25 Jugendliche mit Behinderung ziehen jetzt in die Spethmann-Häuser ein.

Neu Wulmstorf. Es hat sich gelohnt, den langen steinigen Weg zu gehen. Rund zehn Jahre nach seiner Gründung, feierte die Integrative Lebens- und Arbeitsgemeinschaft Neu Wulmstorf, LeA, jetzt mit Sponsoren, Helfern, Mitstreitern und Unterstützern die große Einweihungsparty der Spethmann-Häuser in Neu Wulmstorf. In den nächsten Tagen werden hier 25 Jugendliche und junge Erwachsene mit Behinderung ihre eigenen Zimmer beziehen und damit einen wichtigen Schritt in ihrem Leben machen. Wie ihre nicht behinderten Altersgenossen haben auch diese Jugendlichen das Bedürfnis nach Unabhängigkeit. "Ich wünsche uns Eltern, dass wir jetzt auch die Kraft haben, unsere Kinder loszulassen", sagte Martina Bornfleth vor rund 250 Gästen.

Als Mutter einer geistig schwer behinderten Tochter gehört Martina Bornfleth zu der Gruppe Eltern, die den Verein LeA initiierten und viele Jahre dafür gekämpft haben, um ihren Kindern ein neues Zuhause in Neu Wulmstorf zu schaffen, damit die dort mit Gleichaltrigen zusammen leben und lernen können, und damit ihnen ein Aufenthalt in einem Heim für Behinderte, bis heute die einzige Alternative zum Elternhaus, zu ersparen (das Abendblatt berichtete mehrfach). "Dieses Haus soll ein Ort der Begegnung für nicht behinderte und behinderte Menschen sein, und natürlich wird der Verein LeA als Förderverein weiterhin diese Einrichtung unterstützten", so Bornfleth. Die Hollenstedterin und ihre Mitstreiter begrüßten neben vielen anderen Sponsoren auch die neue niedersächsische Ministerin für Soziales, Aygül Özkan (CDU), die mit 45 Minuten Verspätung doch noch den Weg von Berlin nach Neu Wulmstorf geschafft hatte.

Özkan lobt dieses "beispiellose Engagement" der Eltern, der Gemeinde Neu Wulmstorf der Politik, der Spethmann-Stiftung und des gesamten Landkreises Harburg, "hier ein solches Vorzeigeobjekt trotz leerer Kassen auf die Beine" gestellt zu haben. Aygül Özkan: "Junge Menschen mit Behinderung müssen diese Chance, die ihnen hier geboten wird, nämlich die Möglichkeiten ein eigenes Leben führen zu können, ergreifen. Jetzt beginnt wirklich eine spannende Zeit für die 25 Jugendlichen. Sie werden hier eine ganz neue Seite ihres Lebens kennen lernen. Gemeinsame Wohnformen sind in Mode gekommen, auch für Menschen mit Behinderung. Solche Projekte können wir, als Land Niedersachsen nur unterstützten." Niedersachsen hat das rund drei Millionen Euro teure Wohnprojekt mit zwei Millionen Euro mitfinanziert.

Ein kreisweites Netzwerk um den Elternverein LeA hat sich im Laufe der Zeit gebildet. Unterstützung erfuhren die Eltern von der Kreisverwaltung, von Politikern, von unzähligen Firmen im Landkreis und nicht zuletzt von der Stiftung, ohne die das Projekt vielleicht nie hätte umgesetzt werden können. Stiftungsgründer Laurens Spethmann hatte sich von Anfang an für die Ziele von Lea eingesetzt. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Marianne Spethmann war auch der ehemalige Unternehmer zur Einweihungsfeier angereist. "Eines möchte ich hier heute aber doch mal loswerden. Die Rolle der Stiftung und mein persönlicher Einsatz für diese Einrichtung wurden immer zu hoch eingestuft. Ich habe immer versucht, zu verhindern, dass die Häuser meinen Namen bekommen. Hut ab vor den Eltern, die da vor 18 Jahren den Entschluss gefasst haben, diese Häuser zu bauen. Als diese Entscheidung fiel, gab es die Spethmann-Stiftung überhaupt noch nicht", sagte Spethmann. Er freue sich auf die weitere Zusammenarbeit mit der neuen Sozialministerin in Hannover, wenn es um die weitere Unterstützung des Wohnprojektes gehe. Große Unterstützung erfuhren die Eltern von LeA auch vom ehemaligen Neu Wulmstorfer Bürgermeister Günter Schadwinkel, der als Statiker ehrenamtlich die Bauaufsicht für die Spethmann-Häuser übernommen hatte.

Sein Nachfolger Wolf Rosenzweig (SPD) im Neu Wulmstorfer Rathaus begrüßte die Neu-Neu Wulmstorfer. "Ich freue mich mit den zukünftigen Bewohnern gemeinsam auf ihr neues Zuhause und heiße sie hier in der Gemeinde herzlich willkommen. Aus einer Vision ist tatsächlich Wirklichkeit geworden." Im Namen der Airbus-Mitarbeiter in Finkenwerder überreichte Bernd Beiersdorf von Airbus einen Scheck über 10 000 Euro als Spende der Mitarbeiter.

In den Spethmann-Häusern können die Jugendlichen sich ihre eigenen Wohnbereiche selbst gestalten. Sie werden von Erziehern betreut, motiviert und unterstützt und können ein Höchstmaß an Selbstständigkeit ausleben. Die jungen Menschen gestalten ihr Leben hier nach ihrem eigenen Geschmack, bekommen aber alle Unterstützung dabei, um das Handicap, dass ihre geistige oder körperliche Behinderung mit sich bringt, zu überwinden. Viele von ihnen besuchten noch die Schule am Börns Soll in Buchholz, als ihre Eltern ihr Engagement aufnahmen. Und viele von ihnen arbeiten heute in den Behinderten-Werkstätten der Lebenshilfe im Landkreis Harburg. Es gab und gibt weder genügend Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung noch ist das Angebot an Wohnplätzen ausreichend. Vor diesem Hintergrund hatten sich die Eltern entschlossen, dieses Wohnprojekt in Eigeninitiative auf die Beine zu stellen - erfolgreich.