Harburger Gastronomen beklagen weniger Kunden und bis zu 30 Prozent Umsatzverlust. Nur reine Raucherkneipen profitieren von dem neuen Gesetz.

Harburg. In "Kerns Stübchen" steht die Luft. Am rustikalen Tresen der Eckkneipe sitzen Gäste, atmen genüsslich Zigarettenqualm und halten sich an ihrem Bier fest. Ein nebliger Schleier wabert durch den kleinen Raum. Inhaber Wolfgang Kern macht keinen Hehl daraus, dass sein Lokal am Harburger Sand eine Raucherkneipe ist. "Leute, die ein Plätzchen zum Rauchen suchen, sind bei mir genau richtig." Seit knapp drei Monaten hat er noch mehr Zulauf als sonst. Mit Inkrafttreten des neuen Hamburger Nichtraucherschutzgesetzes würden ihm die Leute die Bude einrennen - auch wenn er keine Speisen mehr anbieten dürfe. "Das waren sowieso nur Kleinigkeiten. Die fallen nicht ins Gewicht", so Kern.

Qualmen oder Essen? Vor diese Wahl wurden Hamburger Wirte am 1. Januar gestellt. CDU und GAL hatten erst im Dezember das neue Nichtraucherschutzgesetz beschlossen, weil die erste Regelung vom Verfassungsgericht gekippt worden war. Neujahr trat dann eine der rigorosesten Regelungen Deutschlands in Kraft. Demnach gilt: Wo gegessen wird, ist Rauchen absolut tabu. Unabhängig davon, ob Wirte ihre Lokale im Zuge der ersten Gesetzesstufe mit Raucherseparees ausstatten ließen. Auch für diese Bars galt nun: Essen oder Paffen! Separate Raucherräume gibt's nicht mehr - nicht mal Bockwurst oder belegte Brötchen dürfen zum Bier gereicht werden, wenn geraucht wird. Die Küche bleibt zu - sonst drohen bis zu 500 Euro Verwarngeld.

"Offiziell kontrolliert hat hier noch niemand. Aber das neue Gesetz hat mich 30 Prozent meines Umsatzes gekostet", schimpft Franziska Meyer. Seit zehn Jahren führt sie an der Neuen Straße die Gastwirtschaft "Zur Altstadt". Draußen künden Werbebotschaften wie "Frühstück" oder "Belegte Brötchen" von Zeiten, die in ihrem Laden vorbei sind. Vor der Gesetzesverschärfung seien die Marktbesucher des Sand zum Frühstück gekommen, hätten belegte Brötchen oder Kartoffelsalat geordert. "Doch jetzt darf ich überhaupt nichts mehr verkaufen."

Die 60-Jährige hat sich für die Raucherkneipe entschieden, bei ihr heißt es seit Januar: "Feuer frei!" Sie verzichtet lieber auf das Speiseangebot, denn: "Bei mir rauchen alle Gäste." Vom neuen Gesetz hält sie nicht viel. "Es ist bescheiden! Draußen steht Raucherkneipe dran. Und wer hier was essen möchte, sollte das auch können."

Im Restaurant "Caspari" in der Lämmertwiete hatte man die Gäste schon beim ersten Gesetzesentwurf umgewöhnt. Ein Extraraum für Raucher wurde erst gar nicht eingerichtet. "Deshalb wissen unsere Gäste schon länger, dass hier nicht geraucht wird", sagt Fabio de Maco (30). Anfangs hätte das zu "zehn bis zwanzig Prozent" weniger Gästen geführt. Mittlerweile hätte sich das eingependelt.

Das neue Gesetz hält der Kellner trotzdem für unausgegoren: "In meinem Heimatland Italien herrscht überall Rauchverbot. Kein Entweder-Oder, keine Raucherkneipen, keine Ungerechtigkeit, sondern Klartext!" Darauf könne man sich als Gast einstellen. Generell beobachte er, dass sich insbesondere Raucher nicht mehr so viel Zeit zum Essen nähmen. Früher seien hinterher noch Getränke bestellt worden, heute gehen Gäste raus zum Rauchen.

Etwas anders ist der Fall im "Oktober" am Schlossmühlendamm gelagert: Bis Silvester wurde unten gegessen, im Obergeschoss konnte dazu auch geraucht werden. Jetzt wird nur noch gegessen und getrunken. "Im Januar und Februar sind deutlich weniger Gäste gekommen", sagt Service-Mitarbeiterin Karolina Rutkowski. "Wenn die Leute merken, dass sie hier nicht mehr rauchen können, machen sie kehrt."

Sie findet das neue Gesetz "unverständlich". Jeder solle selbst entscheiden können, ob und wo er raucht. "Besonders für die Wirte, die Umbauten vorgenommen haben, ist das neue Gesetz ungerecht. Denn das war alles umsonst." Ihr Chef, Claus Winkler, Geschäftsführer von drei "Oktober"-Filialen im Hamburger Stadtgebiet, nennt das neue Nichtraucherschutzgesetz einen "Verstoß der Politik gegen Treue und Glauben". Mit der alten Regelung sei kein militanter Nichtraucher genötigt worden, mit Rauchern essen zu müssen. Raucher, Nichtraucher und Gourmets seien sich nicht ins Gehege gekommen, deshalb halte er "absolut gar nichts" vom neuen Gesetz. "Außerdem kann man die Tatsache festhalten, dass weniger rauchende Gäste im Oktober einkehren". Der Umsatz leide. Auch Winkler sagt, Wirte, die Schutzzonen eingerichtet hätten, seien besonders benachteiligt. Denn die blieben auf ihren Kosten für die Umbauten sitzen.

Gemeinsam mit dem Hamburger Hotel- und Gaststättenverband werde derzeit eine Musterklage vorbereitet. "Es müssen vom Gesetzgeber zumindest die Kosten erstattet werden, die mit den Umbaumaßnahmen in einigen Restaurants angefallen sind", so Winkler. Ausgang der Auseinandersetzung: offen.