Das Lieblingsmenü des Abendblatts wird auch im Restaurant Piazza Romana serviert. Küchendirektor komponiert die Speisen wie ein großes Musikstück.

Hamburg. Zartes Weiß und beigefarbene Töne an den Wänden, grüne Pflanzen und romanische Bögen wie in einer südländischen Kirche. Mediterran und fein soll das italienische Restaurant Piazza Romana wirken. Es ist das gastronomische Flaggschiff mit 110 Plätzen von Steakhauskönig Eugen Block. Mit vier weiteren Restaurants bildet es eine Art kulinarische Kathedrale im Grand Elysée Hotel an der Rothenbaumchaussee - zusammen ergibt das ein Großunternehmen, denn die 50 Köche, die dort arbeiten, schaffen einen Umsatz, der dem des Hotels entspricht.

Die Piazza Romana stellen wir als fünftes Restaurant unserer Aktion "Lieblingsmenü" vor. Zuvor haben wir Heinz Wehmann mit seinem Landhaus Scherrer, Nicolas Trautz vom Restaurant Oberon auf der Uhlenhorst, das Atlantic-Restaurant an der Alster mit Thomas Wilken und das Vlet mit Thomas Sampl präsentiert. Die Piazza Romana kann man im Oktober buchen.

Die Idee des Lieblingsmenüs: Für den Festpreis von 59,50 Euro kommen Leser in den Genuss eines Fünf-Gänge-Menüs. Zu jedem Gang gibt es einen korrespondierenden Wein. Mineralwasser und eine Kaffeespezialität sind auch im Preis inbegriffen.

Chef der 50-köpfigen Kochtruppe im Grand Elysée ist Peter Sikorra, der ein herbstliches Lieblingsmenü wie ein Musikstück komponiert hat: Mit kräftigen Duftnoten auf der einen Seite, gefolgt von zart-zurückhaltenden Tönen, edlen Zutaten, rustikalen Teilen und auch ein bisschen Theaterdonner. Auf dem Tisch stehen zum Naschen dicke, zarte und grüne Oliven in einer Menagerie zusammen mit Butter und Olivenöl; dazu gibt es ein Ciabatta, ein Weizensauerteigbrot mit schwarzen Oliven. Das ligurische Olivenöl Portus Delphini aus Taggiasch-Oliven hat es dem Küchendirektor Peter Sikorra - so die offizielle Bezeichnung - angetan. "Das ist im Geschmack sehr fein und einfach ein ganz großes Öl, das einigen Speisen nicht nur einen besonderen Kick gibt, sondern diese krönt."

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Die Gruppe der Testesser, die sich jetzt Ende Juni im Piazza Romana eingefunden hat, bestätigt dies (und nascht). Passend zur mediterran inspirierten Küche kommen fast alle Weine aus Bella Italia. Nur beim Dessert gibt es einen Abstecher nach Südfrankreich.

Peter Sikorra ist "ein Verrückter", wie er selber sagt. "Und genauso verrückt wie Eugen Block, denn der ist in erster Linie ein Vollblutgastronom." Ein Kochverrückter, immer dünn wie ein Hering, der täglich außer am Sonntag zwölf Stunden arbeitet, dabei durch die fünf Restaurants tourt, das (erfolgreiche) Bankettgeschäft im Auge behält, und überhaupt immer alles im Blick hat. Seit immerhin acht Jahren macht er das unter dem Oberperfektionisten Eugen Block. Die Arbeit im Grand Elysée sei für ihn wie "eine Spielwiese". Sikorra: "Ich kann mit Herz kochen und einkaufen, was ich will." Zahlen würden nicht interessieren. Sikorra: "Mich interessiert nur die volle Gastronomie."

Seine Kochphilosphie sei einfach: "Wir machen ehrliche und klare Teller, nichts Versponnes. Alles ist wieder erkennbar für jeden Gast." Essen als Glaubensbekenntnis? "Ja, vielleicht, denn wir glauben an Rezepte." Am Herd steht Sikorra nur, "wenn es brennt", also wenn bei Großveranstaltungen die normale Küche daneben auf Hochtouren weiterläuft. Sikorra selbst isst sportlich mit einem Frischkornbrei morgens, sonst viel Obst und zwischendurch Tomaten auf Schwarzbrot mit "dick" Butter, und er kocht zu Hause für seine Familie gern einfache Gerichte wie Eintöpfe. Einfach sieht auch der erste Gang aus, ist aber hoch kompliziert in der Zubereitung: "Kleine Kartoffelsuppe mit Majoran und ligurischem Olivenöl am Tisch angegossen."

Serviert wird ein tiefer Teller mit einer samtig-sämigen Kartoffelessenz, die kräftig nach deutscher Heimat, Großmutters Küche, Eintopf und Sonntagsgemütlichkeit duftet.

Einzige Einlage sind frische Majoranblätter, deren starke Note sich perfekt mit dem Duft von Kartoffeln und Räucherschinken verbindet. Bei der Erklärung, die Sikorra über die langwierige Herstellung gibt, denkt man unwillkürlich an die vielen Köche, die einem in der heimischen Küche fehlen und mit Freude passieren, reduzieren und Köchelndes nie aus dem Auge lassen. Wichtiger: "Wir haben uns trotz der sommerlichen Temperaturen draußen in den herbstlichen Oktober zu versetzen, denn erst im Oktober läuft das Lieblingsmenü bei uns", sagt Sikorra. Die Suppe begeistert.

Der Clou ist jedoch das vom Service bei Tisch an die Suppe gegossene ligurische Olivenöl, das den Klassiker ins Mediterrane zieht. Die Urteile reichen von sehr gut bis perfekt. Gerd Rindchen lobt die Suppe als "gemüsig" und "nicht kartoffelig" und probiert das Öl auch ohne Suppe auf einem Löffel. Andere Testesser machen es ihm nach. Dazu gibt es einen 2011er Verdicchio di Matelica DOC Vigneto del Cerro. Die leicht nussigen Aromen dieses Weins, der zu den besten Weißweinen Mittelitaliens zählt, harmonieren vorzüglich mit der Kartoffelsuppe. Durch seine Kraft und Komplexität vermag er auch die Würzigkeit des Majorans und die feine Herbe des Olivenöls souverän zu unterfangen.

Der folgende Gang erscheint auf einem langen, rechteckigen Teller: "Rohmarinierter Steinbutt mit Artischocken-Pfeffervinaigrette und Avocado." Sieht unspektakulär aus, ist aber raffiniert. Und die bunte Schar der Testesser, die sich bei vergangenen Verköstigungen lange (und laute) Diskurs-Schlachten über Schnecken oder Rinderbäckchen (und die Frage, ob das wirklich alle Lieblingsmenü-Gäste mögen) lieferte, beißt genüsslich in Scheibchen von rohem Fisch! Roher Fisch - undenkbar in Großmutters Küche, die nie ans Mittelmeer reiste ...

Der Steinbutt erinnert in seiner Konsistenz an Graved Lachs. Ist er wirklich roh? "Ja und nein", sagt Sikorra, "wichtig ist, dass die Scheiben erst unmittelbar vor dem Servieren hauchdünn geschnitten werden. So ist er roh. Die Säure der Vinaigrette verändert dann die Konsistenz ähnlich wie beim Garen. Aber nur ein wenig!" Dazu gibt es Kressespitzen mit Artischockenwürfelchen auf den Fischscheiben und daneben ein Mousse von Avocado.

Die Schärfe von Kresse und die Deftigkeit der Artischocken heben den zarten Eigengeschmack des Steinbutts. Die beiden nussig-zarten Avocado-Bällchen runden alles ab. Gerd Rindchen, der Mann, dem nicht nur Wein, sondern auch Lyrisches so flüssig über die Lippen geht, findet den Fischgang "wohlig". Recht hat er. Und er sucht einen 2011er Sauvignon Grave del Friuli DOC "Pradío" aus. "Dieser strahlende, brillante Sauvignon offenbart Mineralität pur", erklärt der Weinhändler. Durch seine Brillanz und Länge im Abgang bilde er den kongenialen Gegenpart zum roh marinierten Steinbutt und eine ungemein lebendige Kombination.

Der Zwischengang wird spannend. Und später zum erklärten Liebling aller Italien-Fans am Tisch. Auf dem Teller wirkt der Gang noch simpel: Nudeln mit Tomaten. Wie Sättigungsbeilage. Doch der Name klingt verführerisch: "Linguine mit Bottarga di Muggine." Linguine sind flache Spaghetti. Das zweite ist luftgetrockneter Meeräschenrogen. Peter Sikorra: "Das ist ein Klassiker der sardischen Küche, heute so teuer wie Trüffel, und er passt zur Pasta in Perfektion", sagt er. "Bei dem Duft meint man sofort, in einem kleinen Hafen am Mittelmeer zu stehen."

Wohlig lehnen sich die Mitglieder der Testmannschaft zurück, während der Service den hart getrockneten Rogen über die Linguine raspelt. Keiner versäumt es, um ein zweites Rogen-Raspeln zu bitten.

Gerd Rindchen ist kaum zu bremsen: "Der Bottarga di Muggine hat etwas, das keine andere Speise hat, nämlich: nussige Salzigkeit." Und er schwärmt: "Ich habe sofort eine Weinidee": 2009 Soave Classico DOC "Staforte" Graziano Pra.Rindchen: "Starwinzer Graziano Pra hat sein weißes Meisterstück Staforte, das heißt bleib stark, genannt. Durch seine opulente Fülle und die reife, harmonische Eleganz bindet er die salzig-pikanten Elemente des Pastaganges wunderbar ein.

Der Hauptgang kommt nach Art von Eugen Block daher - als ordentliche Portion: Scaloppine vom Biokalbsfilet mit geschmorten Berglinsen in Balsamico und Salbeigemüse. Scaloppine sind dünne, kurz gebratene Fleischscheiben. Eine italienische Spezialität, die mächtig deutsch erscheint. Ohne Schnickschnack und von der Art Speisen, die man sofort als sein Lieblingessen deklarieren will, wenn man's ordentlich deftig mag. Aber schließlich sind wir ja eigentlich im Oktober, einem Monat für deftiges Essen.

Ohne Ankündigung werden noch frische Pellkartoffeln gereicht. Großmutter wäre schwer beeindruckt von der Gradlinigkeit der Kombination (und deren Sättigungskraft). Das Salbeigemüse ist wieder perfekt. Rindchen schwärmt von den Saubohnen darunter ("kriegt keiner so hin"). Die Linsen schweben zwischen süß und sauer.

Der herzhafte und würzige 2011er Refosco Grave del Friuli DOC ist ein echter Sommerrotwein, der auch am Grill eine gute Figur abgeben würde. Rindchen: "Dank seiner herrlichen Trinkigkeit und der nur sanften Tannine umfängt er wohlig Biokalb und Linsen." Der Nachtisch ist tadellos und die Teller danach sauber gekratzt: Lauwarmer Schokoladenkuchen "medium" mit eingelegten Zwetschgen und Vanillerahmeis". Gerd Rindchen schafft gerade noch ein "das ist nicht zu toppen". Die Idee zu einem Nachschlag, den einige der Tester beim Nachtisch sonst gern nehmen (um ihr Urteil abzusichern), kommt keinem. Der rote Wein kommt aus Frankreich: 2010 Banyuls AC "Mas Cornet" und scheint sein Leben nur auf diesen Schokoladenkuchen gewartet zu haben - so hingebungsvoll verbindet er sich mit ihm im Gaumen.