Ochsenwerder. Über das spektakuläre Jubiläum der Liedertafel Harmonia spricht man noch heute. Im Sommer wird in Ochsenwerder wieder gefeiert.

Herolde in altdeutscher Tracht zogen hoch zu Pferd durch Ochsenwerder. Mit Barkassen und unter Dampf reisten Menschenmassen in das Marschländer Dorf, die Bergedorf-Geesthachter Eisenbahn setzte sogar einen Sonderzug ein. Ziel aller Besucher war die Feier zum 50. Geburtstag der Liedertafel Harmonia. Dazu wurde im Garten von Rieges Gasthof am Ochsenwerder Kirchendeich eine riesige Bühne aufgebaut. 92 andere Chöre waren zu Gast. Und die Besucher zahlten 1000 Mark Eintritt – allerdings war die Inflation zu diesem Zeitpunkt im Jahr 1923 bereits weit fortgeschritten. „Gefeiert wurde schon immer viel und gerne“, berichtet Marita Sannmann, die sich bereits seit 1986 als Vorsitzende der Harmonia engagiert.

Geselligkeit spielt auch heute noch bei dem Chor eine entscheidende Rolle. Und so soll auch in diesem Jahr wieder ein besonderer Ehrentag gefeiert werden – auch wenn die Feierlichkeiten wohl nicht ganz so ausschweifend werden wie vor 100 Jahren. Am Sonntag, 25. Juni, soll das 150. Geburtstag mit einem Konzert im Musikraum der Schule Ochsenwerder gefeiert werden. Es beginnt um 15 Uhr. Auch der Kanemaki-Chor Hamburg sowie der Frauenchor Finkenwerder werden dann dabei sein und das Programm mitgestalten, berichtet der siebenköpfige Festausschuss, der seit Anfang Februar das Konzert vorbereitet. Der Eintritt ist - anders als vor 100 Jahren - frei. „Gegen Spenden haben wir aber nichts einzuwenden“, sagt Marita Sannmann.

Seit 1975 mischten sich Frauen in den vorher reinen Männerchor

Lieder wie „I have a dream“ von Abba, „Hallelujah“ von Leonard Cohen oder auch „Alt wie ein Baum“ von den Puhdys könnten dann erklingen. Denn das Repertoire der Harmonia ist eine bunte Mischung: „Ob Volkslieder, Schlager oder Musical, Rock und Pop, deutsch und englisch ist alles dabei“, erklärt Marita Sannmann. Das Lied „The lion sleeps tonight“ von The Tokens - auch bekannt aus „Der König der Löwen“ - sollte bei dem Jubiläumskonzert unbedingt mit auf der Setlist stehen, ist Karen Wittmaack überzeugt. „Zu schön“ sei das gemeinsame „Wimoweh“, das dabei vierstimmig von dem Chor erklinge, so die 82-Jährige, die 1991 aus Kiel nach Ochsenwerder kam. Der Chor habe ihr sehr dabei geholfen Anschluss in der Dorfgemeinschaft zu finden, erinnert sich Karen Wittmaack.

1873 als Männerchor gegründet, ist im Jahre 1975 ein gemischter Chor aus der Liedertafel Harmonia geworden. Derzeit gehören dem Chor 19 Mitglieder im Alter von 35 bis 86 Jahren an, darunter auch zwei Herren, die gemeinsam mit drei Damen im Tenor singen. „Über Zuwachs freuen wir uns immer“, betont Marita Sannmann. Unter der Leitung von Michael Georgi wird freitags von 19.30 bis 21 Uhr im Musikraum der Schule Ochsenwerder gesungen. Der Chor sei sehr dankbar, dort zusammenkommen zu können, berichtet Marita Sannmann. Schließlich seien sie viele Jahre ohne feste Bleibe gewesen, nachdem Rieges Gasthof geschlossen wurde. „Danach wurden wir zu Nomaden“, erinnert sich Marita Sannmann. Auch im Gasthaus Witte in Fünfhausen oder im Gasthof Neudorf bei Otto Garbs wurde gesungen, bevor der Chor vor etwa 15 Jahren in der Schule unterkam.

Singspatzen könnten gut weitere Stimmen gebrauchen

Während der Coronapandemie, in der Chöre lange Zeit auf gemeinsame Singabende verzichten mussten, blieben alle Mitglieder der Harmonia treu. Gesungen wurde dann in Online-Chorproben am Bildschirm. Dem Chor ist es in der Zeit sogar gelungen, Zuwachs zu bekommen. Nachdem sich ihr Chor in Kirchwerder aufgelöst hatte, schloss sich Silke Meyns der Harmonia an – und wurde super aufgenommen, berichtet die Vierländerin. Die Harmonia zeichne sich eben durch eine lockere und familiäre Atmosphäre aus, meint Merle Klühn, für die es nach wie vor der schönste Moment ist, „sich selbst eine Gänsehaut zu singen“. Eine Chorprobe am Freitagabend sei der ideale Stressabbau, um entspannt ins Wochenende zu starten, erklärt Merle Klühn.

Im Gegensatz zu den Erwachsenen ist der Nachwuchs allerdings nicht so gut durch die Pandemie gekommen: Während vor der Corona-Zeit noch fast 20 Mädchen und Jungen zu den „Singspatzen“ gehörten, singen dort heute noch etwa sechs Kinder, berichtet Marita Sannmann. Sie fürchtet, dass der Kinderchor zu einem Auslaufmodell werden wird. Schließlich sei die Konkurrenz an Nachmittagsangeboten hoch und viele Kinder mittlerweile bis 16 Uhr in der Schule, weiß Marita Sannmann. Sie hat trotzdem noch nicht die Hoffnung aufgegeben, dass noch weitere Kinder Lust haben, ein „Singspatz“ zu werden: Gesungen wird 14-tägig in den geraden Wochen von 15 bis 15.45 Uhr im Musikraum der Schule Ochsenwerder am Elversweg.