Hamburg. Viele Hamburger, vor allem Ältere, haben Angst, auf nicht geräumten Fußwegen zu stürzen. Ex-Bezirksamtsleiter stellt Forderungen.

Weil die Gehwege in ihrem Viertel in St. Georg teils völlig vereist sind, traut sich Elke Meßinger kaum aus ihrer Wohnung. Die CDU hatte wegen der glatten Fuß- und Radwege bereits ein Eingreifen des Senats gefordert.

Elke Meßinger ist eine von vielen Leidtragenden in diesen Wintertagen. Denn: Die Stadtreinigung Hamburg räumt nicht überall – und viele Anwohner kommen ihrer Räum- und Streupflicht nicht nach. Die Folge sind vereiste Fuß- und Radwege. Der ehemalige Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) fordert die Stadt nun auf, verstärkt Bußgelder zu verhängen.

Wetter Hamburg: Glatte Wege – Seniorin ist es zu gefährlich, hinauszugehen

„Das ist mir viel zu gefährlich draußen, ich bleibe lieber zu Hause“, sagt Elke Meßinger. Die 80-Jährige sitzt mehr oder weniger seit Sonntag früh in ihrer Wohnung fest – und das unfreiwillig. Während die Wege in ihrer Seniorenwohnanlage in St. Georg geräumt und frei von Eis und Schnee sind, sieht das ein paar Meter weiter auf den Fußwegen in ihrem Stadtteil anders aus.

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Einkaufen geht die Seniorin daher momentan überhaupt nicht, aber zum Arzt musste sie dann doch. Das war ein Abenteuer: „Es war grausam. Es war kaum geräumt oder gestreut und alles total vereist“, sagt sie. „Ich bin dann durch den Lohmühlenpark gegangen, denn dort auf dem Schnee ist es weniger rutschig.“

Glatte Fußwege: Noch hat die Seniorin genügend Lebensmittel zu Hause

Normalerweise braucht sie zu ihrem Arzt am Berliner Tor nur acht Minuten. Gestern war sie viel länger unterwegs, aber immerhin ist sie angekommen, ohne zu stürzen. Zurück ging auch alles gut.

Aber gerne geht sie ein solches Risiko, auf dem Eis ins Straucheln zu geraten und zu stürzen, nicht ein. „Ich habe Angst und bin unsicher“, sagt sie. Dabei ist sie keine, die sich sonderlich anstellt: „Ich dachte, es würde reichen, einfach fest aufzutreten – dann ist es auch nicht glatt.“ Eine Fehleinschätzung.

„Ich bleibe im Haus“, sagt die 80-Jährige. „Zum Glück habe ich genügend Lebensmittelvorräte, nur die Kartoffeln werden langsam knapp.“

Ex-Bezirksamtschef: „Private Räumpflicht wird immer weniger wahrgenommen“

Zu einer Verabredung mit dem ehemaligen Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte, Markus Schreiber, hat es Elke Meßinger daher auch nicht geschafft. Statt in einem Café am Hansaplatz haben sich die beiden in der Wohnung der Seniorin getroffen.

Der ehemalige Leiter des Bezirksamts Hamburg-Mitte Markus Schreiber kritisiert seine Amtsnachfolger. Diese müssten Verstöße von Anliegern gegen die Räum- und Streupflicht viel stärker ahnden.
Der ehemalige Leiter des Bezirksamts Hamburg-Mitte Markus Schreiber kritisiert seine Amtsnachfolger. Diese müssten Verstöße von Anliegern gegen die Räum- und Streupflicht viel stärker ahnden. © Klaus Bodig / HA | Klaus Bodig

Das alles macht Markus Schreiber sehr wütend: „Die private Räumpflicht wird anscheinend immer weniger wahrgenommen. Aber auch Saga und Sprinkenhof räumen nicht ausreichend. In der Folge werden Seniorinnen und Senioren und Menschen mit Behinderung in ihren Wohnungen eingesperrt, weil sie sich nicht mehr vor die Tür trauen. Das darf nicht sein.“

Notaufnahme in Eimsbüttel: Seit Sonntag 67 Patienten nach Glatteis-Stürzen

Tatsächlich rutschen viele Hamburger derzeit auf den spiegelglatten Wegen aus: In die Eimsbütteler Notaufnahme am Agaplesion Diakonieklinikum kamen seit Sonntag 67 Patienten nach glatteisbedingten Stürzen. „Da ist viel mehr los als sonst“, so eine Sprecherin.

Das Agaplesion Bethesda Bergedorf meldete 20 Patienten innerhalb von 24 Stunden, die sich witterungsbedingt verletzt haben.

Wetter Hamburg – „Räumpflicht muss angemahnt und durchgesetzt werden“

Auch in die Zentrale Notaufnahme des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) kommen wiederkehrend Patienten, die etwa bei Glätte auf die Schulter oder das Knie gestürzt sind, sich das Handgelenk oder den Kopf verletzt haben.

Markus Schreiber fordert deshalb von seinen ehemaligen Kollegen in den Bezirken, drastischer vorzugehen und entsprechende Bußgelder zu verhängen: „Die Räumpflicht muss angemahnt und durchgesetzt werden.“

Die Verantwortlichen in den Bezirksämtern müssten dem stärker nachgehen. „Das alles ist kein Spaß mehr“, so Schreiber. „Ein Tag, an dem Senioren wegen vereister Gehwege zu Hause bleiben müssen, geht ja noch. Aber das kann nicht mehrere Tage lang andauern.“ Momentan ist die Devise der Mitarbeiter in den Bezirksämtern: Erst mit den Anliegern über die Streupflicht reden – Bußgelder wurden bislang nicht verhängt.

Wetter Hamburg: Bislang rund 100 Hinweise auf nicht geräumte Wege

„Das Bezirksamt Altona hat aufgrund von nicht frei geräumten Wegen bislang kein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet“, sagt Altonas Bezirksamtssprecher Mike Schlink. Ganz tatenlos sind die Mitarbeiter in den Bezirksämtern aber nicht. „Es sind diverse normenverdeutlichende Gespräche geführt und auch 15 Ermahnungen erteilt worden – mit dem Hinweis, unverzüglich tätig zu werden. Dies wird im Rahmen von Nachkontrollen kontrolliert werden.“

In Hamburg-Eimsbüttel haben Bürger dem Bezirksamt seit Anfang der Woche bislang rund 30 Hinweise auf nicht geräumte Fußwege gemeldet. „Drei Anlieger wurden von uns angeschrieben. Ansonsten überprüfen die Wegewarte derzeit die Glättemeldungen vor Ort und versuchen zunächst, die Anlieger anzusprechen“, sagt Bezirksamtssprecher Kay Becker.

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Außerdem verteilen Bezirksamtsmitarbeiter Flyer zum Winterdienst als kleine Gedankenstütze in die Briefkästen. „Wie viele Ordnungswidrigkeiten daraus erwachsen werden, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.“

Wetter Hamburg: Mit vereisten Wegen ist bald Schluss – es wird wärmer

Im Bezirk Hamburg-Nord liegen derzeit 65 Meldungen über Glätte und nicht beseitigten Schnee aus den vergangenen Tagen vor. „Für eine Angabe zu Ordnungswidrigkeiten ist es zum jetzigen Zeitpunkt noch zu früh, da die Kollegen und Kolleginnen im ersten Schritt immer die Bürger und Bürgerinnen auf ihre jeweiligen Verpflichtungen aufmerksam machen und appellieren, dass sie dieser nachkommen“, so Bezirksamtssprecher Alexander Fricke.

Auch in Hamburg-Mitte versuchen es die Mitarbeiter zunächst mit Kommunikation, weniger mit Strafe. „Bei festgestellten Verstößen erfolgt als erste Maßnahme eine Ansprache an die/den Eigentümerin bzw. Eigentümer, wobei wir auf die Verpflichtung zum Räumen hinweisen – und dass es sich bei Nichtbefolgen um eine Ordnungswidrigkeit handelt“, so Josefina Kordys, Sprecherin des Bezirksamtes.

Am Freitag erfolgen Nachkontrollen, ob die Missstände abgestellt worden sind. Bislang gab es in Hamburg-Mitte fünf Beschwerden über zu glatte Gehwege. Die gute Nachricht: Es wird wärmer und es taut seit Mittwochnachmittag. Die vereisten Wege dürften sich damit ohnehin erledigt haben. Bis zum nächsten Schneefall und Frost.