3,3 Milliarden kleine Genussmittel-Säckchen verlassen jährlich das Meilsener Werk. Das Abendblatt erklärt, wie der Tee in den Beutel kommt.

Buchholz. Dieser Duft! Diese aromatisierte Luft! Vanille, Holunder und fruchtige Orange kitzeln die Nase. Etliche Gerüche wabern auf den Gaumen, streicheln abwechselnd die 10 000 menschlichen Geschmacksknospen. Manchmal sind es eben nur 30 Meter vom schweren Aroma des ostfriesischen Schwarztees bis zum leichten Odeur fernöstlichen Limettengrases.

Für "Nasenmenschen" ist die Buchholzer Teeschmiede von Milford Tea ein echtes Erlebnis. Für Teekenner eröffnet sich an der B 75 gar ein kleines Paradies. Dort, wo der Rohstoff für 3,3 Milliarden Teebeutel lagert, herrscht Dauerfeuer auf den Geschmackssinn. 550 unterschiedliche Mischungen werden im Buchholzer Ortsteil Meilsen abgepackt, bis zu 36 gleichzeitig, wie Werksleiter Matthias May sagt. Das Werk wurde 1989 von der Laurens Spethmann Holding (LSH) gekauft, stetig erweitert und seit 1998 firmiert dort die Tochtergesellschaft Milford.

Von innen sieht die Produktionshalle ein bisschen wie das Miniaturwunderland aus. Es ist eine kleine Stadt, die niemals schläft. Zwischen September und März - in der Teetrinker-Saison - arbeiten 153 Mitarbeiter rund um die Uhr. Zu sehen sind sie in dem Labyrinth aus Brücken, Schienen und rollendem Verkehr indes kaum. Wie von Geisterhand rauschen bunte Schachteln auf verschlungenen Förderbändern vorbei, verbünden sich Pappkartons zu Zehnergruppen, heben Roboterarme das Endprodukt auf große Paletten. Ein Wunderland. Eigentlich fehlen nur die lieblichen Mini-Landschaften mit Wiesen, Kunstbäumen und gezuckerten Berggipfeln.

Täglich verlassen 18 Millionen Teebeutel das Werk. Dieser nimmermüde Prozess findet normalerweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. In einer der modernsten Abpack-Anlagen Deutschlands werden Kräuter-, Früchte- und Schwarztees (rund 3500 Tonnen jährlich) für die Hausmarken Meßmer und Milford umgeschlagen. Aber wie funktioniert die Abpackstation? Und wie kommt der Tee in den Beutel?

Zwischen getrocknetem Rohmaterial und doppelt genähtem Zwei-Kammer-Teebeutel liegt nur eine Werkstatttür. Der Tee durchläuft ein ausgeklügeltes System aus Rohren und Maschinen, wird mal per Vakuum angesaugt, dann wieder vollautomatisch portioniert und schließlich in sein Kleid aus Naturfasern gewickelt. "Das passiert ökologisch wertvoll. Denn wir verwenden nur Naturmaterialien, die Beutel sind kompostierbar, weil Schildchen und Beutel mit einem Faden genäht werden", sagt Werksleiter May nicht ohne Stolz.

Geliefert wird das Rohmaterial, getrocknete Blätter, Beeren und Früchte, in großen, fast 1000 Kilogramm schweren Ballen, den sogenannten "Big Bags". 35 dieser vorgefertigten Mischungen hängen in Reih und Glied, Holunder-Vanille neben Rooibos-Sahne. "Nur Schwarztee muss separat gelagert werden. Er besitzt so viel ätherische Öle, dass er das Aroma der anderen Sorten aufsaugen würde", erklärt Matthias May. Große Schläuche stülpen ihre Rüssel in die Big Bags und fördern unter noch größerem Getöse das Genussmittel in Maschinen, die auch in der Autozuliefererbranche gut aussehen würden. Doch diese Maschinen sind gespickt mit feingliedriger Technik. Die hochmodernen Abpack-Automaten mit dem technokratischen Namen "C 24" spucken 350 Teebeutel in der Minute aus. "Unglaublich", begeistert sich Matthias May, denn neben der enormen Geschwindigkeit bestechen die Maschinen durch automatische Staubabsaugung.

Teemischung, Beutel, Etikett und Faden finden vollautomatisch zueinander. Dabei ist der Beutel zunächst nur eine Lage Filterpapier. Stoisch landet dieselbe Menge Tee auf dem weißen Stoffband, wird fortgetragen, bevor viele kleine Metallärmchen den Zellstoff origamiartig falten und falzen. Nachdem die Ärmchen vom Zellstoff abgelassen haben, ist ein Teeschlauch entstanden. Danach wird der Schlauch - wie früher die Kissen auf der Couch - per Schlag geknickt: fertig ist der Zweikammer-Beutel. Jetzt fehlt nur noch das Etikett, das der Automat wie eine Nähmaschine am Beutel befestigt. Zwei Knoten - einer am Etikett, einer am Beutel - und heraus kommt der perfekt portionierte Teegenuss. Mit 19 anderen landet der sogenannte "Nacktbeutel" entweder unverpackt in der handelsüblichen Pappschachtel. Oder er wird noch einmal in Papier geschlagen - auf dem die Aufgussanleitung Platz findet.

Damit die täglich produzierten 18 Millionen Beutel nicht den Betrieb aufhalten, ist nebenan eines der größten Teelager Norddeutschlands angesiedelt. Per Strichcode finden die einzelnen Produkte ihren Weg in das riesige Lager. Die Ostfriesische Teegesellschaft (OTG), ebenfalls eine Tochter der LSH, stapelt auf 5500 Quadratmetern bis zu 24 000 Paletten in 12 bis 14 Meter in die Höhe. Ganze Bergmassive aus Tee recken sich in den riesigen Hallen empor. Sie warten darauf, auf Sattelzüge verladen und in die ganze Republik (und darüber hinaus) verteilt zu werden.

Gemischt wird Tee im Buchholzer Ortsteil Meilsen übrigens auch noch: Der Klassiker der Produktpalette, der Schwarztee, erfährt dort seine Veredelung. "Denn die Kunst", so Werksleiter Matthias May, "besteht darin, die Mischung immer ausgewogen und qualitativ hochwertig hinzubekommen." Damit diese Qualität gewährleistet ist, wird mehrstufig kontrolliert. Neben Stichproben lassen sich drei hauseigene Teetester den frischen Aufguss auf dem Gaumen zergehen. Nur ihr strenges Urteil entscheidet über die Güte.

Und so rattert täglich die Teebeutelnadel, genießen die Geschmackstester, die eine mehrjährige Ausbildung haben, den Buchholzer Tee als erste. In einem relativ krisensicheren Gewerbe. Denn Genussmittel wie Tee, so Werksleiter May, gehen immer - auch in Krisenzeiten.