Neubauten mitten im Binnenhafen: Bis Mai 2012 entstehen auf der Harburger Schlossinsel 162 Wohnungen für Besserverdienende.

Harburg. Als die Nachrichtenmoderatorin Judith Rakers sich am Sonnabend auf den Weg nach Harburg machte, fragte sie der Taxifahrer in Eppendorf: "Wo wollen Sie hin - nach Harburg? Das wird schwer, ich habe leider kein Navi!" Als Judith Rakers sagte, sie wolle zu einer Veranstaltung auf die Schlossinsel, war der Taxifahrer noch ratloser: "Wie bitte, Harburg hat ein Schloss? Davon habe ich ja noch nie etwas gehört!"

Irgendwie fand der Mann dann doch den rechten Weg in den Hamburger Süden und lieferte die Tagesschau-Sprecherin wohlbehalten vor einem großen weißen Festzelt auf der Schlossinsel im Harburger Binnenhafen ab. Neben dem Zelt steht ein großer gelber Kran auf einem großen Baugrundstück. "Komisch", sagte Judith Rakers, "wo sind denn hier die Wohnträume der Zukunft? Ich sehe nur tiefe Pfützen".

Die "Wohnträume der Zukunft" werden jetzt auf der 57 Hektar großen Schlossinsel entstehen. Judith Rakers führte am Sonnabend durch einen Nachmittag, an dem Investoren, Projektentwickler und Politiker mit einer Grundsteinlegung ein für Harburg und Hamburg einmaliges Bauprojekt starteten: "BalanceBay".

In der "BalanceBay" auf der Harburger Schlossinsel werden Arbeiter sieben Häuser mit 162 Wohnungen samt 192 Tiefgaragenstellplätzen und fünf gewerblichen Einheiten hochziehen. Die Gesamtinvestitionssumme für die 20 000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche beträgt 69 Millionen Euro - Investor sind die Provinzial Rheinland Versicherungen, Projektentwickler die Hamburger Firma Lorenz + Partner, die schon mehrere Projekte im Harburger Binnenhafen realisiert hat. Die Stadt Hamburg gibt zum Jahr 2015 insgesamt 43,4 Millionen Euro für Straßen, Wege, Brücken und Ufersicherungen aus. Herzstück der historischen Keimzelle Harburgs wird ein sternförmig angelegter, 1,5 Hektar großer Park sein - mit dem Westflügel des Schlosses als einzig erhaltenem Teil in der Mitte. Hier haben die Arbeiten bereits begonnen. Der Park kostet 2,9 Millionen Euro. Insgesamt sollen auf der Schlossinsel 230 Miet- und Eigentumswohnungen, Gewerbeflächen und neue Wasseranlagen entstehen.

Und es gibt weitere Interessenten für das Gelände an der Süderelbe, das heute noch von Bauhöfen und Industriebrachen geprägt ist. Der Chef der Süderelbe AG, Jochen Winand, sprach gegenüber dem Hamburger Abendblatt von einem "verstärkten Interesse Hamburger Investoren für den Harburger Binnenhafen. Allein in der letzten Woche hatte ich fünf Anfragen". Der Geschäftsführer der Internationalen Bauausstellung (IBA), Uli Hellweg, rechnet "in den nächsten zehn Jahren mit 300 bis 400 Arbeitsplätzen allein auf der Schlossinsel. Insgesamt werden im Harburger Binnenhafen rund tausend Wohneinheiten entstehen". Voraussetzung dafür ist, dass die Hamburgische Bürgerschaft den Harburger Binnenhafen am 15. September aus dem Hafengebiet entlässt.

"Chill out statt Burn out" heißt das Motto der neuen "BalanceBay". Nach Informationen des Hamburger Abendblattes werden die neuen 63 bis 230 Quadratmeter großen Eigentumswohnungen 3900 bis 5500 Euro pro Quadratmeter kosten - das sind Preise über Eppendorfer aber unter Hafencity-Niveau. Mietwohnungen kosten zwölf bis 17 Euro pro Quadratmeter.

"Die ersten Bewohner werden im Mai 2012 einziehen können", sagte Projektentwickler Frank Lorenz. 240 Anfragen lägen vor, "viele von Paaren aus dem Landkreis Harburg, deren Kinder das Haus verlassen haben und denen der Garten zu groß ist". Für ihr gutes Geld will ihnen "BalanceBay" einiges bieten: So können die neuen Schlossinselbewohner auf einem Joggingpfad "durch raues Hafenambiente und entlang entspannender Elbwiesen" laufen - dazu gibt es eine Stretchingzone und eine Laufschuhreinigung. Auf Wunsch bekommen die Bewohner einen Bootssteg direkt vor dem Haus - der Binnenhafen ist tideunabhängig. Ein Bootsservice sorgt für "Unterhaltung, Tanken und Waschen", Filter erzeugen in der Wohnung ein "allergikerfreundliches Wohlfühlklima".

Jeder Bewohner bekommt in der neuen Wohnung ein Duplikat des Designklassiker-Kunstobjektes "Eames Housebird" aus dem Museum of Modern Art in New York. Alle Wohnungen haben große Terrassen, Balkone oder Dachgärten, die barrierefrei sind, sowie Fußbodenheizungen. Und wer sein Auto wenig benutzt, der wird mit einem Fahrrad belohnt; zum Angebot gehört auch eine Elektro-Tankstelle.

Bürgerschaftspräsident Dr. Lutz Mohaupt (CDU) erinnerte vor rund 400 meist geladenen Festzeltgästen an seine erste Fahrt mit dem Auto von Cuxhaven über die B 73 nach Hamburg, rund 50 Jahre ist es her. "Ich sagte zu meiner Frau: Guck mal, nördlich der Bahngleise und der B 73 ist Niemandsland, das war ein trauriges Areal mit schedderigem Gelände. Spätestens seit dem Bau des Channel Towers hat Harburg ein Ausrufungszeichen gesetzt. Jetzt, mit der Bebauung der Schlossinsel, stehen wir vor einer historischen Veränderung."

Mohaupt forderte, die Elbe "als Grenze in den Köpfen" zu löschen. "Von Wellingsbüttel aus bin ich in 35 Minuten in der City, von Harburg aus in 20 Minuten. Aber es gibt immer noch Hamburger, die glauben, Harburg liege an der italienischen Grenze."

Harburgs Bezirksamtsleiter Torsten Meinberg (CDU) war voll des Lobes für das neue Bauprojekt auf der Schlossinsel: "Was hier entsteht, ist beispielhaft für die innerstädtische Entwicklung in Europa. Wir werden die Wiege Harburgs neu entstehen lassen und auch die Harburger Innenstadt aufmöbeln. So wird Harburg sein Schmuddelimage ablegen und ein Gemeinwesen schaffen, das seinesgleichen in der Stadt sucht."

Auf Judith Rakers Frage, ob er denn selbst mit seiner Familie von Heimfeld auf die Schlossinsel ziehen wolle, blieb der Harburg-Chef indes diplomatisch: "Diese Frage ist schwer einzuschätzen. So eine Kaufentscheidung muss konsensual mit meiner Frau und meinem Sohn entschieden werden."