Rechtsmediziner schildert vorm Stader Landgericht, wie die Leiche von Ahmet K. zerstückelt wurde

Stade. Klaus Püschel, Leiter des Instituts für Rechtsmedizin in Hamburg und sein Kollege Axel Gehl haben nicht nur Akten in ihren schweren Taschen in den großen Saal des Stader Landgerichts geschleppt. "Ich habe hier ein paar Knochen mitgebracht, um ihnen die Arbeitsweise des Täters zu erläutern", sagt Püschel zu Richter Behrend Appelkamp, dessen Gesichtszüge kurz entgleisen, als Püschel mit den konservierten Überresten von Ahmet K. an seinen Tisch kommt.

Appelkamp führt den Vorsitz in dem Prozess gegen den Angeklagten Orhan Y. aus Buchholz, der im Mai vergangenen Jahres, wie berichtet, seinen Mitbewohner Ahmet K. in dessen gemeinsamer Wohnung erschlagen, die Leiche sodann zerteilt und in Müllsäcken verpackt in der Nähe des Harburger Bahnhofes und in einem Buchholzer Waldstück abgelegt haben soll. Y. verweigert jede Aussage, ließ über seinen Anwalt erklären, er habe einen Mann und eine Frau in der gemeinsamen Wohnung angetroffen. Das Opfer sei schon tot gewesen, und er sei dazu gezwungen worden, die Leichenteile abzutransportieren.

Zeitgleich als der grauenvollen Fund in Harburg gemacht wurde, lag Y. mit Stichwunden am Hals blutüberströmt in einem Gebüsch am Harburger Bahnhof. Auch dazu schweigt er sich aus.

Gehl und Püschel waren nun damit befasst, die Leichenteile zu obduzieren und Spuren in der Wohnung der beiden zu finden. Gehl hatte außerdem den damals schwer verletzten Y. im Krankenhaus untersucht. "Anhand der Knochenabschnitte hier kann man erkennen, dass die Leiche nicht sehr professionell zerteilt worden ist", so Püschel. So lassen sich mehrfach Ansatzspuren von einer feinen Säge Laub- oder Eisensäge finden. Der Torso, von dem die Gliedmaßen abgesägt und teilweise auch mit einem scharfen Messer abgeschnitten wurden, sei in einen Bademantel gewickelt "und wie eine Roulade mit Paketband verschnürt worden", sagt der Gerichtsmediziner. Die Arme wurden am Schultergelenk abgetrennt und der Kopf an der Halswirbelsäule abgesägt. "Am Kopf kann man sehen, dass das Opfer mit einem wuchtigen Gegenstand, etwa einem Baseballschläger oder aber auch mit gezielten Tritten misshandelt worden ist. Die Schläge oder Tritte sollen laut Püschel mit einer derartigen Gewalt geführt worden sein, dass K. keine Chance hatte. Er starb an einem schweren Schädel-Hirn-Trauma.

Was Püschel danach erläuterte, mutet wie aus einem Hannibal-Lecter-Film an. "Wir haben festgestellt, dass die Haut am Rücken und an der Gesäßfalte sowie am Brustbereich abgelöst wurde." Weshalb der Täter das tat und wo sich die nach wie vor fehlenden Schulterblätter und Schlüsselbeine der Leiche befinden, bleibt nach wie vor im Dunklen. Der Angeklagte zeigte keine Reaktion auf die grauenvollen Details, die von den Gerichtsmedizinern geschildert wurden.

Nach wie vor ist nicht sicher, wann K. umgebracht wurde. "Die Leichenteile waren schon verwest und mit Maden befallen. In dem Müllsack, der in Harburg gefunden wurde, haben wir blaue Schmeißfliegen entdeckt", sagt Püschel. Anhand von Temperaturauswertungen können die Gerichtsmediziner immerhin feststellen, wann die "Fliegen den Leichnam besiedelt haben. Wenn wir 14 Grad Celsius annehmen, war es der 24. Mai, bei 22 Grad Außentemperatur kommt der 31. Mai infrage. Beide Tage könnten für die Tat also infrage kommen."

Ob sich die schreckliche Bluttat in der Buchholzer Wohnung von Y. und K. zutrug, kann ebenfalls nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden. "Wir haben die Räumlichkeiten mit Luminol, einem Wirkstoff, der Blutspuren sichtbar macht, untersucht", so Gehl. In der Tat gibt es in Schlaf- und Badezimmer Spuren. Allerdings: "Das könnten ebenso Rückstände von Reinigungsmitteln sein. Denn Luminol reagiert auch auf Chlor."

Eines ist jedoch sicher: "Orhan Y. hatte sich seine Verletzungen selbst beigebracht", sagt Gehl. Sechsmal stach er sich mit einem Messer in den Hals. Die nicht so tief gehenden Verletzungen "weisen darauf hin, dass er erst einmal ausprobieren wollte, ob das denn weh tut."

Der Prozess wird fortgesetzt.