Bei Großkontrolle auf der Autobahn 7 setzen Beamte zur Prävention von Lkw-Unfällen auf elektronisches Messgerät für die Schläfrigkeit.

Garlstorf. Es sieht aus wie eine Taucherbrille, was sich Ulrich Görges aufsetzt, um für die nächsten elf Minuten auf nichts anderes als einen roten Punkt zu schauen. Die Monotonie dieses Ausblicks ist gewollt, um die Konzentrationsfähigkeit des 49-Jährigen auf die Probe zu stellen.

Die Brille ist mit einer Kamera ausgestattet und ein Computer verarbeitet die damit erfassten Messdaten über unbeabsichtigte Zuckungen der Pupille des Probanden und der Dauer seines Lidschlags. Langes Blinzeln durch sprichwörtlich schwere Lider deutet nämlich auf Müdigkeit hin.

"Sekundenschlaf und Übermüdung ist bei uns Lkw-Fahrern weit verbreitet", sagt Görges nach seinem Test mit dem sogenannten Pupillographen. Das Gerät liefert Anhaltspunkte dafür, ob der Testteilnehmer unter einer chronischen Schlafstörung leidet.

Als Mann über 40 zählt Görges zur Risikogruppe der Krankheit Schlafapnoe, bei der die Atmung für jeweils kurze Zeit unbemerkt aussetzt. Sein Testergebnis war zwar nicht alarmierend, doch in Zukunft will er bei morgendlichen Schwindelgefühlen lieber seinen Hausarzt aufsuchen, als mit einer Kopfschmerztablette lediglich ein typisches Apnoesymptom zu kurieren.

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Insgesamt 97 Lastwagenfahrer wie Görges, die am Donnerstag zwischen neun und 15 Uhr auf der Autobahn 7 unterwegs waren, sind von 70 Beamten der Landes- und Bundespolizei, des Zolls und der Bundeswehr sowie von Gewerbeaufsichtsamt und Berufsgenossenschaft überprüft worden. "Im Sinne einer ganzheitlichen Kontrolle ging es um sämtliche gesetzlichen Vorgaben für den gewerblichen Güterfern- und Nahverkehr", sagt Janina Schäfer, Sprecherin der zuständigen Polizeidirektion Lüneburg.

Nach der Standardkontrolle von zum Beispiel Lieferscheinen und Fahrzeugzustand ging es Jens Platen von der Autobahnpolizei Sittensen in den Gesprächen mit den Truckern auch um das Thema Schlafmangel. Müdigkeit im Straßenverkehr ist zwar kein Gesetzesverstoß, laut Bundesanstalt für Straßenwesen aber die Ursache etwa jeden dritten Unfalls mit Schwerverletzten oder Toten, den ein Fahrer eines Lastwagens mit einem Gewicht von mindestens 7,5 Tonnen verursachte.

Besonders kritische Zeiten seien 14 bis 17 Uhr und zwischen null und sechs Uhr. "Ihr Aufmerksamkeitstief erreichen viele Menschen zwischen 2 und 4 Uhr morgens", sagt Rainer Höger. "Das gilt sogar dann, wenn sie vorher gut geschlafen haben und sich nicht übermäßig müde fühlen."

Der Professor für Arbeits- und Ingenieurpsychologie an der Leuphana Universität Lüneburg hat in einer Untersuchung 40 Probanden zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten Fotos von Gefahrensituationen im Straßenverkehr gezeigt und ihre Reaktionsgeschwindigkeit gemessen. Sein Fazit: "Es ist kaum möglich, die innere Uhr neu zu stellen." Auch für trainierte Nachtfahrer sei zwischen 2 und 4 Uhr eine unfallträchtige Zeit.

Mangelnde Ruhe hat eine ähnliche Wirkung auf den Körper wie Alkohol. Wer nur vier Stunden lang "die Augen zugemacht" hat, reagiert wie ein Mensch mit 0,5 Promille im Blut. Eine schlaflose Nacht bewirkt bei dem Schlaftrunkenen so viel Rauschen im Kopf wie 0,8 Promille Alkohol.

Um müdigkeitsbedingte Verkehrsunfälle zu vermeiden, gelten strikte Vorschriften für die Lenk- und Ruhezeiten von Brummifahrern. Deutlich überschritten hatte die reguläre Tagesobergrenze von neun Stunden ein 45-Jähriger, der vorgestern elf Tonnen Maschinenteile mit einem Sattelzug von Istanbul nach Hamburg transportierte.

Das elektronische Kontrollgerät des Mannes zeigte bei der Überprüfung auf dem Rastplatz Schaapskaben an der A 7 bei Garlstorf eine Fahrtdauer von 32 Stunden an. Unterbrochen hatte er seine Tour nur durch kurze Pausen. Zeit für ein längeres Nickerchen erhielt er auf Anordnung der Polizei. Insgesamt belegten die Beamten am Donnerstag 20 Trucker wegen Verstößen gegen das Fahrpersonalgesetz mit Strafen.