Hamburg. Die invasive Nutria grast in Bergedorf auch mal neben Kinderwagen. Wird zu wenig gejagt? Was die Hamburger Umweltbehörde sagt.

Sie bleiben stehen, machen Fotos, diskutieren: Viele Bergedorfer, die derzeit bei schönstem Sonnenschein durch den Schlosspark bummeln, schwanken offenkundig zwischen Ekel und Erstaunen. Denn im Schlossgraben, auf den angrenzenden Rasenflächen und teils auch auf dem großen Spielplatz tummeln sich, unbeeindruckt von der menschlichen Nähe, etliche Nutrias. Sie fressen Gras, tauchen dann wieder in den Schlossgraben ab und fühlen sich in Bergedorf offenbar pudelwohl.

Was manche niedlich finden, ist bekanntlich ein Problem: Denn die Biberratte ist eine invasive Art aus Südamerika, sorgt an den Deichen und in der hiesigen Landwirtschaft für massive Schäden und soll deshalb bejagt werden. Doch die Jagd auf die Nutrias wurde – trotz „Schwanzprämie“ der Umweltbehörde – bisher kaum begonnen. Zu gering sei die Prämie und zu unklar seien die Vorgaben der Behörde, zum Beispiel im Umgang mit den geschützten Muttertieren, kritisierten jüngst die Jagdberechtigten in Bergedorf. Das jedoch weist die Umweltbehörde nun zurück.

Nutria: Jäger kritisieren Schwanzprämie

Muttertiere seien relativ klar erkennbar, meint David Kappenberg, Sprecher der Umweltbehörde. Denn die Mütter würden sich meist nur im Bau aufhalten. Und: „Schon nach wenigen Tagen verlassen Muttertiere zusammen mit ihren Jungen den Bau.“ So seien sie dann von anderen Tieren zu unterscheiden, die keine Jungen dabeihaben.

Im Zweifelsfall könne auch eine Lebendfalle aufgestellt werden. Dabei werden die Tiere zunächst gefangen und dann „mit einem Fangschuss erlegt“, so David Kappenberg. Dass Muttertiere ausgenommen sind, solle Tierleid verhindern: Denn die Jungen würden ohne ihre Mutter qualvoll verhungern. Doch es bleibt eine Grauzone, die Muttertiere verlässlich zu erkennen – und viele Jagdberechtigte scheuen offenkundig den Aufwand an Zeit und Geld (etwa für Munition). Vor allem für eine Prämie von nur 10 Euro je erlegtem Tier.

Gutachten über Nutria-Population soll Ende September vorliegen

Müsste die „Schwanzprämie“ von insgesamt 30.000 Euro also deutlich höher sein? Die Behörde glaubt das nicht: „Aufgrund der bisherigen jährlichen Wildnachweise von circa 1400 entnommenen Nutrias in Hamburg, wird davon ausgegangen, dass der zur Verfügung stehende Betrag ausreicht“, so David Kappenberg. Und die Prämien würden in Bergedorf ja teilweise auch schon abgerufen, also Nutrias erlegt. Letztendlich handele es sich bei der „Schwanzprämie“ aber um ein Bergedorfer Pilotprojekt „und es wird sich zeigen in welchem Umfang das Angebot von den Jagdausübungsberechtigten angenommen wird“, räumt Kappenberg ein.

Immerhin: Das von der Umweltbehörde schon vor geraumer Zeit in Auftrag gegebene Gutachten über Nutrias soll Ende September vorliegen. Der Entwurf des beauftragten Büros liege derzeit zur fachlichen Prüfung in der Umweltbehörde. Die umfangreichen Daten und Auswertungen sollen Aufschluss darüber geben, wie groß Bestand und „Bedrohung“ durch die invasive und teils aggressive Art ist. David Kappenberg: „Das Gutachten wird auch Maßnahmenvorschläge aufzeigen und Empfehlungen beinhalten.“

In den Augen etlicher Experten von der Bezirkspolitik über Landwirte und Jäger ist es allerdings längst fünf vor zwölf: Sie warnen bereits seit Jahren vor der massiven Vermehrung der Nutrias und der drohenden Vertreibung hier heimischer Arten. Allerdings steht Hamburg mit diesem Problem nicht allein da: Auch in Schleswig-Holstein mahnen Jäger aktuell, viel konsequenter gegen Nutrias und auch andere invasive Arten wie Marderhunde vorzugehen.