Ein Musikzentrum von “Süd-Kultur“ könnte an die Nöldekestraße kommen.

Harburg. Leerstand weckt Begehrlichkeiten: Diese Erfahrung macht gerade das Harburger Bezirksamt mit der alten Polizeiwache an der Nöldekestraße, das sich im Verwaltungsbestand befindet. Den Amts-Mitarbeitern flatterte vor einigen Tagen eine ungewöhnliche Anfrage der Sozialbehörde auf den Schreibtisch. Inhalt: In der Hansestadt soll die Anzahl von Wohnraum für Obdachlose und Flüchtlinge aufgestockt werden, ob es da nicht auch Möglichkeiten in Harburg gebe?

Mit konkreten Zahlen werde noch nicht gearbeitet, allerdings existiert im Rahmen eines Planspiels nach Informationen der Rundschau der Vorschlag, dass die Plätze von derzeit 435 auf etwa 900 erhöht werden sollen. Damit wäre Harburg unter den Bezirks-Spitzenreitern. Und es gab auch schon einen konkreten Vorschlag, wo die Betroffenen in Harburg wohnen könnten: Die alte Polizeiwache an der Nöldekestraße sei doch frei, hieß es. "Ja, es wurden konkrete Vorschläge von der Behörde gemacht", sagt Bezirksamtsleiter Torsten Meinberg. Und zunächst hatte man dem Plan zugestimmt. "Das ist theoretisch möglich", so der Verwaltungschef. Da sind Harburgs Politiker allerdings anderer Meinung.

"Da verbietet sich jede Debatte", sagt Jürgen Heimath, Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Bezirksversammlung aufgebracht. An der Nöldekestraße 17 befand sich zu Zeiten des Dritten Reichs das ehemalige Hauptquartier der Gestapo. Hitlers Verwaltungsapparat hatte verfügt, dort am 16. Mai 1940 einen Sammelpunkt für Sinti und Roma einzurichten, um diese dann in Konzentrationslager zu deportieren. "Jetzt an dieser Stelle ein Flüchtlingslager einrichten zu wollen, ist geschmacklos", so Heimath.

Auch die CDU winkt ab. "Abgesehen von dem moralischen Missgriff der Ämter geht es hier auch darum, auf soziale Durchmischung zu achten", sagt CDU-Kreisvorsitzender Ralf Dieter Fischer. In der Nähe befinden sich Brennpunkt-Ortsteile wie Phoenix-Viertel und Anzengruberstraße mit vielen Bewohnern, die in prekären Verhältnissen leben. "Da schafft man sich weiteren sozialen Sprengstoff mit einen Flüchtlingslager", sagt Fischer.

Nicht nur die Politik ist sauer, auch Harburgs Kulturvertreter reagieren entsetzt. Wie berichtet, haben Mitglieder von"Süd-Kultur" den Vorschlag gemacht, im 2500 Quadratmeter großen Gebäude der alten Polizeiwache Proberäume und Tonstudios einzurichten. "Dass die Verwaltung nun erst gar nicht darauf eingegangen ist, zeigt, dass Kultur nicht ernst genommen wird", sagt Süd-Kultur"-Sprecher Heiko Langanke. Er hat mit Verwaltungsmitarbeitern die alte Wache besichtigt und weiß: "Wohnnutzung ist dort nicht vorgesehen, denn die benachbarte Stadtautobahn sorgt für unerträglichen Lärm. Sind Flüchtlinge also Menschen zweiter Klasse, dass sie diese Belästigung ertragen sollen?" Außerdem befürchtet er, dass sich "Süd-Kultur" die ganze Arbeit mit dem Musikzentrum "für nix gemacht hat." Eine Anfrage des Abendblatts bestätigt seine Befürchtung. "Ich halte davon nichts, leer stehende Gebäude der Stadt mit Kultur aufzufüllen. Da gibt es bestimmt sinnvollere Ding", sagt Meinberg. Was genau das sein könnte, bleibt vage. "Da habe ich mir noch keine Gedanken gemacht."

Zumindest sind die Flüchtlingslagerpläne vom Tisch. "Da es politischen Widerstand dagegen gibt, würde ich den Lager-Plänen nicht zustimmen", so Meinberg. Auch bei der Sozialbehörde wird plötzlich zurückgerudert. "Es gibt keine konkreten Vorstellungen darüber, wie viele Flüchtlinge in welchen Bezirken untergebracht werden", sagt Sprecherin Julia Seifert. Es werde an einem Gesamtkonzept gearbeitet.

Es gibt also noch Chancen für "Süd-Kultur". Einen Unterstützer haben die Künstler schon. "Ein Musikzentrum würde den Innenstadtbereich aufwerten und gut zu der Falckenberg-Ausstellung in den Phoenix-Hallen passen", sagt Ralf Dieter Fischer.