Hamburger Zonta-Clubs planen Aktion in der Innenstadt. Auch auf 50.000 Brötchentüten wird auf das Thema aufmerksam gemacht. Ein Großteil der verübten Straftaten findet im häuslichen und familiären Umfeld statt.

Altstadt. Dutzende von Frauenschuhen werden an diesem Montag vor zwei Infoständen in der City auf dem Boden liegen. Es sind Stöckelschuhe, Pumps, Sandaletten – viele in der Farbe orange. Mit dieser Aktion machen die rund 200 Hamburger Zonta-Frauen auf den heutigen Uno-Tag zum Stopp der Gewalt gegen Frauen aufmerksam. „Wir wollen die Öffentlichkeit gleichsam zum Stolpern bringen“, sagt Christiane Lemberg, Mitglied in einem der fünf Hamburger Zonta-Clubs. Bei Zonta engagieren sich weltweit 30.000 Frauen in 67 Ländern für die Gleichberechtigung und die Rechte ihrer Geschlechtsgenossinnen.

Selbstverständlich wird an den Infoständen der Zonta-Frauen vor Saturn und Karstadt an der Mö keiner der Besucher wirklich zu Fall gebracht. „Aber unser Ziel ist es, auf die Gewalt gegen Frauen in der Welt, aber auch in Hamburg hinzuweisen“, sagt Christine Gerberding, Mitglied der NGO Zonta International und Mitinitiatorin der Kampagne Zonta says No. Auch die Hamburger Zonta-Clubs, fügt sie hinzu, sagen „Nein“ zur Gewalt an Frauen. „Immerhin erlebt jede dritte Frau in ihrem Leben körperliche Gewalt – weltweit und in Hamburg“, betont Gerberding.

Wie groß das Ausmaß von häuslicher Gewalt (Beziehungsgewalt) in der Hansestadt tatsächlich ist, lässt sich schwer abschätzen. Laut polizeilicher Kriminalstatistik wurden im vergangenen Jahr 974 Täter von sexueller Gewalt gegen Frauen und Mädchen in Hamburg verurteilt. Die Kriminalstatistik erfasst regelmäßig bei den Gewaltdelikten die „Opferwerdungen weiblicher Personen“. Ihre Zahl lag im vergangenen Jahr bei 2588. „Die Dunkelziffer der Opferzahlen ist um ein Vielfaches höher“, fügt Christine Gerberding hinzu.

Wie der Hamburger Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch dem Abendblatt sagte, findet ein Großteil der verübten Straftaten im häuslichen und familiären Umfeld statt. Doch diese Beziehungsgewalt sei keine Privatsache, sondern „kriminelles Unrecht, das uns alle angeht“.

Eine Analyse des Hamburger Landeskriminalamtes mit dem Titel „Das Phänomen der Beziehungsgewalt in Hamburg“ verweist darauf, dass die meisten Polizeieinsätze aus diesem Anlass im Polizeikommissariat (PK) 38 (Rahlstedt) stattfinden, dem mit 160.000 Einwohnern größten PK Hamburgs. Der Anteil der nichtdeutschen Opfer und der Tatverdächtigen wird in ganz Hamburg mit einem Drittel als „sehr hoch“ eingeschätzt. Dass der Prozentsatz der betroffenen Migrantinnen zunimmt, berichtet Angela Bähr von der Migrations- und Frauensozialarbeit der Diakonie. Die Anzahl der Hilfe suchenden, von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen steige eher, als dass sie sinke. Wie es in der LKA-Studie heißt, würde gut die Hälfte der Verletzungen durch die Männer mit Schlägen zugefügt. Aber es gebe auch Morddrohungen gegen die Frauen (15 Prozent).

Häufig werden die Frauen von alkoholisierten Männern attackiert. Wie Gudrun (Name geändert), 65 Jahre alt. Sie erinnert sich noch genau an die Zeit vor fast 40 Jahren, als ihr Mann sie unter Alkoholeinfluss regelmäßig schlug. „Oft flüchtete ich mit den Kindern ins Kinderzimmer. Aber dort wurde die Tür nicht nur einmal mit dem Beil eingeschlagen. Die Schläge fingen am Kopf an, dann am ganzen Körper und hörten erst auf, wenn ich am Boden lag.“ Nach jeder Eskalation, berichtet sie, habe sich ihr Mann unter Tränen entschuldigt. Gudrun fand den Mut – und trennte sich von ihrem Partner, der sich wenig später selbst tötete.

Die Hamburger Zonta-Frauen möchten mit ihrer Aktion in der City den betroffenen Frauen Mut machen, das Schweigen zu brechen und eine bundesweite, kostenlose Notrufnummer zu wählen (08000-116016), die rund um die Uhr besetzt ist. Hilfe gibt es auch im Frauenhaus der Diakonie, das nach Angaben von Angela Bähr lediglich einen vorübergehenden Schutzraum nach der Gewalterfahrung bietet. Die angespannte Situation auf dem Hamburger Wohnungsmarkt verlängere allerdings die Aufenthaltsdauer der Frauen im Frauenhaus.

Um noch intensiver auf das Problem hinzuweisen, werden in den Hamburger Innungsbäckereien bis zum 28. November 50.000 Brötchentüten mit der bundesweiten Telefonnummer „Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen“ verteilt. Schirmherrin der Aktion ist Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs. „Gewalt darf um Gottes willen nicht sein. Da ist die christliche Ethik ganz eindeutig: Wer schlägt, hat Unrecht“, sagt sie. Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch unterstützt die Kampagne mit dem Motto „Gewalt kommt nicht in die Tüte“. Es gebe keine Rechtfertigung, Frauen und Mädchen zu schlagen, sie zu misshandeln und zu vergewaltigen, betont er.

Kurz nach 18 Uhr werden die Hamburger Zonta-Frauen an diesem Montag ihre beiden Infostände schließen – nach hoffentlich hilfreichen Gesprächen. Die schicken Schuhe spenden die Damen übrigens wohnungslosen Frauen vom Projekt Kemenate.