Hamburg. Die G20 verständigen sich auf eine gemeinsame Abschlusserklärung. Beim weltweiten Klimaschutz sind die USA nun weitgehend isoliert.

  • Erstmals in der G20-Geschichte wurde ein Dissens in der Abschlusserklärung festgeschrieben
  • Beim Thema Klimaschutz sind die USA isoliert
  • Beim Freihandel sorgte US-Präsident Trump für einen Rückschritt im Vergleich zu früheren Gipfelerklärungen

Was in ihrer Macht stand, das hat Angela Merkel (CDU) auch getan. Zum Ende des G20-Gipfels im Hamburg legt die Kanzlerin am Sonnabend eine gemeinsame Erklärung vor. Ohne ein vorzeigbares Ergebnis wollen die Staats- und Regierungschefs der 20 Industrie- und Schwellenländer nicht heimfahren. Für die Gastgeberin gilt diese Logik vielleicht sogar noch mehr als für alle anderen. Merkel muss die Schockwellen dämpfen, die von der Hansestadt ausgehen: Die Bilder der „entfesselten Gewalt“ und von der „ungehemmten Brutalität“, wie die Kanzlerin beklagt. Wer so handle, „dem geht es nicht um politische Kritik oder um ein besseres Leben“, kritisiert sie.

Merkel trifft sich mit dem Einsatzleiter der Polizei, einzelnen Beamten, bespricht sich mit Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und berät sich mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Danach steht fest: Der Bund will den Opfern der Gewalt in der Hansestadt – nicht selten kleine Ladenbesitzer – „schnellstmöglich und unbürokratisch“ helfen. Geprüft werde nur noch das „Wie“ und nicht „Ob“, versichert die Regierungschefin.

Trump: Merkel hat fantastischen Job gemacht

Merkel steht zu der Entscheidung, den Gipfel in Deutschland und hier wiederum in einer Metropole auszutragen. In der Schlusserklärung findet sich kein Wort über die blamablen Begleitumstände, aber nach Merkels Darstellung wurde sie von den Staats- und Regierungschefs der 20 Industrie- und Schwellenländer ausdrücklich gebeten, die Arbeit der Polizei zu loben.

Einer, der die Drucksituation seiner Gastgeberin gut nachempfinden kann, ist Donald Trump. „Es ist unglaublich, wie die Dinge hier angegangen wurden“, bemerkt der US-Präsident, „nichts davon war einfach.“ Merkel habe einen fantastischen Job gemacht, obwohl sie von „einer ganzen Menge Leute“ gestört worden sei. Als Störfaktor hatte Trump, wohlgemerkt, den Schwarzen Block ausgemacht und selbstredend nicht etwa sich selbst.

Die stärksten Bilder vom G20-Gipfel 2017

Auch wenn es um wichtige Politik gehen sollte: Die Ausschreitungen, die den G20-Gipfel in Hamburg begleitet haben, bestimmten die Bilder im Juli 2017.
Auch wenn es um wichtige Politik gehen sollte: Die Ausschreitungen, die den G20-Gipfel in Hamburg begleitet haben, bestimmten die Bilder im Juli 2017. © dpa | Markus Scholz
In der Nacht zum 8. Juli schickte die Polizei Spezial-Einsatzkräfte, um die verbarrikadierten Bereiche des Schanzenviertels zu stürmen. Randalierer hatten Feuer gelegt, warfen Pflastersteine und plünderten Läden.
In der Nacht zum 8. Juli schickte die Polizei Spezial-Einsatzkräfte, um die verbarrikadierten Bereiche des Schanzenviertels zu stürmen. Randalierer hatten Feuer gelegt, warfen Pflastersteine und plünderten Läden. © dpa | Axel Heimken
Ein starkes Bild vom Tag zuvor: Diese Demonstrantin war auf ein gepanzertes Räumfahrzeug geklettert. Polizisten versuchten, sie mit Pfefferspray wieder herunterzubekommen.
Ein starkes Bild vom Tag zuvor: Diese Demonstrantin war auf ein gepanzertes Räumfahrzeug geklettert. Polizisten versuchten, sie mit Pfefferspray wieder herunterzubekommen. © dpa | Sebastian Willnow
In der Nähe der Reeperbahn stellten sich dieser Demonstrant einem Wasserwerfer entgegen.
In der Nähe der Reeperbahn stellten sich dieser Demonstrant einem Wasserwerfer entgegen. © dpa | Boris Roessler
Maskierungen sind auf Demonstrationen ausdrücklich verboten. Dieser Demonstrantin war das offenbar egal.
Maskierungen sind auf Demonstrationen ausdrücklich verboten. Dieser Demonstrantin war das offenbar egal. © Thomas Lohnes
Und selbst, als der Gipfel vorüber war, endeten die Krawalle nicht. Nachdem die Staats- und Regierungschefs Hamburg verlassen hatten, gab es in der Nacht zum 9. Juli (Sonntag) weiter Ausschreitungen.
Und selbst, als der Gipfel vorüber war, endeten die Krawalle nicht. Nachdem die Staats- und Regierungschefs Hamburg verlassen hatten, gab es in der Nacht zum 9. Juli (Sonntag) weiter Ausschreitungen. © dpa | Daniel Bockwoldt
Sie zogen die Wut vieler Demonstranten auf sich: Bundeskanzlerin Merkel, Gastgeberin dieses G-20-Gipfels, oder der russische Präsident Wladimir Putin. Sieht vielleicht unhöflich aus, war’s aber gar nicht: Hier ist die Begrüßung nur gerade vorbei.
Sie zogen die Wut vieler Demonstranten auf sich: Bundeskanzlerin Merkel, Gastgeberin dieses G-20-Gipfels, oder der russische Präsident Wladimir Putin. Sieht vielleicht unhöflich aus, war’s aber gar nicht: Hier ist die Begrüßung nur gerade vorbei. © dpa | Bernd Von Jutrczenka
Historischer Handschlag: US-Präsident Donald Trump und Russlands Präsident Putin trafen in Hamburg zum ersten Mal persönlich aufeinander.
Historischer Handschlag: US-Präsident Donald Trump und Russlands Präsident Putin trafen in Hamburg zum ersten Mal persönlich aufeinander. © Handout
Mit Spannung war dieses Treffen erwartet worden. Das Gespräch dauerte deutlich länger als erwartet und endete mit einer vereinbarten Waffenruhe in Syrien.
Mit Spannung war dieses Treffen erwartet worden. Das Gespräch dauerte deutlich länger als erwartet und endete mit einer vereinbarten Waffenruhe in Syrien. © dpa | Evan Vucci
Diese Geste sagt vermutlich nicht das, was viele Trump-Gegner gern hineininterpretieren würden, schließlich ist Angela Merkel – im Gegensatz zum selbsterklärten Nicht-Politiker Trump – Vollprofi.
Diese Geste sagt vermutlich nicht das, was viele Trump-Gegner gern hineininterpretieren würden, schließlich ist Angela Merkel – im Gegensatz zum selbsterklärten Nicht-Politiker Trump – Vollprofi. © dpa | Meek, Tore
Das attestierte der Präsident der Kanzlerin denn auch: Sie habe einen guten Job als Gastgeberin dieses Gipfels gemacht, sagte der 71-Jährige – und das sei nicht einfach gewesen.
Das attestierte der Präsident der Kanzlerin denn auch: Sie habe einen guten Job als Gastgeberin dieses Gipfels gemacht, sagte der 71-Jährige – und das sei nicht einfach gewesen. © dpa | Michael Kappeler
Auch Trumps Tochter Ivanka ist voll der Bewunderung für die deutsche Kanzlerin.
Auch Trumps Tochter Ivanka ist voll der Bewunderung für die deutsche Kanzlerin. © REUTERS | POOL
Mit Frankreich pflegt Kanzlerin Merkel gute Beziehungen, so etwa zum neuen französischen Ministerpräsidenten Emmanuel Macron. Hier sind die beiden im Gespräch mit Donald Trump zu sehen.
Mit Frankreich pflegt Kanzlerin Merkel gute Beziehungen, so etwa zum neuen französischen Ministerpräsidenten Emmanuel Macron. Hier sind die beiden im Gespräch mit Donald Trump zu sehen. © dpa | John Macdougall
Kulturprogramm: Die Macrons und und die Trumps nach dem Konzert in der Elbphilharmonie.  
Kulturprogramm: Die Macrons und und die Trumps nach dem Konzert in der Elbphilharmonie.   © Pool
In Hamburg traf auch die amerikanische First Lady Melania Trump zum ersten Mal auf den russischen Präsidenten Putin.
In Hamburg traf auch die amerikanische First Lady Melania Trump zum ersten Mal auf den russischen Präsidenten Putin. © REUTERS | SPUTNIK
Der Protest gegen den G20-Gipfel war nicht nur gewalttätig: Zehntausende G20-Gegner demonstrierten friedlich – und sehr kreativ, wie bei dieser Gruppe. Hunderte Schauspieler demonstrierten für mehr Menschlichkeit.
Der Protest gegen den G20-Gipfel war nicht nur gewalttätig: Zehntausende G20-Gegner demonstrierten friedlich – und sehr kreativ, wie bei dieser Gruppe. Hunderte Schauspieler demonstrierten für mehr Menschlichkeit. © GettyImages | Sean Gallup
Die Botschaft dieses Demonstranten dürfte klar gewesen sein.
Die Botschaft dieses Demonstranten dürfte klar gewesen sein. © dpa | Georg Wendt
Gewaltfreier Protest: Eine Demonstrantin formte vor Polizisten mit den Händen einen Herz.
Gewaltfreier Protest: Eine Demonstrantin formte vor Polizisten mit den Händen einen Herz. © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Doch die Bilder, die an Krisengebiete erinnern, werden bleiben. Demonstranten suchten Schutz vor Wasserwerfern.
Doch die Bilder, die an Krisengebiete erinnern, werden bleiben. Demonstranten suchten Schutz vor Wasserwerfern. © dpa | David Young
Ein Anwohner des Schanzviertels in Hamburg.
Ein Anwohner des Schanzviertels in Hamburg. © Thomas Lohnes
Der Name der Eröffnungskundgebung der Anti-G20 Demonstration war offenbar Programm:
Der Name der Eröffnungskundgebung der Anti-G20 Demonstration war offenbar Programm: "Welcome to Hell" am 6. Juli (Donnerstagabend). Dieser Teilnehmer setzte auf musikalische Deeskalation. © dpa | Markus Scholz
Doch schon in der Nacht zu Freitag gab es im Schanzenviertel auch gewaltsame Ausschreitungen.
Doch schon in der Nacht zu Freitag gab es im Schanzenviertel auch gewaltsame Ausschreitungen. © dpa | Axel Heimken
Polizisten im Nebel der Wasserwerfer.
Polizisten im Nebel der Wasserwerfer. © dpa | David Young
Zusammenstöße zwischen G20-Gegnern und Polizei.
Zusammenstöße zwischen G20-Gegnern und Polizei. © REUTERS | PAWEL KOPCZYNSKI
Zusammenstöße zwischen G20-Gegnern und Polizei.
Zusammenstöße zwischen G20-Gegnern und Polizei. © REUTERS | KAI PFAFFENBACH
Bis Samstag waren schon mehr als 200 Polizisten bei den Ausschreitungen verletzt worden. Wie viele Demonstranten verletzt wurden, wurde zunächst nicht bekannt.
Bis Samstag waren schon mehr als 200 Polizisten bei den Ausschreitungen verletzt worden. Wie viele Demonstranten verletzt wurden, wurde zunächst nicht bekannt. © dpa | Bodo Marks
Neben der Gewalt schockierten auch die Plünderungen mehrerer Geschäfte in Hamburg viele Menschen.
Neben der Gewalt schockierten auch die Plünderungen mehrerer Geschäfte in Hamburg viele Menschen. © REUTERS | PAWEL KOPCZYNSKI
Davon bekamen sie nur am Rande mit. Erinnerungsfoto: die G-20-Teilnehmer mit ihren Partnern.
Davon bekamen sie nur am Rande mit. Erinnerungsfoto: die G-20-Teilnehmer mit ihren Partnern. © dpa | Michael Kappeler
Nach dem Konzert aßen die Gipfel-Gäste gemeinsam in der Elbphilharmonie.
Nach dem Konzert aßen die Gipfel-Gäste gemeinsam in der Elbphilharmonie. © REUTERS | POOL
Die erste Arbeitssitzung aller G20-Mitglieder, geleitet von Kanzlerin Merkel. Direkt neben ihr saßen Chinas Präsident Xi Jingping (links) und einen Platz weiter US-Präsident Trump.
Die erste Arbeitssitzung aller G20-Mitglieder, geleitet von Kanzlerin Merkel. Direkt neben ihr saßen Chinas Präsident Xi Jingping (links) und einen Platz weiter US-Präsident Trump. © dpa | John Macdougall
Während die Staats- und Regierungschefs mit ihren Mitarbeitern das Arbeitsprogramm absolvierten, gab es für die Ehefrauen und -männer der Politiker und Politikerinnen Programm – etwa den Besuch des Hamburger Rathauses.
Während die Staats- und Regierungschefs mit ihren Mitarbeitern das Arbeitsprogramm absolvierten, gab es für die Ehefrauen und -männer der Politiker und Politikerinnen Programm – etwa den Besuch des Hamburger Rathauses. © dpa | Jens Büttner
„Engelchen flieg“: Vor den Ausschreitungen bezauberte viele dieses Bild von der Ankunft Justin Trudeaus. Kanadas Premier brachte nicht nur seine Frau Sophie, sondern auch den jüngsten Sohn Hadrien mit nach Hamburg.
„Engelchen flieg“: Vor den Ausschreitungen bezauberte viele dieses Bild von der Ankunft Justin Trudeaus. Kanadas Premier brachte nicht nur seine Frau Sophie, sondern auch den jüngsten Sohn Hadrien mit nach Hamburg. © Morris MacMatzen
Aufräumen nach den Krawallen.
Aufräumen nach den Krawallen. © dpa | Christian Charisius
Was bleibt vom G-20-Gipfel in Hamburg?
Was bleibt vom G-20-Gipfel in Hamburg? © dpa | Kay Nietfeld
1/34

Harte Verhandlungen beim Thema Handel

Dabei hätte an den Amerikanern der ganze Gipfel scheitern können. Jetzt, wo wenigstens der Streit um Klimaschutz und Protektionismus politisch glimpflich ausgegangen ist, stellt sich eine Frage, die nicht leicht zu beantworten ist: Ist der US-Präsident Teil der Lösung oder Teil des Problems?

Beim Klimaschutz steht es 19 zu eins, oder wie Merkel in ihrer Pressekonferenz unverhohlen zu Protokoll gibt: „Alle gegen die USA“. Beim Thema Handel seien die Verhandlungen „außergewöhnlich hart“ gewesen. Aber hier gelingt eine Verständigung. Entscheidend ist für Merkel, wie man an Interessenkonflikte herangeht: „Durch gemeinsames Handeln können wir mehr erreichen als allein“ – so steht es in der Abschlusserklärung. „Das war auch der Geist, in dem wir hier gearbeitet haben“, behauptet Merkel. Allein, mit welchem Erfolg?

US-Strafzölle abgewendet

Die Amerikaner sind zwar für einen offenen Handel – aber fair muss er eben auch sein. Und das trifft nach ihrer Sicht gerade nicht auf den Stahlbereich zu. Es gibt Überkapazitäten. Man kennt auch den Hauptverursacher: China.

Der Streit darüber schwelt seit Langem. Schon beim letzten G20-Gipfel im chinesischen Hangzhou hatte man sich auf ein Forum Stahl verständigt, auf eine Art Schlichtungsinstanz. Aber das Gremium habe „zu langsam gearbeitet“, gibt Merkel zu. Die Chinesen haben schlicht auf Zeit gespielt und die USA hingehalten. In Hamburg sieht Trump nur deshalb von Strafmaßnahmen ab, weil G20 das Forum verpflichtet, sich bis August auf die Fakten zu verständigen und bis November Lösungen zum Abbau der Überkapazitäten vorzuschlagen. Wenn das misslingt, werden die Amerikaner womöglich doch einen Handelskrieg vom Zaun brechen. Das Stahlthema sei „brisant“, warnt Merkel.

„Kompromiss“ beim Klimaschutz

Zwar sieht sich Merkel selbst in der Pflicht, auf Kompromisse zu dringen. Aber beim Klimaschutz ließ sich der Dissens nicht überbrücken. Trump hat angekündigt, den Pariser Vertrag aufzukündigen. Genauer gesagt, will er für die USA bessere Bedingungen aushandeln. Insbesondere hält er an den fossilen Energieträgern fest, an Öl, Kohle, Gas.

Merkel setzte die Formulierung durch, dass der Vertrag „unumkehrbar“ sei und schnell umgesetzt werden solle. Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gab mit seiner Zustimmung zur Abschlusserklärung ein Bekenntnis zum Pariser Vertrag ab. Am Abend allerdings stellte Erdogan die Umsetzung des Pariser Abkommens durch sein Land infrage. Es sei das Versprechen gebrochen worden, die Türkei als Entwicklungsland einzustufen.

Der Hintergrund: Sollte die Türkei zu den Industriestaaten gezählt werden, müsste sie in einen künftigen Klimaweltfonds des Abkommens einzahlen, statt daraus Geld zu erhalten. „Solange die Versprechen, die man uns gegeben hat, nicht gehalten werden, werden wir das in unserem Parlament auch nicht ratifizieren“, sagte Erdogan.

Partnerschaft mit Afrika

Ein europäisches Anliegen ist die Partnerschaft mit Afrika. Zwar kommt ein Fonds für Frauen in Entwicklungsländern zustande, zwar setzen sich die G20 als Folge der Ebola-Epidemie in Afrika für eine bessere Seuchenbekämpfung ein. Doch es bleibt unklar, wie groß, wie nachhaltig die Hilfe am Ende ausfallen soll. Angestrebt sind Abkommen mit einzelnen Staaten, um private Investitionen zu mobilisieren. Konkreter wird Merkel nicht. Auf Nachfrage sagt sie nur, „das darf man sich sicher hier nicht als Geberkonferenz vorstellen“.