Behinderte und Nichtbehinderte werden die Pendler in Neu Wulmstorf mit Kaffee und Brötchen bedienen

Neu Wulmstorf. 10 000 Pendler nutzen täglich die S-Bahn auf der Strecke zwischen Stade, Neu Wulmstorf und dem Hamburger Hauptbahnhof. Bislang mussten sie an der Haltestelle Neu Wulmstorf auf den Morgenkaffee, das Frühstücksbrötchen oder die Zeitungslektüre verzichten. Das wird jetzt anders - voraussichtlich Mitte August bekommt Neu Wulmstorf einen Bahnhofskiosk. Einen ganz Besonderen: Menschen mit und ohne Behinderung werden dort gleichberechtigt zusammen arbeiten. Nicht einmal zehn solcher Integrationsprojekte gibt es in Niedersachsen.

Betreiber des Bahnhofskiosks und Pächter der Gemeinde ist die Integrative Lebens- und Arbeitsgemeinschaft Neu Wulmstorf (LeA). Genauer die LeA Integrative Arbeit gemeinnützige GmbH, denn der soziale Verein musste für das Kioskgeschäft extra ein Unternehmen gründen.

Geschäftsführer ist Heiner Albers. Ein Jahr lang hat er daran gearbeitet, bis jetzt endlich das Integrationsamt in Hannover das Modellprojekt in Neu Wulmstorf bewilligt hat. 30 Seiten hat der Antrag umfasst. Das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie und die N-Bank haben die Marktchancen streng analysiert. Die Lage am Bahnhof, die Gemeinde als Pächter, Spender im Hintergrund - das sind die Pluspunkte für den Integrationsbetrieb.

In dem Kiosk werden vier Mitarbeiter ohne und vier Angestellte mit Behinderung bei gleichem Lohn arbeiten. Das Integrationsamt gibt einen Zuschuss zu solchen Betriebe. Als Starthilfe erhält der LeA-Kiosk 40 Prozent der kalkulierten 60 000 Euro Einrichtungskosten. Den Rest finanzieren Spender, jeweils 10 000 Euro kommen von der Zajadacz-Stiftung, der Spethmann-Stiftung und dem Unternehmen Airbus. Zum Lohn der Mitarbeiter mit Behinderung steuert das Land jeweils 210 Euro bei. Fünf Bewerber mit Schwerbehinderung sprechen zurzeit bei Heiner Albers vor. Sie sind zwischen 20 und 25 Jahre alt. Junge Leute, die sonst keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben. Wegen der Einstellungsgespräche und der Sommerferien hat der Geschäftsführer die ursprünglich für den 1. Juni vorgesehene Kioskeröffnung auf Mitte August verschoben. "LeA ist dafür bekannt und anerkannt", sagt Albers, "dass wir keine Schnellschüsse machen."

Seinen Kioskchef hat Heiner Albers bereits gefunden: Der 45 Jahre alte Slim Lourimi, ein gelernter Restaurantfachmann, wird das Geschäft leiten. Der Neu Wulmstorfer hat sechs Jahre lang mit behinderten Menschen zu tun gehabt.

Neu Wulmstorfs Bahnhofskiosk setzt vor allem auf den Appetit der Pendler: Neben belegten Brötchen wird es Wraps und Bagels geben. Dazu Salate und alle modischen Kaffeegetränke: Latte Macchiato, Espresso, Cappuccino. Ab 5.30 Uhr erhalten eilige S-Bahnfahrer ihr Frühstück "in die Faust". Der Kiosk schließt um 19 Uhr, öffnet von Montag bis Freitag. Im Winter sollen sich Gäste auch bei einer Suppe aufwärmen können.

Slim Lourimi versteht den Betrieb als "Bäckerei-Kiosk". Sitzplätze innen und auf dem schmalen Betonstreifen vor dem 35 Quadratmeter großen Laden sind vorgesehen. Auf den Verkauf von Alkohol will der Integrationsbetrieb verzichten.