Das Projekt “Blue Port“ von Michael Batz taucht Hamburgs Hafen im August ganz in Blau. 7500 Beleuchtungskörper werden dafür installiert.

Hamburg. Auf dem Dach ist es windig. Acht Stockwerke plus Bo- denraum, sagt der Haus- meister, der in einem di- cken Mantel neben der Dachluke steht. Das sind zirka 25 Meter Höhe über dem Fischmarkt und der Großen Elbstraße. Käme die "Queen Mary 2" vorbei, wären wir auf Augenhöhe mit dem Kapitän. Über uns ziehen im letzten Abendlicht dunkelgraue Wolkenfetzen nach Osten. Es ist halb zehn. "Dann mal los", sagt Sascha Hamann zu seinen Jungs.

An der Ecke des Dachs ragt ein kleiner Turm über den Fischmarkt, auf dessen Spitze kein Wetterhahn, sondern ein Fisch prangt, ein Butt verziert mit talergroßen, goldfarbenen Punkten. Seinetwegen sind sie hier, die Männer der HG-Technik, die das neue "Blue Port"-Projekt des Lichtkünstlers Michael Batz umsetzen. Vom 13. bis 19. August werden mehr als 100 Gebäude, Kirchen, Schiffe, Brücken und Kräne im Hamburger Hafen blau illuminiert sein - von den Elbbrücken im Osten bis zum Augustinum in Neumühlen im Norden und dem Containerterminal Tollerort auf der Südseite der Elbe. Das sind mehr als 100 "Baustellen", auf denen die Teams von HG-Technik in luftigen Höhen blaue Leuchtstoffröhren anbringen oder vorhandene Lichtquellen mit blauer Farbfolie verkleiden. Heute sind die acht Strahler auf dem kleinen Fischmarkt-Turm dran. Normalerweise tauchen sie den Butt nachts von unten in warmes Gelb - während des "Blue Port" wird der Butt blau.

Der Turm ist begehbar, auch eine elektrische Leitung für die Scheinwerfer ist schon vorhanden. Das Problem steckt woanders. Sascha Hamann wickelt die Folie über die Scheinwerfer und schimpft: "Mist, das hält nicht." Er muss die Folie mit einem Alu-Kleber befestigen und sichert sie noch mit Kabelbindern. Sonst löst sie sich womöglich, und der Butt würde irgendwie scheckig leuchten.

+++ Lichtkünstler illuminiert die Köhlbrandbrücke +++

+++ Der Blau-Macher +++

Hamanns Mitarbeiter Basti, Kai und Christian, baumlange, braun gebrannte Kerle in Shorts, scheint der nasse Wind nichts auszumachen. Sie haben zehn 1,5 Meter lange Leuchtstoffröhren und Alpinistenzeug durch die Luke gewuchtet. In Kletterwesten steigen Hamann und Kai ins Turmgestänge, mit Seilen gesichert, und bestücken die Spitze direkt unter dem Butt zusätzlich mit blauen Röhren.

Insgesamt 7500 "Beleuchtungskörper" müssen sie für "Blue Port" in diesem Jahr anbringen, bei Wind und Wetter und immer wieder in schwindelnder Höhe. Allein auf der Köhlbrandbrücke haben sie 500 Röhren angebracht. "Es gibt Tage, da verlegen wir 1000, an anderen schaffen wir gerade 20", sagt Hamann, je nach Schwierigkeitsgrad. Wie aufs Stichwort schlägt es von der St.-Pauli-Kirche 10 Uhr - auch deren komplizierten Turm haben sie bezwungen. Zu Fuß erreichbar ist nur die oberste Steinplattform mit vier Ziertürmchen, auf der sich die Turmspitze erhebt. "Der Rand um die Spitze ist gerade mal 20 Zentimeter breit", sagt Hamann. Die Lifeline dort oben mussten sie vor der Arbeit erst selbst verlegen, gesichert wie beim Bergsteigen. Für vier Leuchtstoffröhren brauchten sie sechs Stunden, ebenso viele wie fürs Dach des Musical-Zelts, das bei den Hamburgern immer noch "König-der-Löwen-Zelt" heißt. Auf dem Michel-Turm war es etwas einfacher: Eine Wendeltreppe führt in die Kuppel über der Aussichtsplattform; blau erleuchtet werden die kleinen Gucklöcher der Kuppel und die Wendeltreppe selbst.

Gegenüber bei Blohm + Voss werden sechs bis acht der großen Kräne blau leuchten, ebenso die dazugehörige Brücke, 54 Meter hoch. Die bisher höchste Baustelle, sagt Hamann, war die Spitze des Hanseatic Trade Centers in 105 Meter Höhe. "Aber oben auf der Elbphilharmonie werden es noch ein paar Meter mehr" - nämlich 110 Meter.

Schon 2008 und 2010 haben sie blaue Lichter für Batz' Aktionen gezaubert. Aber dieser sogenannte Sommer erhöht die Anforderungen - wegen des unbeständigen Wetters, das immer mal wieder zu Arbeitsunterbrechungen zwingt. Deshalb bewegen sich die Kosten des Projekts zwischen 300 000 und 350 000 Euro, sagt Michael Batz. Rund 200 000 Euro muss er noch einwerben, trotz Spende des Hauptsponsors Hamburg Marketing GmbH. "So ein Lichtkunstwerk", sagt er, "gibt es sonst nirgendwo."

Schwindelfrei müssen sie schon sein, die 22 Mitarbeiter von HG-Technik. In Hamanns Truppe, die ihr Containerlager neben dem "Strand Pauli" aufgeschlagen hat, sind verschiedene Berufe zusammengewürfelt. Ein Elektromeister etwa berechnet die Stärke der Kabel, die zu den Lichtquellen führen, und wie die Schaltkreise aussehen müssen. Allein für die Beleuchtung der vier großen Kräne am Tollerort waren ein Kilometer Kabel nötig. Andere Mitarbeiter sind gelernte Industriekletterer und Fachkräfte für Veranstaltungstechnik. "Die meisten spezialisieren sich, die einen auf Höhenarbeiten, andere auf Licht oder Ton", sagt Hamann. Und wie kam er selbst zu diesem Job? "Na, erst machst du Disco, dann machst du Rock 'n' Roll in Wacken, und dann beleuchtest du 'ne ganze Stadt."

Inzwischen regnet es Bindfäden. Über die glitschige Leiter klettern wir zurück ins Dachgeschoss und quetschen uns mit Kabeln, Lifelines, Hilfsscheinwerfer und den Bergsteigerwesten in den Fahrstuhl. Unten auf dem Fischmarkt recken alle die Köpfe, als der Hausmeister die Dachstrahler anschaltet. Und bitte sehr: Der Butt leuchtet blau wie ein Karpfen.