In unserer Serie “Im sicheren Hafen“ steuern wir Sportboothäfen entlang der Elbe zwischen Bleckede im Osten und Freiburg im Westen an.

Marina Rüsch - das klingt nach echter Finkwarder Deern. Die spricht in ihrer Freizeit Platt, kaut gern auf Drögfisch-Stremeln, sitzt auf ihrer Terrasse und blickt auf das glitzernde Wasser der Elbe. Und wer in Finkenwerder gern einen Liegeplatz vorbestellen möchte, hat auch tatsächlich eine weibliche Stimme am Telefon, die sich meldet. "Viele Skipper, die sich bei mir anmelden, sind der Auffassung, mit einer Frau Marina Rüsch zu sprechen", sagt die Hafenmeisterin des Yachthafens Rüschkanal auf Finkenwerder lachend. Ihr Name ist jedoch Heide Heins, Marina Rüsch heißt nur der Hafen.

Weibliche Hafenmeister sind selten und Heide Heins hat viel um die Ohren. Sie ist verantwortlich für 120 Liegeplätze im Finkenwerder Hafen, die dort liegenden Gäste, Finanzen, Sanitäranlagen und eine Werft.

Der Finkenwerder Hafen ist wegen seiner Lage beliebt bei Skippern. Viele der Liegeplätze sind durch die verlängerte Landebahn auf dem Airbus-Gelände vor dem gefürchteten Schwell - von Laien gern Bugwelle genannt - der dicken Pötte auf der Elbe geschützt. Außerdem liegt er nah an der Weltstadt Hamburg. Um an den Stegen spontan einen Platz zu bekommen, muss man schon etwas Glück haben oder sich eben rechtzeitig entweder telefonisch oder per E-Mail bei der geheimnisvollen Marina Rüsch anmelden.

"Zwischen Rüschhalbinsel und Rüschpark gelegen, ist der Name Marina Rüsch für einen Sportboothafen im Rüschkanal eigentlich naheliegend", sagt Klaus Heins, 48. Deswegen hätten er und seine Frau sich in der Anfangszeit, kurz nachdem sie die Anlage 2005 erworben hatten, regelmäßig gewundert, weshalb Briefe und E-Mails oft an eine ominöse Frau Rüsch adressiert waren. "Wenn man genauer darüber nachdenkt, ist es natürlich ein witziger Zufall", sagt er.

Also stellt sich heraus, dass Marina Rüsch nun leider doch keine Finkwarder Deern ist. Klaus Heins allerdings ist ein echter Finkwarder Jung, er ist dort aufgewachsen und immer dort geblieben. Auch hat er seine Gattin mit der Liebe zum Wasser und der ehemaligen Elbinsel angesteckt.

+++ Im Schutz der Landebahn +++

+++ Im Geiste Gorch Focks +++

+++ Der Tüftler +++

+++ Naturfreund +++

Oft sitzt das Ehepaar abends auf dem Balkon des dreistöckigen Hafengebäudes und beobachtet die Elbe. Dabei fällt von Zeit zu Zeit ein niederdeutsches Wort und der selbst gemachte Drögfisch zergeht zwischen den Zähnen. Drögfisch - eine Finkenwerder Spezialität. Gesalzene und luftgetrocknete Scholle, deren steinhartes Fleisch in dünne Streifen geschnitten und anschließend gegessen wird. Mit Sicherheit nichts für schlechte Zähne.

Vom Balkon aus geht der Blick über zahllose in die Höhe stechende Masten auf den Fluss. "Wenn die Queen Mary ausläuft und gleichzeitig ein Airbus A 380 auf der Landebahn posiert, ist das schon genial", sagt Klaus Heins. Lärm käme von dem angrenzenden Airbus-Gelände nur sehr selten herüber.

"Mit Wassersport hatte ich vorher nie etwas am Hut", sagt Heide Heins. Sie und ihr Mann sind schon länger im Besitz einer Baufirma. Vor sieben Jahren wurde ihr bestehendes Gelände zu klein - sie mussten zukaufen. Ein Areal am Finkenwerder Hafen bot sich an. Doch der Besitzer wollte nur unter der Auflage verkaufen, seine Stege für rund 30 Boote bei dieser Gelegenheit ebenfalls loszuwerden.

Das Angebot war offenbar gut genug, und die Heins kauften das Gelände samt Stegen. Die Arbeit wurde von da an aufgeteilt. Klaus Heins blieb Besitzer der Flächen und kümmerte sich um das Baugewerbe, während Heide Heins im und um den Hafen experimentierte. So wurde sie zur Hafenmeisterin. Sie ist mit vollem Einsatz dabei - Urlaub nimmt sie nur ganz selten und wenn, dann hat sie ihr Mobiltelefon auf der Reise immer griffbereit.

Das Gros der Plätze sei von Dauerliegern besetzt, sagt Heide Heins. Zwei der Plätze gehören seit neun Jahren der Familie Pallentin. Auf einem ihrer Plätze liegt eine geräumige Motoryacht, welche die Pallentins liebevoll "Mutterschiff" nennen. Demzufolge müsste das zweite Boot, ein amerikanisches Rennboot mit 450-PS-Motor, der Spross sein. Passend - Jörg und Monika Pallentin, beide 47, halten sich gern an Bord der Yacht auf, während Sohn Oliver, 20, lieber mit dem Amerikaner seine Runden dreht.

Er und sein Vater sind von Zeit zu Zeit in gelben Polohemden zu beobachten. Die Hemden dienen als Teammontur, denn die Familie verfolgt ein unkonventionelles Hobby - Bootrallye-Fahren mit einem Hauch Glücksspiel.

Der Schriftzug "Black Money" ist auf die Polohemden gestickt: eine scherzhafte Anspielung auf den Beruf des Vaters. Er ist Steuerberater - und hat offenbar eine gute Portion Humor. An den Ärmeln ist zudem ein aufgefächertes Spielkartenblatt aufgenäht.

"Bootsrennen darf man in Deutschland nicht fahren. Deshalb haben wir uns etwas anderes überlegt, damit wir und andere Rennbootbesitzer auf ihre Kosten kommen können", erläutert Jörg Pallentin. "Bei unserer Rallye gewinnt nicht der Schnellste. Es gibt stattdessen mehrere Stationen, an denen man eine Karte ziehen muss. Wer am Ende die beste Hand hat, ist der Gewinner." Zudem werde an einigen Stationen Halt gemacht, gegessen, gefeiert und übernachtet. "Der Spaß soll im Vordergrund stehen", sagt Pallentin.

Spaß hat auch die Besatzung der "Kalujo": Katrin, 50, Lukas, 15, Jonas, 12, und Lutz Behrens, 53, der die ersten beiden Buchstaben seines Namens ganz nordisch-zurückhaltend nicht in den Bootsnamen hat einfließen lassen. Wohl auch, weil "Kalulujo" in Sachen sprachlicher Ästhetik gegen "Kalujo" zurückstecken muss. Die Behrens brechen gerade zu einer Sandbank nahe des Hafens auf, um dort bei Niedrigwasser zu entspannen.

Heide Heins kümmert sich gern um ihre Gastlieger und freut sich über Lob. Auch angehenden Weltumseglern vermietet sie gern ein Apartment am Hafen, in dem diese wohnen und gleichzeitig am Steg ihr Boot für die Reise fertig machen können. "Vor einem Jahr hatten wir hier ein Schweizer Ehepaar mit einem unglaublich winzigen Boot. Die sind nun schon in der Südsee", erzählt sie. Geschieden seien die Schweizer noch nicht - nach einem Jahr auf engstem Raum. Umgeben von Wasser ist auch nicht leicht an einen Familienrichter zu kommen.