Werner Schaarmann zeigt im Helms-Museum Fotos und Dokumente von deutschen Gefangenenlagern im Ersten Weltkrieg in Japan

Harburg. Deutsche Kriegsgefangene, inhaftiert in Japan? Ja, das gab es. Während des Ersten Weltkrieges waren die späteren Verbündeten des Zweiten Weltkrieges, das Deutsche Reich und Japan, noch verfeindet. Etwa 4700 in China stationierte Soldaten aus Deutschland und Österreich-Ungarn gerieten 1914 in japanische Gefangenschaft. Die meisten von ihnen kamen erst 1920 frei. Dieser wenig bekannten Episode der deutsch-japanischen Geschichte widmet sich die nächste Sonderausstellung des Helms-Museums in Harburg.

Der Fotokünstler Werner Schaarmann, 61, aus Wilhelmsburg hat im Sommer 2009 die Überreste des früheren Kriegsgefangenenlagers Bando in Japan dokumentiert. Das Ergebnis der Spurensuche, Fotos von heute und vor 100 Jahren, Archivdokumente, Zeitzeugenberichte und Artefakte, zeigt das Helms-Museum in einer Schau ab Donnerstag, 25. November, bis zum 31. Januar 2011.

Mit dem Entgegenkommen der japanischen Lagerleitung gelang es den Kriegsgefangenen, ihrem Gefängnis den Charakter eines geschäftigen Stadtviertels zu geben: Sie gründeten Sportvereine und Orchester, eröffneten Restaurants, eine Bäckerei und eine Kegelbahn. Die Japaner nutzen die Fähigkeiten der deutschen Marinesoldaten, viele von ihnen waren Facharbeiter.

Die beiden fremdem Kulturen bemerkten eine gemeinsame Mentalität: "Die Japaner schätzten preußische Tugenden wie Ehrlichkeit und Pünktlichkeit", sagt Werner Schaarmann, "die haben sich gleich gut verstanden." Einige Deutsche ließen sich nach ihrer Entlassung in Japan nieder. Und noch eines förderte den Kulturaustausch: Das Gefangenenlager lag auf einer Insel. Von der, so Schaarmann, hätten die Soldaten praktisch nicht fliehen können. Überwachung sei eigentlich nicht nötig gewesen.

Vier Wochen lang hat Werner Schaarmann, ein Spezialist für Fotodokumentationen, im vergangenen Jahr in Bando nach Spuren der deutschen Kriegsgefangenen gesucht. Einheimische haben Erinnerungen an die nächsten Generationen weitergegeben. Mit Hilfe eines Dolmetschers, den das Kulturamt der benachbarten Stadt Naruto dem Hamburger zur Seite stellte, gelang es Scheermann, die Überlieferungen zu dokumentieren. Und auch wenn von dem Lager aus dem Ersten Weltkrieg nur noch die Grundmauern übrig sind: Knapp 100 Jahre später sind die Einflüsse deutscher Kultur in Bando, heute ein Ort mit 6000 Einwohnern, unverkennbar. Noch heute stellt dort eine Bäckerei Sauerteigbrot her - nach einem Rezept, das damals ein deutscher Kriegsgefangener und Bäcker seinem japanischen Lehrling weitergegeben hatte. "Sauerteigbrot", sagt Scheermann", ist für Japan schon ungewöhnlich." Bei seinen Recherchen stieß der Wilhelmsburger auch auf die Überreste einer Holzbrücke, die deutsche Kriegsgefangene errichtet hatten.

Auf diese kurze und kaum bekannte Episode deutscher Kriegsgefangener in Japan stieß Werner Schaarmann zum ersten Mal vor 20 Jahren. Der Maler, Bildhauer und Fotokünstler beschäftigt sich seit 25 Jahren mit dem Thema Preußen. Japan ist ihm schon länger bekannt: 1992 hatte er ein Stipendium in dem Kaiserreich. Etwa alle zwei Jahre reist er nach Japan, arbeitet dort mit dem Goethe-Institut zusammen.

Warum gerieten die Deutschen eigentlich in japanische Gefangenschaft? Wenige Monate nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges kämpften deutsche und japanische Truppen in der chinesischen Provinz Schantung um den deutschen Stützpunkt Tsingtao. Japan war damals mit Großbritannien verbündet. Nach der Kapitulation Tsingtaos am 7. November 1914 gerieten etwa 4700 Soldaten aus Deutschland und Österreich in Gefangenschaft. Zunächst gingen die Deutschen und auch die japanische Regierung davon aus, dass die Internierung nur kurz dauern würde. Notdürftig wurden die Gefangenen in Baracken, Tempelhäusern und Teehäusern untergebracht. Nach Kritik aus dem Ausland an den unwürdigen Zuständen errichteten die Japaner später sechs große Barackenlager in Bando, Aonogahara, Kurume, Nagoya, Narashino und Ninoshima - bewachte "Kolonien" hinter Stacheldraht, die Spuren hinterließen.

"Heimat Bando - Auf den Spuren deutscher Kriegsgefangener in Japan": Sonderausstellung im Helms-Museum in Harburg, Museumsplatz 2, ab 25. November 2010 bis 31. Januar 2011, dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr, Eintritt: sechs Euro. Vorträge: "Aus den Schilderungen des Seesoldaten Hermann Schäfer aus den Lagern Matsuyama und Bando" (2. Dezember); "Von Tschingtau bis Bando - wie Beethovens Neunte nach Japan kam" (16. Dezember); "Aus dritter Hand: In Japan gibt's keinen Schnee" (13. Januar), jeweils 18 Uhr im Helms-Museum, Museumsplatz 2, Eintritt: 2,50 Euro.