Hamburg. Sauerstoffwerte sinken in vielen Hamburger Gewässern dramatisch. Für Fische gibt es neben Klimaveränderungen weitere Bedrohungen.

Das hamburgweite Fischsterben hat dramatische Ausmaße. Entlang der Alster und ihren Kanälen, etwa an der Isebek, sowie an Teichen und Bächen herrscht Verwesungsgeruch – noch immer schwimmen vereinzelt tote Fische an der Wasseroberfläche oder haben sich in herabhängenden Zweigen verfangen.

Mehr als eine Tonne Kadaver wurden seit den starken Regenfällen in der vergangenen Woche bereits im Auftrag der Stadt „abgefischt“. Die Fische waren gestorben, weil nach der langen Trockenperiode ungewöhnlich viele organische Substanzen ins Wasser gespült wurden, deren Abbau enorme Mengen Sauerstoff verbraucht.

Hamburg: Anglerverband warnt vor einer Katastrophe in der Elbe

Laut Behördensprecher David Kappenberg werden die toten Fische vom Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässern (LASB) und einer externen Firma zur Entsorgung in die Müllverbrennungsanlage Borsigstraße gebracht. Ein Fischsterben ähnlichen Ausmaßes habe es im Jahr 2018 gegeben. Damals wurden insgesamt fünf Tonnen Kadaver aus den Gewässern gefischt.

Bislang wurden unter anderem der Appelhoffweiher, die Alster in verschiedenen Bereichen, der Hofwegkanal, der Uhlenhorster Kanal, der Bereich Langer Zug, der Osterbek- und der Eilbekkanal, der Kuhmühlenteich, die Untere Bille und der Lottbeker Teich von toten Fischen befreit.

Gute Nachrichten von Außen- und Binnenalster

In den nächsten Tagen folgen das Rückhaltebecken Berner Au, der mittlere Bereich Billwerder, das Regenrückhaltebecken Kiwittsmoor und der Ilandteich. Auch die Alster und ihre Kanäle stehen weiterhin auf der Liste, da dort immer wieder neue Kadaver an die Oberfläche kommen.

Die gute Nachricht: Insbesondere im Oberlauf der Alster, in der Außen- und Binnenalster sowie in weiteren Gewässern wie der Oberen Bille, der Dove- und der Gose-Elbe habe es bisher keine Hinweise auf zu niedrige Sauerstoffgehalte und ein Fischsterben gegeben – sodass Fische sich dorthin zurückziehen oder später von dort „einwandern“ könnten.

Anglerverband warnte Bürgermeister schon 2022 vor Elbe-Drama

Doch durch die Kombination aus hohen Wassertemperaturen, zu hohen Nährstoffgehalten und niedrigen Wasserständen dürfte es den Sommer über besonders in den kleineren Hamburger Fließ- und Stillgewässern weiterhin zu angespannten Sauerstoffsituationen kommen.

Auch im vergangenen Sommer waren viele Fische gestorben, vor allem in der Elbe. Dort waren unter anderem verendete Störe gefunden worden, die man zehn Jahre zuvor angesiedelt und markiert hatte. Karl-Heinz Meyer, Geschäftsführer des Anglerverbands Hamburg, hatte Bürgermeister Peter Tschentscher und den Senat in einem offenen Brief auf den dramatischen Zustand der Elbe und der umliegenden Gewässer hingewiesen. Das war Ende Juni 2022.

Sauerstoffkonzentration erreichte früher kritische Werte als 2022

In diesem Jahr hat er erneut einen Brief geschrieben. Aber der Anlass, ihn zu schreiben, ist 2023 sogar vier Wochen früher eingetreten: Der Sauerstoffwert in der Elbe drohte bereits Anfang Juni unter den kritischen Wert von vier Milligramm Sauerstoff pro Liter Wasser zu sinken. „Das ist das absolute Minimum. Niedrigere Werte werden für Fische gefährlich“, sagt Geschäftsführer Karl-Heinz Meyer.

Karl-Heinz Meyer, Geschäftsführer des Anglerverbands Hamburg, hat Bürgermeister Tschentscher und den Senat in einem offenen Brief vor einer Katastrophe in der Elbe gewarnt.
Karl-Heinz Meyer, Geschäftsführer des Anglerverbands Hamburg, hat Bürgermeister Tschentscher und den Senat in einem offenen Brief vor einer Katastrophe in der Elbe gewarnt. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES | Thorsten Ahlf

„Was jetzt der Elbe und ihrer Flora und Fauna droht, ist nur als Katastrophe zu beschreiben“, schreibt er. „Solange alle schlechten Einflüsse, welche die Elbe betreffen, in ständiger Gleichmäßigkeit weitergehen, wird sich diese Situation zukünftig nur verschlechtern.“

Elbe: Klimawandel und Elbvertiefung bedrohen Fische

Denn nicht nur der Klimawandel bedrohe das Gewässer, sondern vor allem die Elbvertiefung, so Meyer. Die durch das Ausbaggern aufgewirbelten Sedimente würden durch die Strömung weitergetragen und lagerten sich woanders wieder ab. Flachere Bereiche wie im Holzhafen oder in der HafenCity wären dadurch bei Ebbe komplett verschlickt.

„Die Fische haben keine Flachwasserzonen mehr, die sie aber dringend brauchen.“ Die Fahrrinne selbst eigne sich nicht als Aufenthaltsort – wegen der Schiffsbewegungen, aber vor allem, weil es in einer Wassertiefe von 18 Metern keinen Sauerstoff mehr gebe.

Bauarbeiten an der Elbe vernichtet wichtige Uferzonen

„Die Elbe war nie ein tiefer Fluss. Dass man sie dazu gemacht hat, hat üble Folgen für die Natur“, sagt Meyer. Zusätzlich leide der Strom unter der Bautätigkeit an seinen Ufern, der frühere Flachwasserzonen und die Ufervegetation zum Opfer gefallen seien.

Seitdem Meyer den Brief verfasst hat, ist die Sauerstoffkonzentration vorübergehend dramatisch gesunken. Am Seemannshöft (Elbe) betrug der Tiefstwert am Montag nur noch 1,8 Milligramm Sauerstoff pro Liter Wasser (mg/l), in der Tarpenbek, kurz vor der Einmündung in die Alster, wurden nur noch 0,15 mg/l gemessen – also faktisch kein Sauerstoff.

Hamburg: Anglerverband bittet Mitglieder, aufs Angeln zu verzichten

Bedingt durch Regen, Wind und Wolken haben sich die Hamburger Gewässer temporär wieder etwas erholt. Laut Hamburger Wassergütemessnetz lagen die Werte am Seemannshöft Mittwochnachmittag bei 3,7 mg/l, in der Tarpenbek bei 5,61 mg/l.

Der Anglerverband bittet seine Mitglieder, bei diesen schlechten Werten das Angeln einzuschränken. „Dazu ist jetzt nicht die richtige Zeit“, sagt Meyer. Es wäre nicht waidgerecht, Kreaturen zu bejagen, die gerade ums Überleben kämpfen.