Vor 50 Jahren haben die Zwillingsbrüder Rudi und Rolf die Zwillingsschwestern Sigrun und Heike auf der Elbinsel geheiratet.

Wilhelmsburg. Am 26. August 1961 war im Hamburger Abendblatt auf Seite 10 eine freudige Botschaft zu lesen: "Für vier junge Leute kam das Glück gleich zweimal". Am 29. August 2011 dürfen wir hier vermelden: "Es blieb 50 Jahre, und ein Ende ist noch lange nicht abzusehen."

Im Gasthaus Sohre, seit mehr als 100 Jahren mitten in Kirchdorf, sitzen wir den vier jungen Leuten von einst gegenüber. Am Kopf des Tisches Rudi, der Ältere der Möller-Zwillinge. Vor ihm, mit einem schelmisch freundlichem Lächeln, Ehefrau Sigrun, die ältere der Zwillings-Schwestern. Neben Rudi Möller, mit einem ansteckenden Strahlen im Blick , Bruder Rolf und an seiner rechten Seite Frau Heike. Im August vor einem halben Jahrhundert wurden die beiden Wilhelmsburger Zwillingspaare in der Katholischen Kirche in der Bonifatiusstraße getraut. Zu ihrer Goldenen Hochzeit haben sie Familie und Freunde um sich geschart.

"Es ist ein schönes Fest", bekennt Heike Möller. Und das hat Gewischt. Denn eigentlich war sie es, die gar nicht so groß hatte feiern wollen. Dabei war sie es aber auch, die einst das doppelte Liebesglück angestupst hatte.

"Das war bei einem der Gartenfeste", sagt die 72 Jahre alte Mutter und Großmutter, "da habe ich die beiden Brüder kennengelernt und mich gleich in den Rolf verguckt". Und, die Frage sei doch erlaubt, warum nicht in den Rudi? "Nein, den mit dem abben Zahn, den wollte ich nicht." Als die Vier jetzt lachen, scheinen die Jahrzehnte für einen Augenblick wie weggewischt. "Mein Bruder", erläutert Rudi, der 20 Minuten vor Rolf die Welt am Vogelhüttendeich erblickte, "der hatte mir mit seiner Fletsch einen Zahn weggeschossen. Da war damals noch die Lücke".

"Mich hat der fehlende Zahn nie gestört", bekennt mehr als 50 Jahre später Sigrun, die im Übrigen 15 Minuten älter als ihre Schwester ist. "Dabei waren sich die Schwestern als 17-, 18-Jährige viel ähnlicher als heute", sagt Rolf Möller, "wenn wir zu Stüben zum Tanz gingen, haben die nur einmal 50 Pfennig Eintritt bezahlt, weil sie ohnehin niemand auseinander halten konnte."

Da darf man aber doch jetzt, in dieser heiteren Goldenen-Hochzeitsrunde einmal die Frage stellen: "Hättet ihr euch nicht auch andersherum entscheiden können?". Das "Nein" kommt vierstimmig und wie auf Kommando und klingt mit Kopfschütteln und Lachen aus.

Rudi Möller lernte Schiffbauer Ende der 50er-Jahre, Rolf Maschinenschlosser. Beide arbeiteten bei "Wolkau", einer der Wilhelmsburger Schiffswerften, von denen es längst keine mehr gibt. Sigrun war ins Büro gegangen, Heike hatte Herrenschneider gelernt.

Es waren Rudi und Sigrun, die als Erste den Hochzeitstermin festlegten. Und der zweite Teil der Zwillingspaare? "Mein Mann, das muss ich hier einmal sagen, hat sein Leben lang auf seinen älteren Bruder gehört", sagt Großmutter Heike Möller (beide Paare haben je einen Sohn und eine Tochter und insgesamt fünf Enkel). "Wenn die heiraten, hat er damals gesagt, dann heiraten wir eben auch."

Nach der Hochzeit wohnten alle Vier die erste Zeit im Hause der Eltern der Mädchen in Kirchdorf. Für Heike und Rolf ist das, natürlich längst umgebaut, bis heute das Zuhause geblieben.

Es war ein Jahr nach der Hochzeit, und Rolf Möller, schon bei einer Mineralölfirma in Wilhelmsburg beschäftigt, hatte Nachtschicht. "Dann habe ich mir immer früh den Wecker gestellt und frischen Kaffee für ihn gekocht", erzählt Heike Möller. "Unten in der Küche haben ich Wasser glucksen gehört. Ich habe meinen Vater geweckt, weil ich dachte, wir hätten einen Wasserrohrbruch. Als der die Haustür öffnete, stürzte die Elbe in unser Haus".

Die große Flut, der Wegzug von Sigrun und Rudi aus beruflichen Gründen vor 38 Jahren nach Brunsbüttel, die großen Veränderungen in Wilhelmsburg mit dem Zuzug so vieler Fremder - was ist das Wichtigste beim gemeinsamen Rückblick auf ein halben Jahrhundert?

"Die Ängste um Job und Arbeit haben wir ja nie kennengelernt", sagt Rudi Möller. "Und als Rentner können ich und meine Frau uns leisten, mit unserem Wohnmobil durch ganz Europa zu kutschieren. Mit unserem Leben haben wir doch wirklich Glück gehabt". Heike und Rolf Möller wiederum haben schon zweimal ihren Sohn in Namibia besucht, der dort Ausbilder für die Bundeswehr ist.

Vom Saal im Gasthof Sohre klingen Walzermelodien herüber. "So", sagt Rudi Möller, steht als erster auf und reicht seiner Sigrun die Hand, "das ist ein Tanz für uns beide." Und lachend folgen Heike und Rolf auf die Tanzfläche.