Hamburg. Bibi, Nela und Cass kommen aus Dänemark und Tschechien. Was der Tierpark mit ihnen vorhat und womit sie Gäste bezaubern werden.

Die Köpfe mit den gedrehten Hörnern sind stolz erhoben, die Augen wimpernverhangen: Neugierig blicken die Elenantilopen Nele und Cass den Besuchern entgegen. Bibi traut sich sogar nach vorne ans Gitter, sie ist auch schon seit vier Wochen im Tierpark Hagenbeck. Nela und Cass, der einzige Bulle unter den Neulingen, erst seit einer Woche.

Mit den drei Elenantilopen, die sich derzeit in einem Stall an ihre neue Umgebung gewöhnen, hat der Tierpark in Hamburg-Stellingen eine Tierart mehr. Und – wenn alles klappt – im kommenden Jahr auch Nachwuchs. Denn Hagenbeck will mit den eleganten Huftieren, deren Vorkommen in Afrika durch Jagd und Flächenschwund bedroht ist, eine Zucht beginnen.

Tierpark Hagenbeck: Bibi, Nela und Cass bereichern Hamburg

Noch sind die Tiere dafür zu jung. Nela und Cass wurden vor gut zwei Jahren im Safari Park von Dvur Kralove geboren, Bibi 2022 im dänischen Ebeltoft. „Elenantilopen gab es früher auch bei uns. Aber im Zuge von Umstrukturierungen und Gehegezusammenlegungen wurde unsere Herde in den 1990er-Jahren abgegeben“, sagt Hagenbeck-Tierarzt Michael Flügger.

Cass (hinten) und Nela: Die beiden Elenantilopen sind vergangene Woche aus dem tschechischen Safari Park Dvur Kralove in den Tierpark Hagenbeck gekommen.
Cass (hinten) und Nela: Die beiden Elenantilopen sind vergangene Woche aus dem tschechischen Safari Park Dvur Kralove in den Tierpark Hagenbeck gekommen. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES | Thorsten Ahlf

Die Tiere seien wegen ihres hübschen Äußeren und ihres angenehmen Wesens aber „schmerzlich vermisst“ worden. Tatsächlich wirken die drei Antilopen sehr entspannt – und auch bei Nela und Cass kann das nicht mehr an dem leichten Beruhigungsmittel liegen, das allen Tieren bei ihrer Umsiedelung verabreicht wird und ein paar Tage wirkt.

Zur Eingewöhnung stehen die neuen Antilopen noch im Stall

Momentan stehen die drei im Stall – in Boxen, die durch von außen bedienbare Schiebetüren getrennt sind. Da Nela und Cass zusammen aufgewachsen sind, hatte man bei ihnen die Tür offen gelassen. Das funktionierte die ersten Tage auch gut. Doch dann war Cass, der vom Alter her quasi in der Pubertät steckt, etwas grob zu Nela geworden.

Dr. Michael Flügger, hier vor den Humboldt-Pinguinen im Eismeer, arbeitet seit 30 Jahren als Tierarzt bei Hagenbeck.
Dr. Michael Flügger, hier vor den Humboldt-Pinguinen im Eismeer, arbeitet seit 30 Jahren als Tierarzt bei Hagenbeck. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES | Thorsten Ahlf

Daher hatte Tierpflegerin Melanie Gradetzke die beiden über Nacht getrennt. Jetzt soll der Tierarzt entscheiden, ob sie wieder zusammenkommen dürfen. „Mach ruhig auf“, sagt er. Sobald sich die Tür öffnet, begrüßen Cass und Nela sich freudig.

„Antilopenhörner sind spitz und können tiefe Wunden hinterlassen“

Fast könnte man meinen, dass – ähnlich wie bei heranwachsenden Menschen – hier eine konsequente Maßnahme Wirkung zeigt; auch wenn sie natürlich nicht pädagogischer Art war, sondern Nelas Schutz diente. „Antilopenhörner sind spitz, die können tiefe Wunden hinterlassen“, sagt Gradetzke.

Sie werde heute „mindestens zehnmal“ nach den Antilopen gucken, sagt die Tierpflegerin, die neben den Antilopen auch für Kudus, Impalas, den Flachlandtapir, die Kuba- und Chileflamingos und die Onagas, eine Wildeselart, zuständig ist.

Tierpark Hagenbeck: Neue Antilopen kommen ins Giraffengehege

Zu fressen bekommen Bibi, Nela und Cass Gras, Heu und Zweige mit Blättern. „Das, was sie auch in ihrer natürlichen Umgebung fressen würden“, so der Tierarzt. Zusätzlich gebe es festes Gemüse wie Möhren oder Rote Bete, und spezielle Antilopen-Pellets mit Vitaminen, Mineralstoffen und Eiweiß.

Nela, ein zweijähriges Elenantilopenweibchen, ist vor wenigen Tagen aus dem tschechischen Safari Park Dvur Kralove in den Tierpark Hagenbeck gekommen.
Nela, ein zweijähriges Elenantilopenweibchen, ist vor wenigen Tagen aus dem tschechischen Safari Park Dvur Kralove in den Tierpark Hagenbeck gekommen. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES | Thorsten Ahlf

Wenn sich die Tiere endgültig an ihre neue Umgebung gewöhnt haben, dürfen sie den Stall verlassen. Sie sollen erst einmal ins derzeit verwaiste Giraffengehege kommen. Fünf bis sechs Elenantilopen sollen sich dort einmal tummeln, sagt Flügger. „So groß muss eine Gruppe schon sein, um dem Wesen dieser Herdentiere gerecht zu werden.“

Tiere zu zeigen ist wichtig für Naturverständnis junger Menschen

Anders als beispielsweise die Zucht von Eisbären und Onagas wurde die der Elenantilopen dem Hamburger Tierpark nicht vom Europäischen Erhaltungszuchtprogramm ans Herz gelegt. Es sei eine gemeinsame Idee von Geschäftsführer Dirk Albrecht, dem zoologischen Leiter Guido Westhoff, Tierärztin Adriane Prahl und ihm gewesen, so Flügger.

Um Bibi, Nela und Cass nicht weiter zu stören, sprechen wir draußen weiter. Bei der Frage, warum Tierparks züchten, weist der Tierarzt auf Kinder, die gerade begeistert vor den Pinguinfelsen stehen. „Tiere zu zeigen, ist wichtig für das Naturverständnis junger Menschen. Sie können sich sonst keine Vorstellung von der wirklichen Größe eines Elefanten oder eines Pinguins machen oder hören, wie laut Löwengebrüll tatsächlich ist.“

Tierpark Hagenbeck ist mit Elenantilopen um eine Tierart reicher

Ein mindestens ebenso wichtiger Punkt sei aber der Artenschutz. „Wir Zoos versuchen, für viele Tierarten Reservepopulationen zu erhalten. Der Bestand der Elenantilopen in Süd-, West- und Zentralafrika etwa schrumpft ständig, weil der Mensch den Tieren Lebensraum und damit Nahrung nimmt und sie jagt, um sie zu essen.“

Auf die Tiere aufzupassen, sei die wichtigste Aufgabe eines Zoos, betont der Tierarzt, der seit 30 Jahren im Tierpark Hagenbeck arbeitet. Und fügt hinzu: „Aber es muss natürlich gut gemacht werden.“