Radfahren auf der Straße ohne Radfahrstreifen? Radler fühlen sich als Versuchskaninchen. Die Debatte hinterlässt viele offene Fragen.

Harburg. Der Rückbau der Radwege in Heimfeld bleibt ein akutes Reizthema in Heimfeld. Auf der Nordseite der Heimfelder Straße schreiten die Abrissarbeiten rasant voran. Grund genug für die Grünen, Verkehrsexperten und Bürger an einen Tisch zu holen, um das Für und Wider der Radwege-Politik in Harburg zu diskutieren.

Auffällig viele Fahrräder parkten am Dienstagabend vor dem Atrium der Grundschule Grumbrechtstraße. Etwa 40 Bürger hatten sich dort eingefunden. Deutlich weniger, als die Grünen angesichts der Brisanz des Themas erwartet hatten. Dennoch entwickelte sich eine lebhafte und teilweise sehr kontrovers geführte Diskussion. Angefacht durch ein Statement des verkehrspolitischen Sprechers der Harburger Grünen, Kay Wolkau. "Wir haben in dieser Frage eine ganz klare Position: Der ersatzlose Abbau des Radwegs ist nicht akzeptabel", ließ er wissen. In der Fraktion hätte es einen einstimmigen Beschluss gegeben, dass der Rückbau umgehend gestoppt werde müsse. Der entsprechende Antrag sei in der Bezirksversammlung aber abgelehnt worden.

+++ Jetzt wird es eng für die Radfahrer +++

+++ Und plötzlich ist der Radweg weg +++

Zu Recht, wie Olaf Schultz vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) sagte: "Ich habe in der Heimfelder Straße lange gewohnt und kann aus eigener Erfahrung sagen: Dort auf der Straße zu fahren, ist unproblematisch." Dafür erntete er heftigen Widerspruch aus dem Auditorium. Eine ältere Dame hielt ihm entgegen, dass diese Aussage schon wegen der vielen Busse der Linie 142 abwegig sei: "Die fahren oft zu schnell und überholen ohne großen Sicherheitsabstand. Das ist nicht unproblematisch, sondern kreuzgefährlich." Schultz konterte den Einwand mit dem Hinweis darauf, ihm sei das in zehn Jahren gerade zweimal passiert. "In solch einem Falle sollte sich der Radfahrer das Kennzeichen, mindestens aber Ort und Zeit merken, und dann den HVV informieren", rät der Mann vom ADFC.

Es wurde unterdessen recht schnell deutlich, dass das Unbehagen hinsichtlich des Radfahrens auf der Straße offenbar steigt, je älter der Radler ist. Nicht ohne Grund: 2010 verunglückten in Deutschland 65.480 Radfahrer, davon 381 tödlich. Von denen wiederum waren 151 über 70 Jahre alt und 71 über 60 Jahre.

Dass Senioren, die auch bei der Debatte in der Grumbrechtstraße deutlich in der Überzahl waren, ein größeres Sicherheitsbedürfnis haben, ist nachvollziehbar. Zumal die Heimfelder Straße nur zweispurig ist. "Und neben den dort verkehrenden Bussen wird sie oft auch als Einflugschneise für Krankentransporte zur Asklepios-Klinik Harburg genutzt", wie ein junger Mann einwarf. Zudem werde ab 22 Uhr dort oft deutlich zu schnell gefahren.

Den Vorschlag, den gesamten Bereich doch zur Tempo-30-Zone zu erklären, relativierte Carsten Willms, Verkehrsexperte vom Allgemeinen Deutschen Automobil-Club (ADAC): "Man sollte nicht zu viel von einem verordneten Tempo-Limit erwarten." Es werde dann vielleicht zwar tendenziell langsamer gefahren als jetzt. Aber immer noch schnell genug, um keinen nachhaltigen Effekt zu spüren. Trotz aller Bedenken sei auch der ADAC grundsätzlich der Ansicht, der Radverkehr gehöre auf die Straße. "Ausgenommen sind lediglich Hauptverkehrsstraßen mit starkem Lkw-Verkehr. Davon kann bei der Heimfelder Straße aber kaum die Rede sein", so Willms. Jüngsten Zählungen zufolge würden hier stadtauswärts bis zum Eißendorfer Pferdeweg im Schnitt gerade 3.700 Fahrzeuge pro Tag verkehren, wovon nur fünf Prozent Lastkraftwagen seien.

Dass es demnächst wenigstens Radfahrstreifen auf der Straße geben wird, sieht Harburgs Baudezernent Jörg-Heinrich Penner eher nicht. Dafür sei die Heimfelder Straße schlicht nicht breit genug. Deshalb empfiehlt er, doch konsequent und selbstbewusst auf der Mitte zu fahren. Und sich aufstauende Autos im Rücken schlicht zu ignorieren.

Überdies verteidigte Penner aber erneut den Rückbau des Radwegs: "Er war teilweise in einem extrem schlechten Zustand und viel zu schmal. Außerdem ist das Radfahren dort am Sichersten, wo Autofahrer die Radler immer im Blick haben." Er räumte aber ein, man hätte die Baumaßnahme im Vorwege besser kommunizieren können.

Ob die von den Experten propagierte Ideologie des Wechsels vom "unsicheren Radweg auf die sichere Straße" in der Heimfelder Straße aufgeht, bleibt abzuwarten. "Ich fühle mich jedenfalls als Versuchskaninchen von Gedankengebäuden", sagte ein Mann. Und radelte offenkundig frustriert davon.