Verein Pfeil e.V. wünscht mehr Informationen und Unterstützung vom Jugendamt des Landkreises Harburg

Winsen. Maik* war drei, als das Jugendamt seiner Mutter das Sorgerecht entzog. Als seine Pflegeeltern ihn im Krankenhaus Buchholz abholten, war er über und über mit blauen Flecken übersäht. Schnitte zeichneten seine Arme und Beine. Monatelang hatte seine Familie den Jungen schwer misshandelt und gequält.

Etwa 171 Pflegekinder leben im Landkreis Harburg. Untergebracht sind sie in 119 Pflegefamilien. Um sich selbst eine öffentlich wirksame Plattform gegenüber Behörden und Politik zu geben, haben einige dieser Pflegeeltern im Sommer 2009 den Pflege- und Adoptivelternverein Pfeil e.V. gegründet. Mittlerweile sind hier 24 Familien organisiert.

Paare, die ein Pflegekind in ihrer Familie aufnehmen, übernehmen zumeist eine schwere Aufgabe: Nicht selten sind die Kinder schwer traumatisiert, zum Teil verhaltensgestört und lernbehindert. Eine Aufgabe, die der Familie viel Stärke und Stabilität abverlangt - und einer guten Betreuung durch das zuständige Jugendamt bedarf. Diese sehen Ulrike Hennenberg, Götz Gerke und Wolfgang Rühmann von Pfeil nicht gegeben.

"Im Landkreis Harburg kommt man zu seinem Pflegekind wie die Jungfrau zum Kinde", sagt Götz Gerke. So vermisse der Vater von drei leiblichen Kindern und zwei Pflegekindern eine grundlegende Aufklärung zu Beginn der Pflege. Viele Pflegeeltern fühlen sich nicht vorbereitet. Aus welchen Verhältnissen stammt das Kind, was bedeutet es zum Beispiel für seine Entwicklung, wenn die Mutter in der Schwangerschaft regelmäßig und viel Alkohol getrunken hat? Hennenberg: "Das Jugendamt hat die Informationen über die leiblichen Eltern und so auch die Pflicht, die potenziellen Pflegeeltern aufzuklären."

Und damit nicht genug - auch an einer fortlaufenden Betreuung und Unterstützung der Pflegeeltern mangle es. Das Jugendamt des Landkreises Harburg hat 1,5 Stellen für den Pflegekinderbereich eingerichtet. Zweimal im Jahr sollen die Mitarbeiter ein Hilfeplangespräch mit den Pflegeeltern führen. "Das sind bei 171 Kindern 228 Gespräche pro Mitarbeiter im Jahr. Das ist viel zu viel", so Götz Gerke. "Kein Wunder, dass in diesen Gesprächen nicht über konkrete Hilfe oder Unterstützung gesprochen wird."

Das Jugendamt habe Probleme, diesen großen Landkreis zu bearbeiten. Dass es in anderen Regionen wie Hamburg eine bessere Betreuung, zum Beispiel in Form von Fortbildungen oder finanzielle Hilfen gibt, wissen viele Pfeil-Mitglieder aus eigener Erfahrung. Hamburg vermittelt viele seiner Pflegekinder in die Landkreise Harburg, Lüneburg und Stade. In den ersten zwei Jahren bleibt jedoch das Jugendamt Hamburg für sie zuständig.

Wurde in dieser Zeit das Kind nicht wieder zu seinen leiblichen Eltern zurückgeführt, wechselt die Zuständigkeit in den Landkreis, in dem die Pflegeeltern wohnen. "Wir wünschen uns im Landkreis Harburg so gute Strukturen, wie wir sie aus Hamburg kennen."

Barbara Stiels, Leiterin der Abteilung Jugend- und Familie des Landkreis Harburg, kennt diese Forderungen. "Wir führen regelmäßig Stellenbemessungen durch", so die Kreis-Mitarbeiterin, "und wir haben ausreichend Mitarbeiter für diesen Bereich eingesetzt." Auch die Informationsweitergabe funktioniere. Fälle, in denen Pflegefamilien über die Herkunftsfamilien nicht aufgeklärt werden können, seien Einzelfälle. Ein weiterer Kritikpunkt von Pfeil: Das Besuchsrecht der Eltern greife in zahlreichen Fällen in das Leben der Pflegefamilien ein und traumatisiere viele der Kinder immer wieder aufs Neue. "Wir müssen der gesetzlichen Grundlage des Besuchsrecht nachkommen und gleichzeitig die Sicherheit des Kindes gewähren, ein Spagat der oft nicht einfach ist", gibt Barbara Stiels zu bedenken. "Wir müssen die Interessen aller wahren: Der Kinder, der Pflege- und der leiblichen Eltern."

Grundsätzlich sei die Behörde jedoch gesprächbereit. Stiels: "Aus Sicht der Pflegeltern sind die Forderungen alle verständlich, aber sie kosten Geld und bedürfen einer politischen Grundlage. Die Umsetzung braucht einfach Zeit." Einen Teilerfolg habe der Verein im vergangenen Jahr schon erzielt. Die Pflegeeltern können jetzt eine Haftpflichtversicherung abschließen, deren Kosten das Jugendamt trägt. Auch wollen sie in Zukunft selbst Fortbildungen organisieren. Ein Vortrag über FAS, das fetale Alkoholsyndrom, wurde bereits gehalten.

Aber auch die Mitglieder von Pfeil setzten auf Zusammenarbeit mit dem Landkreis. Ulrike Hennenberg: "Wir wollen eine aktive Betreuungssituation auf Augenhöhe mit dem Landkreis, um den Kindern gemeinsam eine gute Perspektive zu geben."

*Name von der Redaktion geändert