Staatsanwältin fordert zwölf Jahre Haft für Orhan Y., sein Verteidiger plädiert auf Freispruch

Stade. Es ist einer der letzten Verhandlungstage im Prozess gegen den Buchholzer Orhan Y., der sich wegen Totschlags an seinem Mitbewohner Ahmet K. vor dem Stader Landgericht verantworten muss. Wie berichtet, soll Y. seinen Freund K. in dessen gemeinsamer Buchholzer Wohnung erschlagen haben. Außerdem wirft man ihm vor, sein Opfer zerstückelt, in Müllsäcke verpackt und die Plastikbeutel an den Bahnhöfen in Buchholz und Harburg abgelegt zu haben. Von Anfang an schwieg Y. zu den Tatvorwürfen. Sein Anwalt, Strafverteidiger Philipp Napp, verlas nun eine Erklärung, nach der Y. von anderen Tätern, die Ahmet K. zuvor getötet haben sollen, gezwungen worden sei, die Plastiksäcke mit dem blutigen Horror-Inhalt zu verteilen.

"Absurde Geschichte", sagte Staatsanwältin Schäfer und forderte zwölf Jahre Gefängnis für den Buchholzer.

Anwalt Napp hält dagegen. "Freispruch", heißt es in seinem Plädoyer. Und Napp begründet dies damit, dass die Indizienkette, die sich um Y. geschlossen hat, Lücken aufweist. "Der Angeklagte hatte kein Motiv, K. zu töten", so Napp. K. und Y. hätten sich immer mal wieder gestritten, das allein rechtfertige aber nicht die Annahme, dass er ihn kurzerhand kaltblütig umgebracht habe. "Die Tat passt nicht zur Persönlichkeit des Angeklagten, der von Bekannten und Arbeitskollegen, selbst von der Mutter des Nebenklägers, des Sohnes von Ahmet K., als ruhig beschrieben wird." Dann geht der Verteidiger in die Offensive, will, dass das Gericht wieder in die Beweiserhebung einsteigt. Er stellt acht Anträge. So bat er unter anderem um eine erneute Analyse der Blutspuren, die im Schlafzimmer der gemeinsamen Wohnung gefunden wurden. "Dieses Gutachten eines renommierten Schweizer Sachverständigen sowie eine digitale Tatrekonstruktion wird ergeben, dass der von den Gerichtsmedizinern vermutete Tathergang - Tod durch schwere Schädelverletzungen - nicht mit dem im Schlafzimmer vorgefundenen Bild übereinstimmt", so Napp. Weiterhin forderte er, die Geodaten der Mobiltelefone von K. und Y. im vermuteten Tatzeitraum zu erheben. "Die Ermittlungen werden ergeben, dass sich K. und mein Mandant am Morgen des 21. Mai 2010, dem Tag, an dem K. zu Tode gekommen sein soll, nicht in ihrer Wohnung aufhielten." Und nicht nur das. Die Geodaten würden beweisen, dass K. am 21. Mai 2010 noch lebte. "Sonst hätte er den Anruf von Orhan Y. nicht entgegennehmen können - was sich aber aus den Protokollen der Handys ergibt."

Außerdem beantragte Napp, die Beziehungen des Opfers zu verschiedenen Frauen in der Türkei etwas genauer zu beleuchten. K. hatte, wie ebenjene Handyprotokolle und Zeugenaussagen bewiesen, mehreren Frauen in der Türkei die Ehe versprochen, ohne dies einhalten zu wollen - was in diesem Kulturkreis einer groben Ehrverletzung gleichkommt und schon mal Gewalttaten provoziere.

Staatsanwältin Schäfer musste zu den Anträgen Stellung nehmen. Nach einer kurzen Bedenkzeit lehnte sie die Forderungen ab. "Provider können Geodaten von Handys nur 150 Tage speichern. Es ist also zu spät." Die Verhandlung wird fortgesetzt.