder lernen in der Jugendgruppe das Segeln.

"Wir haben wirklich gute Segler unter unseren weiblichen Mitgliedern", lobt Klaus Wehrt. Eine Frauencrew habe kürzlich gar einen Preis der Zeitschrift "Segeln" für ihren Törn an der Südküste Mallorcas gewonnen.

Den Sieg wird der Verein vielleicht im "Möwennest" feiern. Das Bistro eröffnete vor drei Jahren am Deich, gleich neben dem Hafen, und bringt neben einer erhöhten Anzahl Touristen einen weiteren Effekt mit sich: Es schützt vor Diebstahl.

"In Häfen werden nicht selten Dinge geklaut", meint Stegwart Dieter Holl, 62. "Eine Zeit lang war es besonders schlimm. Damals mussten wir jede Nacht eine Wache vom Verein abstellen. Das hat geholfen, ist auf Dauer aber natürlich nicht machbar."

Somit sei dem Verein eine Idee gekommen. "Wir haben eine Puppe in den Hafenmeisterstuhl gesetzt. Keine Vogelscheuche, sondern eine lebensechte Puppe in Verkleidung. Plötzlich hat sich kein Dieb mehr an die Boote gewagt." Seit das Möwennest jedoch eröffnet habe, müsse die Puppe nachts nicht mehr zum Einsatz kommen. "Durch das Bistro ist auch abends noch so viel los, dass man eigentlich nichts stehlen kann", meint Dieter Holl erleichtert.

Somit kann der Verein aufatmen und sich auf die schönen Seiten des Bootsclubs konzentrieren: gemütliches Beisammensein, Grünkohlessen, Glühweintreff, Stammtisch, Boßeln, An- und Absegeln. Bei ausgelassenen Feiern wird dann zum obligatorischen Altländer Kuchen auch gern mal Hochprozentiges gereicht. "Unsere Vereinsgetränke heißen Itchy-Pitchy und Wodka-Tralala", sagt Gretel Wehrt, 72, die Frau des 2. Vorsitzenden. Zumindest bei der Benennung ihrer Getränke sind die Altländer sich einig.

Morgen besuchen wir den Hafen am Pionierplatz in Grünendeich