Gleichstellungsbeauftragte von Jesteburg und Hanstedt wollen das Thema anlässlich jüngster Fälle im Landkreis Harburg in die Öffentlichkeit bringen.

Winsen. Eine junge Frau verlässt am frühen Morgen des 30. Juni die Diskothek MicMac in Moisburg, wird auf ihrem Nachhauseweg von einem Mann plötzlich ins Gebüsch gerissen und vergewaltigt. Nur zwei Wochen vorher war eine andere junge Frau, die eine Scheunenfete in Marxen besucht hatte, ebenfalls vergewaltigt worden. Zwei Fälle, die zeigen, dass Sexualverbrechen nicht nur in Großstädten wie Hamburg passieren, sondern auch in der vermeintlichen ländlichen Idylle des Landkreises Harburg.

Den Gleichstellungsbeauftragten Beate Thiel aus Hanstedt und Gerlinde Jörg aus Jesteburg haben die Vergewaltigungen einen regelrechten Schrecken versetzt. Auch wenn sie wissen, dass es vermutlich noch weit mehr Fälle gibt, die gar nicht erst an die Öffentlichkeit gelangen, wollen sie jetzt ein Signal setzen. "Uns geht es darum, dass das Thema nicht totgeschwiegen wird", sagt Gerlinde Jörg, die seit circa sechs Jahren ehrenamtlich tätig ist. Eine Vergewaltigung sei eine schwere Straftat. Wenn in der Öffentlichkeit eine Polizeimeldung zu einer Vergewaltigung auftauche, sei das nicht mit einer Meldung über einen Blechschaden oder einen Diebstahl vergleichbar. Man könne danach nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, findet sie.

Gemeinsam mit ihrer Hanstedter Kollegin will sie deshalb auf die zahlreichen Hilfsangebote sowohl für Opfer als auch für Täter hinweisen, ihnen Mut machen, sich diese Hilfe auch tatsächlich zu holen, und Tipps zur Prävention geben. "Wir wissen natürlich, dass wir keine Fachleute auf diesem Gebiet sind", sagt Beate Thiel. Vielmehr seien sie als Gleichstellungsbeauftragte eine Kontakt- und Verbindungsstelle zwischen Bürgern und öffentlichen Einrichtungen. Sie könnten die Opfer von Vergewaltigungen beispielsweise an die Opferhilfebüros in Stade oder Lüneburg weiterleiten, die auch für den Landkreis Harburg zuständig sind. Der Weiße Ring und das Frauenhaus für den Landkreis Harburg seien ebenso mögliche Ansprechpartner wie das bundesweite Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" der Bundesregierung, das rund um die Uhr unter der Nummer 08000 11 60 16 zu erreichen ist.

Beate Thiel und Gerlinde Jörg wissen, dass viele Frauen vor einem Gang zur Polizei zurückschrecken, weil sich auf dem Dorf jeder kennt und sie das Gerede der Leute fürchten. Hinzu kommt, dass hinter dem Rücken der Frauen oftmals getuschelt werde, das Opfer sei ja selbst schuld, was müsse es auch so einen kurzen Rock tragen. Für diese Frauen seien beispielsweise auch Hilfseinrichtungen in Hamburg wie der Verein Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen eine denkbare Lösung. In allen Fällen stünden die Gleichstellungsbeauftragten als Vermittlungsstelle zur Verfügung und würden sie auch persönlich zu den entsprechenden Hilfsangeboten begleiten, sagt Gerlinde Jörg.

Einen weiteren Punkt hält sie bei dem Ganzen für besonders wichtig: das Sichern von Beweisen. Im Buchholzer Krankenhaus oder im Hamburger UKE gebe es entsprechende Anlaufstellen, zu denen die Frauen gehen könnten. Für viele Frauen sei es schlimm, den Vorfall dort direkt noch einmal detailliert zu beschreiben, aber für das Verfolgen der Straftat sei es unabdingbar.

Und was ist mit den Männern? Für die Gleichstellungsbeauftragten sind auch sie ein wichtiges Thema. Zum einen können auch sie Opfer von Gewalt sein, wie Beate Thiel in einem Beratungstermin einmal selbst erfahren hat. "Da ging es aber eher um psychische Gewalt zu Hause", fügt sie hinzu. Zum anderen gibt es auch für die Täter von Vergewaltigungen Beratungsangebote sowie bereits im Vorfeld Angebote zur Prävention, die sich unter dem Stichwort "Männlichkeit im Wandel" speziell an Jungs im schulpflichtigen Alter richten. "Man kann das Thema sicherlich nicht allein auf die Schulen abwälzen, weil auch die Eltern eine Vorbildfunktion haben", sagt Beate Thiel. Dennoch muss es ihrer Meinung nach irgendjemanden geben, der bereits Heranwachsenden Grenzen im Umgang mit Mädchen aufzeigt.

Trotz der zwei Fälle in Moisburg und Marxen sowie des sexuellen Übergriffs in Winsen (siehe Beitext) spielen Vergewaltigungen im Landkreis aus Sicht der Polizei aktuell keine übergeordnete Rolle. "Eine Häufung gibt es nicht, viele Fälle finden gar nicht den Weg in die Öffentlichkeit", sagt Polizeisprecher Jan Krüger. Es sei immer eine ermittlungstaktische Überlegung, wie man an einen Beschuldigten herankommen wolle. Der Fall in Moisburg sei jedenfalls noch nicht aufgeklärt und für Marxen lägen ihm urlaubsbedingt keine Informationen vor.