Die Polizei verzeichnete im vorigen Jahr fünf Verkehrstote im Alter zwischen 18 und 24 Jahren. Häufigste Unfallursache: Alkohol und Drogen.

Buchholz. Für vier Jugendliche aus Winsen endete die Fahrt im VW Golf ihres 18 Jahre alten Freundes im vorigen Winter tragisch. Das Auto war auf der eisglatten Kreisstraße 87 zwischen Sangenstedt und Rottorf nach links in den Gegenverkehr geschlittert und mit einem Sattelzug zusammengestoßen. Zwei 15 und 17 Jahre alte Insassen erlagen noch vor Eintreffen der Rettungskräfte ihren schweren Verletzungen. Der Unfallfahrer und ein anderer 15-Jähriger kamen schwer verletzt ins Krankenhaus. Erst einige Tage später stand fest, dass der 18-Jährige am Steuer des Wagens zu dem Unfallzeitpunkt am frühen Sonntagmorgen keinen Alkohol im Blut hatte.

Mit diesem Befund repräsentiert die tödliche Kollision auf der K 87 gleich mehrere Phänomene, die in der gestern der Öffentlichkeit vorgestellten Unfallstatistik für den Landkreis Harburg auffällig hervorstechen. "Die 18- bis 24-Jährigen sind unsere Risikogruppe Nummer eins", sagt Dirk Poppinga, Verkehrssicherheitsberater der Polizeiinspektion Harburg. "Die jungen Menschen leben einen Teil ihrer Freizeit auf der Straße aus." Außerdem wollen sie mobil sein, am liebsten im eigenen möglichst PS-starken Auto. Bei Anschaffung und Ausstattung achten sie eher auf prestigeträchtige innere Werte wie Subwoofer als auf Sicherheitsaspekte wie Seitenaufprallschutz.

+++ Landstraßen sind das Problem +++

Gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung in Höhe von knapp sieben Prozent sind Fahranfänger bei den Unfällen mit Todesfolge überrepräsentiert: Fünf der insgesamt 14 Unfallopfer des vorigen Jahres im Landkreis Harburg waren zwischen 18 und 24 Jahre alt. Bei den 147 Schwer- und 943 Leichtverletzten liegt die Quote dieser Altersgruppe bei rund 18 beziehungsweise knapp 15 Prozent. Polizeikommissar Poppinga: "Statistisch gesehen haben 18- bis 24-Jährige im vorigen Jahr alle zehn Stunden einen Verkehrsunfall im Landkreis Harburg verursacht und sind alle 2,1 Tage bei einem Crash getötet oder verletzt worden."

Trunkenheit oder Drogeneinfluss seien alle 2,9 Tage die Ursache eines Unfalls gewesen, so der Verkehrssicherheitsberater weiter. Laut Poppinga ist die Zahl der unter Alkoholeinfluss verursachten Unfälle seit 2009 um rund zehn Prozent gesunken. Sogenannte Betäubungsmittel weise die Polizeistatistik jedoch in 15 Fällen als Hauptunfallursache aus. Am Drogenproblem auf den Straßen des Landkreises Harburg habe sich damit kaum etwas verändert.

Trotz der Abnahme bei den alkoholbedingten Verkehrsunfällen haben nach Ansicht von Polizeihauptkommissar Peter Kasper immer noch zu viele Fahrer nicht nur ihr Auto vollgetankt. Daher kündigt der Einsatzleiter der Polizeiinspektion Harburg eine Doppelstrategie an: "Wir wollen einerseits durch mehr unerwartete Kontrollen das gefühlte Entdeckungsrisiko spürbar erhöhen." Die jugendliche Risikogruppe soll andererseits schon vor dem Bestehen der Führerscheinprüfung durch Präventionsarbeit an den Schulen überzeugt werden. An die Vernunft der 14- bis 18-Jährigen appellieren die Beamten unter anderem mit der sogenannten Rauschbrille, die den eingeschränkten körperlichen Zustand unter starkem Alkoholeinfluss simuliert.

+++ Mehr Tote bei Verkehrsunfällen in Niedersachsen +++

Zielgruppe des sogenannten Schutzengel-Projekts im Landkreis Harburg sind junge Frauen zwischen 16 und 24 Jahren, obwohl die angetrunkenen Unfallverursacher in der Regel halbstarke Männer sind. Die jungen Beschützerinnen sollen aber ihre männlichen Begleiter davon überzeugen, sich nach einem Discobesuch nicht mit Alkohol im Blut hinters Lenkrad zu setzen. Wenn Worte nicht mehr reichen, sollten die Schutzengel ihre Flügel ausbreiten und den Autoschlüssel verschwinden lassen. Noch besser sei es, vor der Party einen Fahrer auszuwählen, der nüchtern bleibt.

Örtlich gibt es laut Poppinga keinen eindeutigen Schwerpunkt beim Unfallaufkommen im Landkreis. "Wenn es so einfach wäre, hätten wir das Problem schnell im Griff", sagt der Polizeikommissar. "Die meisten schweren Unfälle passieren außerhalb geschlossener Ortschaften, allein schon weil man dort schneller fahren darf." Auf der Autobahn beziehungsweise innerorts ereignete sich 2011 jeweils nur ein einziger Unfall mit Todesfolge. Die Hälfte der Verkehrstoten des vorigen Jahres starb ähnlich wie in dem tragischen Beispiel aus Sangenstedt innerhalb kurzer Zeit nach einem Autounfall. In sechs Fällen erlagen Motorradfahrer beziehungsweise deren Mitfahrer ihren Verletzungen, und an einem tödlichen Unfall war ein Lastwagen beteiligt.

Die Zahl der Lkw-Unfälle im Landkreis Harburg dürfte, nach einem Einbruch im Vorjahr, 2012 wieder stark ansteigen. Der Grund dafür sei die Großbaustelle an der A 1 in Höhe Harburgs. Poppinga: "Stauenden sind besonders gefährlich. Auffahrunfälle drohen."