Die Träger von Harburger Pflegeeinrichtungen versuchen mit innovativen Ideen, den gestiegenen Ansprüchen von Senioren gerecht zu werden.

Harburg. "Neue Wohnformen" heißen innovative Konzepte für Pflegeeinrichtungen und Altenheime. Aufgrund sich verändernder Ansprüche an Einrichtungen und einer wachsender Anzahl Bewohner mit speziellen Bedürfnissen müssen Träger der Anlagen zunehmend besondere Angebote bereithalten, um patientengerechte Pflege gewährleisten zu können.

Im Altenheim Marie-Kroos-Stift am Ehestorfer Weg 148 soll sich deshalb viel bewegen. Das Heim bekommt neue Leitungen für Strom, Wasser und Gas, gestaltet Räume um, reißt bald den ältesten Teil des Gebäudes ab und baut an jener Stelle bis Mitte 2013 drei neue Wohngruppen für Schlaganfallpatienten und Demenzkranke.

+++ 2030 ist jeder dritte Hamburger älter als 60 Jahre +++

Die Wohngruppen für jeweils elf Bewohner bestehen aus einem großen Gemeinschaftsraum, um den Apartments angeordnet sind. In den Apartments werden die Bewohner gepflegt und gewaschen. Jedes Mal, wenn sie ihren Raum verlassen, zum Essen oder um an Aktivitäten teilzunehmen, begegnen sie anderen Bewohnern der Wohngruppe.

"Selbst wenn ein Patient bettlägerig ist, kann er mit dem Bett in den Gemeinschaftsraum geschoben werden, hört das Lachen der Menschen, hört das Zwitschern der Vögel, riecht das Essen", sagt Heiko Hagendorf, Qualitätsbeauftragter und Konzeptbetreuer am Marie-Kroos-Stift.

"Unser Heim ist eines der ältesten in Harburg und war nie barrierefrei", fügt Regina Lohmann, Leiterin des Marie-Kroos-Stifts, hinzu. "Um zukunftsfähig zu bleiben, mussten wir umbauen. Statt herkömmlich - langer Flur, Zimmer rechts und links - bauen wir nun so, dass wir flexibler auf die Wünsche der Bewohner eingehen können."

Das Besondere an dem über 50 Jahre alten Heim: Es verstand sich bis jetzt ausschließlich als Altenheim. Viele Wohneinrichtungen für ältere Menschen sind seit Einführung der Pflegeversicherung 1995 zugleich Pflegeheime. Doch der Bedarf an Wohnangeboten für Pflegebedürftige, beispielsweise jüngere Schlaganfallpatienten, wächst stetig. Außerdem tritt das Problem der Demenz, begründet durch steigende Lebenserwartung, immer weiter in den Vordergrund.

Solche Patienten haben besondere Ansprüche. "Demenzkranke kann man in keiner Einrichtung mit typischer Heimatmosphäre betreuen. Sie müssen in der Pflegewohnung Parallelen zu ihrem alten Zuhause finden", sagt Stefan Papst, stellvertretender Abteilungsleiter des Arbeiter-Samariter-Bunds (ASB) in Harburg.

Der ASB baut derzeit, in Zusammenarbeit mit dem Eisenbahn-Bauverein, eine ambulante Wohn-Pflege-Gemeinschaft am Reeseberg 104. Die Gemeinschaft soll nach dem geplanten Richtfest am 17. Juli 2013 im untersten Stockwerk des Neubaus einziehen und dort Platz für sieben Demenzkranke bieten.

Das Wohn-Pflege-Projekt am Reeseberg ist nur eines von 25 in ganz Hamburg. "Der Sprung über die Elbe hat etwas gedauert. Im Süden Hamburgs ist Wohnraum schwer zu bekommen und darüber hinaus teuer", sagt Ulrike Petersen von der Koordinationsstelle "Stattbau Hamburg". Die neu entstehenden Wohngruppen im Marie-Kroos-Stift und am Reeseberg seien aber gute Beispiele dafür, dass sich auch in der Harburger Pflegelandschaft etwas tut.

"Die Harburger Pflegelandschaft ist ein merkwürdiges Pflaster", sagt Regina Lohmann. "Jeder Stadtteil Harburgs gleicht einem Dorf und jedes Dorf hat ein Pflegeheim, das zu seiner Seele passt." Das sei gewöhnungsbedürftig für Betreiber, biete aber die Chance auf persönlichere Pflege.

Drei bis vier mal pro Jahr trifft sich die Harburger Pflegekonferenz (HPK). Sie besteht aus Vertretern der Pflegeheime, Seniorenverbände, Heimbeiräte, Behörden und Kommunalpolitik. Die Mitglieder der Konferenz informieren während der Sitzungen über Entwicklungen in der Pflege und versuchen, durch bessere Vernetzung höhere Pflegestandards zu etablieren. Unter anderem gibt die HPK seit rund zehn Jahren ein kostenloses Nachschlagewerk zu allen Senioren- und Pflegeheimen im Bezirk Harburg heraus. Pro Heim ist eine Seite vorgesehen - Daten und Fakten sind für jedes der neun Heime in der selben Weise aufgeschlüsselt, um Transparenz und Vergleichbarkeit zu gewährleisten.

"Die Broschüre ist einmalig in Hamburg und zeigt, dass wir Heimbetreiber südlich der Elbe nicht nur Konkurrenten, sondern auch Partner sind", sagt Frank Esselmann, Leiter der Seniorenresidenz Neugraben.

Esselmanns Seniorenresidenz plant derzeit keinen Um- oder Neubau, um neue Wohnformen anzubieten. Das liegt auch an dem Konzept des Heims. Es möchte den Bewohnern nicht nur Pflege bieten, sondern vor allem "gehobene Angebote in den Bereichen Musik, Literatur, Kunst und Verpflegung", wie in der Broschüre der HPK zu lesen ist. Selbst eine eigene Galerie mit wechselnden Ausstellungen betreibt das Heim - eine Residenz eben. Auch das ist ein Konzept, welches sich von üblichen Pflegekonzepten abhebt.

Frank Esselmann arbeitet gern in seiner Branche, sieht sie aber oft falsch dargestellt. "Es ist schockierend, wenn man Bilder falsch gepflegter älterer Menschen sieht. Doch das sind Einzelfälle. Jeden Tag passiert in Heimen unglaublich Schönes."