Archäologen des Helms-Museums wollen erneut bei Elstorf Ausgrabungen machen

Elstorf. Ein Pferdeschädel, dazu sorgfältig drapierte Knochen. Dieses von Menschenhand geschaffene Ensemble entdeckten Archäologen im Sommer 2007 bei einer Grabung in Elstorf. Das Seltsame daran: Pferdeopfer dieser Art kennt man nur von den Slawen oder Wikingern. Ein solches Ritual gehört eigentlich gar nicht auf einem Friedhof der christianisierten Sachsen. Denn die Grenze zwischen Sachsen und Slawen in der Zeit des 9. und 10. Jahrhunderts soll nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft undurchlässiger gewesen sein als der Eiserne Vorhang zwischen Nato und Warschauer Pakt im 20. Jahrhundert.

Slawen bei den Sachsen in Elstorf? Der Archäologe Jochen Brandt vom Helms-Museum, das Hamburger Museum für Archäologie, hält das für möglich. Es könne doch sein, so seine Arbeitshypothese, dass ein slawischer Händler ein Pferdeopfer zelebriert habe, das die Sachsen geduldet hätten. Das würde bedeuten: Unsere Urahnen und Slawen waren sich näher als bisher angenommen. Bereits entdeckte slawische Keramik unterstützt diese Theorie.

Eine erneute archäologische Ausgrabung in Elstorf könnte den Wissenschaftlern neue Hinweise auf das Pferdeopfer-Rätsel bringen. Ab dem kommenden Montag bis Ende Oktober forscht Jochen Brandt wieder in dem etwa 1200 Jahre alten sächsischen Gräberfeld.

Das kleine Team des Helms-Museum komplettieren der Grabungstechniker Willi Müller, die Studentin Franziska Grieß von der Universität Hamburg und zwei Helfer vom Landkreis Harburg: Arbeitslose, die schon Erfahrung bei archäologischen Ausgrabungen haben.

Seit Jahren legt die Archäologie im Landkreis Harburg ihren Schwerpunkt auf die 1985 entdeckte Siedlung in Elstorf und den dazugehörigen Friedhof aus dem 7. bis 9. Jahrhundert. Das Besondere an den Gräbern, die sich entlang des Daerstorfer Stadtweges erstrecken, ist: 1000 Jahre alte Gräber der Sachsen liegen hier zusammen mit 3000 Jahre alten Beerdigungsstätten aus der Steinzeit. Eigentlich war es den christianisierten Sachsen unter Androhung der Todesstrafe verboten, Gräber unmittelbar neben denen ihrer heidnischen Vorfahren zu schaffen.

Die Menschen vor 3000 Jahren in Elstorf zählten zu den ersten Ackerbauern. Ihre Großsteingräber, nach Ansicht von Jochen Brandt Massengräber für Clans, wurden im 18. und 19. Jahrhundert zerstört. Die Megalithen, die großen unbehauenen Steinblöcke, wurden zu Baumaterial zerschlagen. Wen der Steinzeitmensch in Elstorf angebetet hat, ist heute ein Geheimnis. "Es muss eine religiöse Strömung aus dem Mittelmeerraum gewesen sein", sagt Jochen Brandt. Wer die Großsteingräber geschaffen hat, habe für die Ewigkeit bauen wollen.

Fundstücke im Boden sind äußerst selten. Nitrate, also Dünger in dem ohnehin schlecht konservierenden Sandboden, und saurer Regen setzen den wenigen entdeckten Gürtelschnallen oder Messern arg zu. Die Körper der Toten sind verwest. Bis auf wenige Knochenfunde erinnern nur noch dunkle Verfärbungen im Erdreich an sie, die Leichenschatten.

Jochen Brandt sammelt jede Information, die die Gräber preisgeben - auch wenn sie heute rätselhaft scheinen. Vielleicht können Kollegen in 50 Jahren mit neuen Techniken ihre Botschaft entschlüsseln. "Wir Archäologen", sagt Jochen Brandt, "denken immer an die Zukunft."