Hart aber fair wollte Moderator Nino Ruschmeyer die Podiumsdiskussion mit den Winsener Bürgermeisterkandidaten beschließen.
Winsen. Hart aber fair wollte Moderator Nino Ruschmeyer (FDP) die Podiumsdiskussion mit den Winsener Bürgermeisterkandidaten beschließen. Die Winsener Liberalen hatte sie in den Marstall geladen, um sich ein Bild von ihnen zu machen. In bester Frank-Plasberg-Manier fragte Ruschmeyer die vier Herren, welchen ihrer Konkurrenten sie im Falle des eigenen Wahlsieges zum Ersten Stadtrat ernennen würden - wenn sie denn müssten. Im Publikum, etwa 30 Bürger waren gekommen, sorgte die Frage für Lacher und Applaus. Bis dahin hatten alle Kandidaten recht sicher und selbstbewusst ihre Erfahrung in der Verwaltung, Überzeugungen und politischen Ziele dargelegt.
André Wiese (CDU) löste das Problem elegant. Er würde keinen der drei ernennen, da er sie entweder im Rat gut gebrauchen könnte oder für nicht geeignet halte. Dem schloss sich Oliver Berten (Freie Winsener) an. Dieter Bender (SPD) würde dagegen alles tun, um den derzeitigen Amtsinhaber zu halten. Allein Tobias Müller (Winsener Liste) sagte, er habe mit Bender und Wiese gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit gemacht. "Am liebsten wäre mir aber eine Frau auf dem Posten."
Schon zuvor war das Gespräch auf die Kooperationsbereitschaft der Kandidaten gekommen. "Ich brauche vor allem keine Schön-Wetter-Politiker", sagte Wiese, 36, zu seiner Wunschkonstellation im Rat. Berten plädierte für Realpolitik statt Idealismus, während Müller gute Argumente schätzt. "Wer überzeugt, mit dem arbeite ich gern zusammen."
Eine Bürgerin wollte wissen, inwiefern Bender und Wiese sich von ihrer Parteizugehörigkeit beeinflussen lassen würden. "Das Parteibuch ist nicht hinderlich, solange man offen auf Menschen zugeht", sagte Wiese. Bender, 57, betonte, er habe eine sozialdemokratische Grundeinstellung. "Wer mich wählt, wählt auch diesen Teil von mir."
198 Mitarbeiter habe die Winsener Stadtverwaltung, sagte Ruschmeyer und wollte wissen, welche Erfahrung die Kandidaten in der Mitarbeiterführung haben. Dieter Bender, studierter Physiker mit Schwerpunkt Atomphysik, früherer Unternehmensberater und seit 2003 Realschullehrer, sagte: "Zurzeit unterrichte ich etwa 210 Schüler - und das macht einen Riesenspaß." Auch André Wiese, studierter Verwaltungswirt, legte die Führung von Mitarbeiter weit aus: "Ich bin zurzeit für 80 000 Menschen im Landkreis verantwortlich", sagte der Landtagsabgeordnete. Oliver Berten, 58, früher Lokaljournalist und zuletzt Amtsleiter bei der Stadt Dortmund, gab an, dort etwa 60 Mitarbeiter unter sich gehabt zu haben. Und der gelernte Bankkaufmann Tobias Müller, 39, zurzeit Direktor bei der Deutschen Bank, sagte, er sei für etwa 30 Mitarbeiter an verschiedenen Standorten verantwortlich.
Wie die Kandidaten die finanziellen Spielräume der Stadt sähen, fragte der Moderator. Die Gewerbesteuer zu erhöhen, befürwortete keiner der vier. "Wir sollten eher die Kaufkraft stärken an diesem hervorragende Standort", sagte Müller und sprach sich für die Schaffung einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft aus. Wiese stimmte ihm ihn diesem Punkt zu. "Und wir sollten vorsichtig sein mit großen Ausgaben, die laufende Kosten nach sich ziehen. Besser ist es, in die Sanierung von Schulen, Vereins- und Feuerwehrgebäuden zu investieren." Auch Bender sieht noch Möglichkeiten für Investitionen. Er will außerdem die Elternbeiträge in Horten, Krippen und Kitas "auf Null" bringen. "Der Kindergarten muss frei sein."
Wie die zusätzlich benötigte Kinderbetreuung finanziert werden solle, darüber waren sich die Kandidaten uneinig. Berten sieht in dem Bereich "keine großen Spielräume", Bender forderte mehr Investition in Krippen, und Wiese mahnte, mehr Personal müsse "solide gegenfinanziert werden". Müller sprach sich für eine schrittweise Reduzierung der Elternbeiträge aus - bis zum beitragsfreien zweiten Kindergartenjahr. "Dann muss die Kita aber auch verpflichtend sein." Bei der Frage nach der Zukunft der Stadthalle sprachen sich drei Kandidaten für eine Alternative im Zentrum der Stadt aus.
André Wiese erinnerte dagegen an die vermutlich hohen Kosten für einen Neubau. Die Attraktivität Winsens habe in den vergangenen Jahren gelitten, merkte eine Besucherin an. Polizei, Volkshochschule oder IGS - viele Einrichtungen sind nun in anderen Städten, vor allem in Buchholz. "Wie wollen Sie ein weitere Abwandern aus der Kreisstadt verhindern", fragte sie die Bürgermeisterkandidaten. Freie-Winsener-Vertreter Berten wischte das Thema vom Tisch: "Das halte ich für eine rein akademische Diskussion."
Bender vermisst dagegen das nötige Selbstverständnis, das Winsen als Kreisstadt brauche. "Ich will weiteren Bedeutungsverlust verhindern", sagte der Sozialdemokrat. Sein Konkurrent von der Winsener Liste forderte, die Stadt müsse Eigeninitiative zeigen, um attraktiver zu werden. Müller: "Langfristig haben wir nur Erfolg, wenn die Menschen aus Überzeugung am Ort bleiben."
Das sah Wiese ähnlich, der Christdemokrat will auf Kontakte ins Kreishaus, gute Argumente und eigene Ideen setzen. "Nur das bringt uns voran." Und das überzeugte am Ende des Abends auch die Winsener Liberalen: Sie empfehlen ihren Anhängern, bei der Bürgermeisterwahl im September ihre Stimme André Wiese zu geben.