Hamburg. US-Präsident Trump gilt als Provokateur aus Leidenschaft. Beim G20-Gipfel gab er sich weltoffen und konziliant. Wie lange hält das an?
- Bei G20 zeigte sich Trump von einer anderen Seite
- Er inszenierte sich teilweise als großherzig und polterte nicht
- Bei einigen Themen verbreitete Trump aber auch harsche Töne
Donald Trump steht am Rednerpult eines Konferenzraums der Hamburger Messehallen. An diesem Sonnabendmorgen sieht er entspannt aus, seine Stimme klingt weich. Der US-Präsident preist einen vor Kurzem gestarteten Weltbank-Fonds zur Unterstützung von Unternehmerinnen in Entwicklungsländern. „Damit werden sich Millionen von Leben ändern, die Förderung von Frauen ist ein wichtiger Wert, der uns zusammen verbindet“, sagt er.
Eine Milliarde Dollar soll der Fonds bekommen, ein knappes Drittel davon wurde bereits eingesammelt. Die amerikanische Regierung beteilige sich mit 50 Millionen Dollar, wie Trump stolz hervorhebt. Tochter Ivanka, die im rosafarbenen Kleid mit auf der Bühne sitzt, lächelt. Sie hat sich für den Weltbank-Fonds starkgemacht.
Die Gipfelteilnehmer wollten Trump einbinden
Die ehemalige Geschäftsfrau, seit März offizielle Beraterin des Präsidenten, ist auf dem G20-Gipfel so etwas wie Trumps diplomatische Geheimwaffe. Zweimal vertritt sie ihren kurzzeitig abwesenden Vater in der Runde des Staats- und Regierungschefs, ergreift aber nicht das Wort. Eine russische Diplomatin hat ein entsprechendes Foto auf Twitter gestellt.
Die stärksten Bilder vom G20-Gipfel 2017
Neben Ivanka verliert Trump seine scharfen Kanten. Die Aura des Polarisierers verschwindet. Bei der Weltbank-Veranstaltung erscheint er als der Gütige, der Mann mit einem großen Herz. Er genießt den Auftritt offenbar ebenso wie die Rolle des weltoffenen Staatsmanns. An den zwei Tagen des G20-Gipfels der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in Hamburg sieht die Öffentlichkeit einen neuen, einen anderen Trump. Daran ändern auch die US-Sonderposition bei der Klimafrage und die harten Diskussionen über den Welthandel nichts.
Macron neben Trump in der Elbphilharmonie
Bereits am Donnerstagabend begrüßt er Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem Hamburger Hotel „Atlantic“. Beide lächeln, Handschlag inklusive. Kein Vergleich zur Abblitz-Aktion am 17. März im Weißen Haus, als er Merkel die kalte Schulter zeigt und den „handshake“ verweigert. Beim anschließenden Austausch mit der Kanzlerin sei Trump „sehr konstruktiv“ gewesen, sagt einer, der es wissen muss. Er habe versprochen, am Erfolg des G20-Gipfels mitzuwirken. An den folgenden Tagen sucht der Präsident immer wieder den Kontakt zur Kanzlerin. Auch den übrigen Staats- und Regierungschefs nähert er sich, beginnt das Gespräch.
Die europäischen Gipfelteilnehmer haben sich vorgenommen, Trump einzubinden, wenn nötig einzufangen. Als sich der Chef des Weißen Hauses beim Familienfoto am Freitag ganz links außen positioniert, kommt der französische Präsident Emmanuel Macron und stellt sich links neben ihn. Diplomatischer Flankenschutz à la française. Beim Konzert in der Elbphilharmonie am Freitagabend sitzt Macron neben Trump. Immer wieder wendet er sich dem Amerikaner zu, redet mit ihm. Es ist der Versuch, einen persönlichen Draht aufzubauen. Am 14. Juli kommt der US-Präsident zum französischen Nationalfeiertag nach Paris.
Trump packt die Verbalkeule aus
Auch der russische Präsident Wladimir Putin bekommt Trumps Charmeoffensive zu spüren. Beim ersten persönlichen Gespräch am Freitagnachmittag geht Trump auf den Kremlchef zu, streckt ihm zweimal die Hand entgegen. Der Russe schlägt sofort ein. Später sitzen die beiden auf weißen Sesseln. Trump beugt sich immer wieder zu Putin hinüber. Die zwei Alphatiere der Weltpolitik auf Turtel-Kurs. „Sie haben schnell eine sehr gute Chemie entwickelt“, sagt US-Außenminister Rex Tillerson, der bei der mehr als zweistündigen Unterredung dabei war.
Trump ist an den zwei Hamburger Gipfeltagen der große Verwandlungskünstler. Der alte Trump mit Polter-Ausfällen, Lust an der Provokation und eruptiven Gefühlsausbrüchen ist in der Hansestadt nicht zu sehen. Samthandschuh statt Boxhandschuh. Einer, der immer wieder mit ihm zu tun hat, sagt es so: „Trump hat zwei Gesichter. Er kann bei Gesprächen auf internationaler Bühne sehr gut zuhören und ist geduldig. Aber er ist auch dazu fähig, mit ‚America First‘-Positionen auf den Putz zu hauen. Das kommt beim heimischen Publikum gut an, vor allem bei seinen Wählern.“
Und manchmal macht er beides zu gleicher Zeit. Während er sich in Hamburg um atmosphärische Gipfel-Harmonie bemüht, packt er am Freitag in einer in den USA veröffentlichten Videobotschaft die Verbalkeule aus. Die Tage, an denen sich die Welt „auf Kosten Amerikas“ bereichern konnte, seien vorbei, wettert er. Eine indirekte Warnung, dass Trump weiter Front gegen das Handelsbilanzdefizit seines Landes machen könnte – und sei es mit Schutzzöllen.
Harsche Töne gegenüber Nordkorea
Auch bei seinem Abstecher nach Warschau am Donnerstag fällt der Präsident wieder in den Attacke-Stil zurück. In einer Rede nahe dem Denkmal des Warschauer Aufstandes gegen die Nationalsozialisten wirft er Russland „destabilisierendes Verhalten“ in der Ukraine, in Syrien und im Iran vor.
Auch beim Nordkorea-Konflikt verbreitet Trump harsche Töne. Kurz vor dem Hamburger G20-Gipfel nimmt er Russland und China an die Kandare. Beide Länder müssten mehr Druck auf das Regime in Pjöngjang ausüben. Diktator Kim Jong-un hatte am 4. Juli, dem amerikanischen Nationalfeiertag, erfolgreich eine Interkontinentalrakete getestet. Gelänge es Nordkorea, Langstreckengeschosse mit Atomsprengköpfen zu bestücken, wären auch die USA bedroht. Trump hatte bereits „harte Maßnahmen“ angekündigt. Am Sonnabend fliegen zwei amerikanische Langstreckenbomber zusammen mit südkoreanischen Kampfjets Manöver nahe der Grenze zu Nordkorea. Die Flugzeuge hätten einen Angriff auf nordkoreanische Ziele simuliert, heiß es in Verteidigungskreisen in Seoul.
Trump pflegt den politischen Chamäleon-Stil
All dies sind Anzeichen, dass Trump in der Außenpolitik einen Paradigmenwechsel vorgenommen hat. Im US-Wahlkampf hatte er einen Rückzug seines Landes aus den weltweiten Krisengebieten versprochen. Nach Nordkorea will sich der Präsident auch wieder in Syrien und der Ukraine engagieren. Beim Gespräch mit Putin in Hamburg vereinbart er eine Waffenruhe für Südwestsyrien, an der auch Jordanien beteiligt werden soll. Für die Ukraine, die bei ihm bislang keine große Rolle gespielt hat, hat er einen Sondergesandten ernannt. Damit bekommt das bisher federführende Normandie-Format von Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine ein diplomatisches Parallel-Gremium der Großmächte.
Trump, das lässt sich nach dem Hamburger G20-Gipfel sagen, kann sowohl ganz weich als auch ganz hart auftreten. Er pflegt einen politischen Chamäleon-Stil – je nachdem, was ihm nützt. Das scheint auch Kanzlerin Merkel zu ahnen. Skepsis schwingt mit, als sie am Nachmittag die Rolle des Amerikaners mit den Worten kommentiert: „In einigen Bereichen gab es recht gute Ergebnisse. Ob das morgen oder übermorgen noch gilt, kann ich nicht abschätzen.“