Vorläufiger Höhepunkt des Familienstreits: Geschäftsführer will Tierpark-Senior auf juristischem Wege entmachten.

Hamburg. Eigentlich hätten in Hagenbecks Tierpark den ganzen Freitag über die Korken knallen müssen - hatte doch eines der zwei erwarteten Elefantenkälber am frühen Morgen das Licht der Welt erblickt. 663 Tage war Lai Sinh trächtig, bevor sie den noch namenlosen, gerade einmal ein Meter großen Elefantenjungen gebar. Für den späten Vormittag hatte der Tierpark spontan zum Fototermin geladen, um stolz das 100-Kilo-Baby vorzustellen. Eine Sternstunde für Hamburgs traditionsreichen Zoo. Eigentlich.

Doch nicht einmal drei Stunden später kam Hagenbeck wieder in der Wirklichkeit an. Und die ist bitter zurzeit. Im Hamburger Ziviljustizgebäude, Saal B 150, fand der seit Monaten tobende Streit der zwei Familienstämme einen vorläufigen juristischen Höhepunkt - es wurde nicht weniger verhandelt als die Entmachtung von Seniorchef Claus Hagenbeck.

Die Vorgeschichte: Erst vor rund drei Wochen hatte der 70-Jährige völlig überraschend bekannt gegeben, dass er in allen Hagenbeck-Gesellschaften wieder für seinen Familienzweig die Geschäftsführung von seinem Schwiegersohn Stephan Hering-Hagenbeck übernommen hat. Damit hatte sich der Senior nach seinem Ausscheiden 2004 wieder auf den Chefsessel katapultiert, den er sich satzungsgemäß mit dem zweiten Geschäftsführer Joachim Weinlig-Hagenbeck teilt. Nun ist es zum erneuten Eklat gekommen. Im Namen von sieben Hagenbeck-Gesellschaften beantragt Joachim Weinlig-Hagenbeck den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel, den Seniorchef abzulösen. Die spannende Frage: Sieht das Gericht einen wichtigen Grund - etwa eine grobe Pflichtverletzung -, die seine Demission rechtfertigen könnte? Eine Entscheidung in der Sache soll am kommenden Freitag verkündet werden.

+++ Hagenbeck: Senior-Chef greift wieder ein +++

+++ Elefanten-Baby erblickt bei Hagenbeck das Licht der Welt +++

Der Rechtsstreit ist der vorläufige Höhepunkt des tiefen Zerwürfnisses zwischen den Chefs der auf die Söhne des Hagenbeck-Gründers zurückgehenden zwei Familienzweige. Beide Stämme stellen je einen Geschäftsführer, und sie entscheiden gleichberechtigt über die Geschicke des Tierparks. Im Gegensatz zu Weinlig-Hagenbeck fehlte der beklagte Seniorchef aber beim gestrigen Verhandlungstermin - sehr zum Bedauern von Richter Karsten Nevermann.

Die Anwälte der beiden Parteien lieferten sich einen erbitterten Schlagabtausch. Claus Hagenbeck habe stets erklärt, er werde sich komplett aus dem Geschäft zurückziehen, und nun drehe er alles komplett um, sagte Andreas Rittstieg, Anwalt von Joachim Weinlig-Hagenbeck. Mit dem Versuch, Claus Hagenbeck aus dem Amt zu drängen, wolle sich Weinlig-Hagenbeck nur die "Alleinherrschaft" über das Unternehmen sichern, konterte die Beklagtenseite. Ein Vorwurf, den Mitgesellschafter Weinlig-Hagenbeck dann selbst als "kompletten Unfug" zurückwies. Vielmehr schade der Senior mit seiner Rückkehr in die Chefetage der Firma, er fühle sich "regelrecht in die Zange genommen". "Wie soll eine Firma laufen, wenn die Geschäftsführung seit Monaten nicht miteinander spricht", sagte Weinlig-Hagenbeck. Was zur Folge habe, dass wegen "unterschiedlicher Anweisungen" und Kündigungsdrohungen vor allem bei den Mitarbeitern ein "Klima der Angst" und "Sorge um Arbeitsplätze" herrsche. So verfahren sei die Situation, dass das Unternehmen gelähmt und eine Zusammenarbeit der Doppelspitze faktisch nicht existent sei - zumal Stephan Hering-Hagenbeck, der noch im operativen Geschäft tätig sei, ohnehin nur Instruktionen seines Schwiegervaters befolge.

Zwischen den beiden geschäftsführenden Gesellschaftern war erst im November ein heftiger Streit entbrannt. Öffentlich hatte Claus Hagenbeck seinem Mitgesellschafter schwere Fehler vorgeworfen. Dabei geht es um einen städtebaulichen Vertrag. 1996 hatte die Stadt dem Tierpark zwei Millionen Euro vorgestreckt, diese Summe fordert sie nun zurück. Doch während Weinlig-Hagenbeck den Standpunkt vertrat, der Tierpark müsse nicht zahlen, weil sich diese Verpflichtung auf einen alten Vertrag bezöge, der überdies nicht umgesetzt worden sei, widersprach Claus Hagenbeck energisch: Das Gebaren des Co-Chefs könne dem Tierpark nur schweren Schaden zufügen, deshalb wolle er, Claus, zahlen.

"Je länger der Konflikt nicht gelöst ist, desto schwieriger wird eine Übereinkunft mit der Stadt", sagte am Freitag Richter Karsten Nevermann. Die Situation erinnere ihn "an ein Ehepaar, das sich scheiden lässt und sein Haus verkaufen will". Dabei sei eine rasche Lösung im Interesse aller Beteiligten. Jedoch dürfe die Chance auf eine großzügige Regelung der Millionen-Rückzahlung seitens der Stadt mit fortschreitender Zeit unwahrscheinlicher werden. Man hänge vom "Goodwill der Stadt" ab, sagte auch Weinlig-Hagenbecks Anwalt Andreas Rittstieg.

Inzwischen ist klar, warum Claus Hagenbeck an die Spitze des Unternehmens zurückgekehrt ist: Er wolle alle Ungereimtheiten und Fragen im Zusammenhang mit dem städtebaulichen Vertrag von 1996 aufklären, so seine Anwälte. Nur als Chef habe er uneingeschränkten Zugriff auf alle Informationen.

Den auch vom Gericht begrüßten Vorschlag, man könne Claus Hagenbeck für eine Wiedereinsetzung seines Vorgängers Hering-Hagenbeck einen vollen Zugriff auf alle Informationen einräumen, lehnten dessen Anwälte ab - genauso wie eine Mediation. "Eine Vermittlung hat keinen Zweck, er will jetzt aufklären. Und er klärt auf." Verhärteter könnten die Fronten kaum sein.