Lohbrügge. Das Team des VfL Lohbrügge drohte schon zu zerbrechen, dann kam die Wende. Die dramatische Geschichte eines Fußball-Märchens.

Die Meisterschale hatte inzwischen jeder A-Jugendfußballer des VfL Lohbrügge mindestens einmal unter dem lautstarken Jubel seiner Teamkameraden in seinen Händen gehabt. Doch die Spieler von Coach Elvis Nikolic konnten einfach nicht genug davon bekommen, die Trophäe mit glänzenden Augen in Richtung Himmel zu strecken. Das letzte Saisonspiel in der U18-Oberliga hatten sie mit 1:0 beim Eimsbütteler TV II gewonnen, waren anschließend vom Hamburger Fußball-Verband für den Meistertitel und den damit verbundenen Aufstieg in die Regionalliga geehrt worden.

„Kommt noch einmal bitte kurz zu mir“, bat Nikolic seine überglücklichen Kicker. Dann stellte sich der 47-Jährige auf einen vor der Ersatzbank stehenden weißen Gartenstuhl und hielt eine emotionale Ansprache „Heute endet eine geile Reise“, begann Nikolic. „Wir hatten eine Vision. Und daraus ist ein Ziel geworden.“ Seine Spieler hatten sich Arm in Arm stehend in einem Mannschaftskreis um ihn gestellt. Dahinter lauschten die Eltern und Freundinnen der Kicker den Worten des Trainers.

VfL Lohbrügge: A-Jugend steigt auf – Trainer hält ganz emotionale Rede

Nikolic stand der Stolz über das Erreichte ins Gesicht geschrieben. „Andere Vereine habe Tracking-Systeme, Videokameras und, und, und. Wir haben nicht einmal einheitliche Trainingsanzüge. Aber wir haben uns. Wir sind mit Zusammenhalt, Herz und Leidenschaft Meister geworden“, sagte Nikolic und beendete seine Rede mit den Worten: „Ihr seid wundervolle Menschen.“

Multitalent: Kadere Toni Sitou (r.) war 2022 Hamburger Schülermeister im Weitsprung mit einer Weite von 5,43 Metern. Nun wurde er mit dem VfL Lohbrügge Oberliga-Meister im Fußball.
Multitalent: Kadere Toni Sitou (r.) war 2022 Hamburger Schülermeister im Weitsprung mit einer Weite von 5,43 Metern. Nun wurde er mit dem VfL Lohbrügge Oberliga-Meister im Fußball. © Hanno Bode | Hanno Bode

Dafür gab es viel Beifall und noch mehr innige Umarmungen von seinen Kickern, die mit dem Titelgewinn in Hamburgs höchster Spielklasse eine riesengroße Überraschung schafften. Denn nachdem der VfL im vergangenen Sommer nur wegen der schlechteren Tordifferenz im Vergleich mit dem SC Vorwärts-Wacker Billstedt den Regionalliga-Aufstieg verpasst hatte, war lange unklar, ob die Mannschaft überhaupt weiterbestehen würde. „Wir waren eigentlich am Ende. Aber wir haben die Spieler, die noch im Verein waren, plus einige von außen zusammengetrommelt. Da war es aber schon Ende Juni. Wir waren also wirklich sehr spät dran“, erinnert sich Nikolic.

Erst im 20. Spiel gab es die erste Niederlage für das Überraschungsteam

Umso überraschender war dann, dass die neu formierte Mannschaft von Sieg zu Sieg stürmte. Die Hinrunde beendete Lohbrügge verlustpunktfrei. Erst am 20. Spieltag kassierte der VfL die erste Niederlage. Bei der 2. A-Jugend von Vorwärts-Wacker Billstedt gab es eine 0:2-Pleite. Sie warf das Nikolic-Team nicht aus der Bahn. Bereits am 24. Spieltag stand der Titelgewinn nach einem 6:1-Erfolg bei Blau-Weiß 96 fest. Gegen die Schenefelder durchbrach der VfL auch die 100-Tore-Schallmauer. Am Saisonende schlugen bemerkenswerte 108 erzielte Treffer für den Meister zu Buche, der 22 Siege in 26 Partien feierte.

Klingt nach einem souveränen Durchmarsch. War es jedoch nicht, wie Nikolic verdeutlicht: „Wir waren auswärts fünfmal mit zwei Toren in Rückstand, haben aber trotzdem alles geholt. Das ist ein Resultat unserer Top-Mentalität. Wir haben immer bis zum Schluss dran geglaubt.“ Auch im sportlich bedeutungslosen Saisonfinale beim ETV zeigten die Lohbrügger noch einmal ihr großes Kämpferherz. Denn nach dem 1:0 durch Luca Zengeley (16.) wurde der VfL von den Hausherren stark unter Druck gesetzt. Bei Temperaturen um die 30 Grad war es keine Selbstverständlichkeit, dass sich die Nikolic-Mannschaft noch einmal so quälte. „Wir haben in der ganzen Saison eher mit altmodischen Methoden geglänzt: Kameradschaft, Zusammenhalt, Leidenschaft. Natürlich können wir auch kicken. Aber das war unsere größte Stärke“, resümierte der Coach stolz.

Nach dem Titelgewinn nimmt Coach Elvis Nikolic Abschied

Für den 47-Jährigen war es sein Abschiedsspiel als hauptverantwortlicher Trainer der A-Jugend. Er hat die Landesliga-Herren des VfL übernommen und gibt die U18, die nun zur U19 wird, in die Hände von Dimitrij Rikspun und Tommy Heuke. Beide zählten bereits in dieser Spielzeit zum Trainer-Team. Das Duo wird in der Regionalliga auf fast alle Akteure der Aufstiegsmannschaft zurückgreifen können. Es gibt bis dato lediglich drei feststehende Abgänge, von denen der von Thieß Mahnel am schwersten wiegt. Er wechselt in die U19 des FC St. Pauli. „Wir sind aber stolz darauf, dass man auch aus Lohbrügge nach oben kommen kann“, sagt Nikolic.

Adäquaten Ersatz für Mahnel und weitere Verstärkungen zu finden ist nun die Aufgabe der VfL-Verantwortlichen. Denn die Anforderungen an das Team wachsen durch den Aufstieg enorm, heißen die Gegner doch nun unter anderem Holstein Kiel, Eintracht Norderstedt und SV Eichede. „Es wird viel härter und viel temporeicher. Wir müssen erst einmal Punkte sammeln, uns dort akklimatisieren und dann schauen, was dabei rauskommt“, erklärt Nikolic.

VfL-Erfolgskonzept: Ein einheitliches Spielsystem von den Herren bis zur U18

Für den VfL wäre es von großer Bedeutung für seine neue strategische Ausrichtung, die U19 langfristig in der Regionalliga zu halten. Denn in Zukunft wird aus dem Herren-Team eine U23, die eng verzahnt sein soll mit dem älteren Jahrgang der A-Junioren sowie der U18. „Alle Mannschaften sollen dasselbe System spielen. Wir wollen da ganz eng zusammenarbeiten“, sagt Nikolic.

Der Grundstein für eine hohe Durchlässigkeit aus dem Jugend- in den Erwachsenenbereich ist durch den Regionalliga-Aufstieg der künftigen U19 gelegt. Dass die Meistermannschaft nicht nur auf dem Feld ausgezeichnet harmonierte, zeigte sich ein paar Stunden nach dem Saisonfinale beim ETV. Mit einem extra angemieteten Bus fuhr das Team vom Binnenfeldredder auf den Kiez. Dort wurde zunächst in einer US-Sportsbar gegessen, bevor es gemeinsam in einen Club zum Tanzen ging.