Der Bauwagenplatz in Wilhelmsburg ist von einer Zwangsräumung bedroht. Die alternative Wohnform stört die IBA-Planung

Wilhelmsburg. Niedrigenergie-Häuser in direkter Nachbarschaft zu heruntergekommenen Gagfah-Mietskasernen, schicke Grünflächen, die für die internationale Gartenausstellung angelegt werden neben Laubenpieper-Kolonien: In Wilhelmsburg ist Wohnen wenige Jahre vor Eröffnung der internationalen Bauausstellung (IBA) ein wichtiges Thema. Allerdings gehört die Bauwagen-Siedlung "Zomia" mit neun Wagen und 15 Bewohnern, die sich samt Trecker und Klohäuschen am Ernst-August-Kanal angesiedelt haben, offenbar nicht zu den akzeptierten Wohnformen. Immer wieder sollte der Platz geräumt werden, immer wieder sollten sich die Bauwagenleute eine neue Heimat suchen. "Am Anfang wollte man uns sogar für ein IBA-Projekt gewinnen. Davon ist jetzt keine Rede mehr", sagt Simon, der auf der Treppe an seinem Wagen hockt. "Eile tötet" steht in großen Lettern an seinem Gefährt, das er selbst ausgebaut hat. Mit Fenstern, Bodendielen, kleiner Küche, Kaminofen und Außen-Solaranlage. Auf einem Tisch steht sein Laptop. Den braucht der Wirtschaftsingenieur und Teilzeitstudent für seinen Job bei einer Beratungsfirma. Es gibt ein kleines Radio, einen Fernseher hat Simon nicht.

Er schaut zum Nachbarwagen, dort sitzen ein paar seiner Freunde und diskutieren mit Vertretern des Wilhelmsburger Stadtteilbeirates. Es geht um die Zukunft des Bauwagenplatzes. Die Besetzer sollen laut amtlicher Räumungsverfügung gegen Ende April weichen. Dann läuft die Duldungsfrist ab. Wenn Simon und seine Freunde sich an die Vorgaben nicht halten, droht ihnen die Einziehung ihrer Wagen.

Simon will nicht weg. "Ich habe mich ganz bewusst für dieses Leben entschieden, kann es mir nicht vorstellen, in einer Mietwohnung zu wohnen", sagt er. Er brauche die Freiheit und die Nähe zur Natur, die Chance, irgendwann wieder weiterziehen zu können, "wenn ich es so will". Genauso geht es seinen Mitbewohnern, die in umgebauten Lkw und in ehemaligen Zirkuswagen wohnen. Sie wollen ein Teil des Quartiers sein, bieten Klönrunden mit den Nachbarn, gemeinsame Feste und Solartechnik-Workshops an. "Wir haben auch Bezirksamtsleiter Markus Schreiber eingeladen, mal zu uns auf den Platz zu kommen, um uns kennen zu lernen", sagt Simon. Doch Schreiber will mit den Bauwagenleuten wenig zu tun haben. "Ich akzeptiere diese Wohnform nicht", soll er geäußert haben. Besucht hat er die Dauercamper nie.

Der Bezirksamtschef stützt sich auf ein Paragrafenwerk aus dem Jahr 1958. Das so genannte Wohnwagengesetz, das 1999 ergänzt wurde, besagt, dass das dauerhafte Wohnen in Fahrzeugen - und dazu zählen die Wagen mit ihren Zugmaschinen - verboten ist. Dennoch sollen übergangsweise Wohnwagenplätze eingerichtet werden, um den Bewohnern eine Übergangslösung während der Suche nach einer festen Bleibe zu bieten.

Bis zu fünf Jahre ist das Wohnen auf speziellen Wohnwagenplätzen möglich. Die Bewohner müssen in dieser Zeit selbst für sanitäre Mindeststandards sorgen und die Zustimmung der Nachbarn einholen. Die Zomianer haben sich daran gehalten. Es gibt ein Kompostklo und "wir haben keinen Stress mit den Nachbarn". Dass einige Sympathisanten Bezirksamtsleiter Schreiber im Internet bedroht haben sollen und er nun unter Polizeischutz steht, bedauert Simon. "Das wollen wir nicht, wir sind keine Krawallmacher." Man könne die Bauwagenszene nicht vereinheitlichen. "Die Leute, die in den Bauwagen in Eimsbüttel am Rondenbarg leben, haben ein ganz eigenes, punkiges Lebenskonzept. Die haben mit uns nicht viel gemein." So gehören unter anderem ein Zimmermann, eine Krankenschwester, eine Umweltwissenschaftlerin und ein Tischler zu den 15 Zomianern.

Die kleine Gemeinschaft leidet darunter, dass es vielleicht Ende April in Wilhelmsburg nicht mehr weiter geht. "Viele Parteien und Initiativen in Wilhelmsburg sind auf unserer Seite. Bald stehen wir auch auf der Tagesordnung der Bezirksversammlung". sagt Simon. Gegen Mittag tagt der Stadtteilbeirat immer noch im Nachbarwagen. "Vielleicht ist das ein gutes Zeichen."

Doch beim Bezirksamt muss wohl noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. "Die Brachfläche am Ernst-August-Kanal, auf dem die Bauwagenleute leben, ist kein offizieller Wohnwagenplatz", sagt Behördensprecherin Sorina Weilandt.