Hamburg. Schlecht geschnitten, zugig, unsaniert – und doch das perfekte Zuhause. Liebeserklärung an das Wohnen im Portugiesenviertel.

Nein, eine Perle war sie ganz sicher nicht. Schon deutlich in die Jahre gekommen und ziemlich runtergerockt, mit zugigen Fenstern und schrammeligen Dielen, außerdem nicht gut geschnitten. Vermutlich hätte man nicht mal das Exposé angefordert, wenn Fotos von ihr in den Suchanzeigen aufgetaucht wären.

Wohnung Hamburg: Diese eine Immobilie, die man nicht vergessen kann

Doch wie das mit der großen Liebe so ist: Man begegnet ihr, wenn man gar nicht danach sucht. Und so war es auch mit dieser Wohnung von Bekannten, die etwas Neues (größer, schöner, ruhiger) außerhalb von Hamburg gefunden hatten und einen Nachmieter brauchten.

Richtiges Timing, und Lage und Preis waren ebenfalls unschlagbar: 650 Euro kalt für 59 Quadratmeter im Portugiesenviertel am Hamburger Hafen. Schimmel im Bad hin oder her. Das war ein „no-brainer“, da muss man nicht lange überlegen.

Immobilien Hamburg: Wohnung am Hafen – da überlegt man nicht lang

Rund neun Millionen Deutsche ziehen jedes Jahr um, knapp 25.000 Menschen pro Tag. Auch wenn jedes Zuhause zu einem bestimmten Lebensabschnitt gehört und man sich in der Regel stetig nach oben wohnt, hat doch fast jeder diese eine Wohnung, an die er am liebsten zurückdenkt.

Die der perfekte Ort für genau diese Zeit war, die kuschelige Höhle, der persönliche Happy-Place, an den man nach kleinen und großen Abenteuern zurückkehren, den man mit guten Menschen teilen und an dem man wunderbar alleine sein konnte. Ein sicherer Hafen.

Portugiesenviertel in Hamburg: Duft von weiter Welt und Fischabfällen

Die zweieinhalb Zimmer in der Ditmar-Koel-Straße waren so ein Genius Loci, ein besonderer Ort. Gegenüber von Luigi, mit Blick vom Balkon auf das U-Bahn-Viadukt und von der Küche aus auf den Michel. Das Tuten der Schiffe hörte sich an, als würden die Container gleich im Wohnzimmer verladen. Vor dem Haus ein stetes Grundrauschen der portugiesischen und spanischen Gastronomen, im Sommer durch die Straße nach Hause zu kommen fühlte sich an wie Urlaub. Es roch nach weiter Welt und Fischabfällen.

Wohnen am Hamburger Hafen: Touristen, Kiezgänger und Junggesellenabschiede

Leise war es nie, ob im Haus selbst oder vor der Tür. Lieferwagen, Touristen, After-Wort-Gruppen, sich aufwärmende Kiezgänger. Jedes Wochenende Junggesellenabschiede, natürlich die von der trashigen Sorte, bei der Frauen Bauchläden mit Schnaps und erwachsene Männer Pferdekostüme tragen. Alles wunderbar aus sicherer Entfernung von oben bei einem Glas Wein zu beobachten.

So wie Walter aus dem Erdgeschoss, der bei gutem Wetter mit seinem Plattenspieler vor seinem Friseurladen saß und die Beatles auflegte.

Altbau ist, wenn der Grundriss niemals passt und Kabel aus der Wand hängen

An Schlaf war in den zwei Zimmern zur Straße auf jeden Fall nicht zu denken. Nach hinten raus war gerade so Platz für ein Bett, da das nachträglich erweiterte Altbaubad wie ein Fremdkörper zur Hälfte ins dritte Zimmer ragte. Der Kleiderschrank stand im Esszimmer, neben der Waschmaschine, für die sich woanders kein Platz fand, und so folglich auch der Wäscheständer.

Was nicht weiter schlimm war, weil sich das Leben wie bei jeder guten Hausparty in der Küche abspielte, eingerahmt von alten Fliesen, einem wenig Vertrauen erweckendem Gasherd und vollkommen unmotiviert aus der Wand hängenden Stromkabeln, deren Enden irgendwann von einem besorgten Freund provisorisch mit Tape umwickelt wurden.

Mehr zum Thema

Im Portugiesenviertel galt schon damals die soziale Erhaltungsverordnung, die vor Gentrifizierung, also hohen Mieten und Verdrängung schützen soll, im Umkehrschluss aber auch dazu führte, dass die Eigentümerin des Mehrfamilienhauses keinen Cent in das Gebäude gesteckt hat. Also bröckelten die Badezimmerfliesen der dort lebenden „schützenswerten Bevölkerungsstruktur“ langsam vor sich hin, der Magie des Ortes, dem Zauber vom Leben am Hafenrand, tat das aber keinen Abbruch.

Immobilien Hamburg: An den Landungsbrücken raus, willkommen zu Haus

Mittlerweile ist die Yuppisierung des Viertels natürlich trotzdem fortgeschritten. In den alten Krämerladen ist ein hippes Café eingezogen, in dem Trödelladen mit nautischem Nippes wird heute Espresso macchiato ausgeschenkt.

Und doch, jedes Mal, wenn man an den Hafen kommt, gilt die Kettcar-Hymne: An den Landungsbrücken raus/Dieses Bild verdient Applaus/Und noch 200 Meter/Und jetzt geht der Fallschirm auf/Jetzt geht der Fallschirm auf/Na dann: herzlich willkommen zu Haus.