Hamburg. Verwaiste Entenküken auf der Straße, in Zäunen festsitzende Rehe - die Feuerwehr Hamburg hilft. Was Naturschützer sagen.

Eine Frau rief die Feuerwehr, weil mehrere Entenküken ohne Elternteil über den Kirchwerder Mühlendamm liefen. Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr Krauel fingen die sieben Küken ein und steckten sie in einen Pappkarton. Die elternlosen Jungtiere kamen ins Tierheim. Am nächsten Morgen dann der nächste Blaulichteinsatz: Gegen 9 Uhr meldete der Verkehrsfunk im Radio eine Entenfamilie auf der Autobahn 25 zwischen den Anschlussstellen Neuallermöhe und Nettelnburg.

Dass Enten und auch andere Tiere auf Straßen unterwegs sind, komme zwangsläufig immer häufiger vor, meint Malte Siegert, Vorsitzender des Nabu in Hamburg: „Die Lebensräume für Tiere werden schließlich immer kleiner, weil immer mehr Straßen, Wohnhäuser und Gewerbegebiete gebaut werden.“ Siegert plädiert an die Autofahrer, im Frühjahr, wenn Amphibien wandern und viele unterschiedliche Vogelarten mit ihrem Nachwuchs unterwegs sind, die Augen besonders offen zu halten.

Nabu-Vorsitzender: Mensch nimmt Tieren immer mehr Lebensraum

Der Mensch verhalte sich rücksichtlos und „raumgreifend“, fresse sich in die Natur hinein. Deshalb existierten immer weniger Areale, in denen Tiere ihre Ruhe haben, betont Siegert. Das habe zur Folge, dass Tiere versehentlich in Bereiche auswichen, „in denen man Tiere nicht erwarten würde“. Biotop-Korridore, also Verbindungsachsen zwischen Biotopen, im urbanen Raum würden immer häufiger zerschnitten. Siegert: „Deshalb müssen Tiere dann über die Straße, um im grünen Korridor von A nach B zu kommen.“

Bei der Stadtplanung werde die Natur häufig missachtet, kritisiert Siegert. Noch mehr ärgere er sich jedoch über „Doppelzüngigkeit“ von Politik und Verwaltung auf Bezirks- und auf Hamburg-Ebene: „Wenn einem die Natur egal ist, dann soll man das klar sagen – oder die notwendigen Maßnahmen zu ihrer Rettung ergreifen. Es reicht aber nicht, so zu tun, als wäre die Natur ein wichtiger Aspekt für uns Menschen.“ Doch bei der Stadtplanung werde auf Biodiversität (biologische Vielfalt) kaum Rücksicht genommen – obwohl die Verantwortlichen stets beteuerten, wie wichtig ihnen die Umwelt sei.

Bedrohung für Menschheit: WWF warnt vor dramatischem Artensterben

Wird der Mensch sein Verhalten nicht ändern, werden die Folgen dramatisch sein: Laut World Wide Fund For Nature (WWF) könnten rund eine Million Arten innerhalb der nächsten Jahrzehnte verschwinden, wenn sich der Zustand unserer Ökosysteme weiterhin verschlechtert. Von den rund 150.000 auf der internationalen Roten Liste der Weltnaturschutzunion International Union for Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN) erfassten Tier- und Pflanzenarten befinden sich etwa 41.000 in Bedrohungs-Kategorien – mehr Arten als jemals zuvor.

Ein Viertel der Säugetierarten, jede achte Vogelart, mehr als 30 Prozent der Haie und Rochen sowie 40 Prozent der Amphibienarten sind laut WWF bedroht. Der Verlust von Lebensraum spielt dabei eine entscheidende Rolle. Das Artensterben – das größte seit dem Ende der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren – gilt neben der Klimakrise als die größte Bedrohung für die Erde und die auf ihr lebenden Menschen.