Bergedorf. Der millionenschwere Neubau am Curslacker Neuen Deich war 1965/67 ein gewagter Schritt für Verleger Wagner und 150 Mitarbeiter.

Es ist die größte Investition, die die Bergedorfer Zeitung jemals gewagt hat: Einen zweistelligen Millionen-Betrag nimmt Verleger Reinhard Wagner Mitte der 1960er-Jahre in die Hand, um mit allen 150 Mitarbeitern der „Bergedorfer Buchdruckerei von Ed. Wagner“ die beengten Verhältnisse in der Innenstadt hinter sich zu lassen. Gut 80 Jahre hatte die Zeitung bis dahin ihren Sitz am Bergedorfer Markt – genau dort, wo bis zum November 2022 das kleine Karstadthaus stand.

Vor allem die damals hochmoderne, mit 18 Meter Länge, vier Meter Breite und 3,60 Meter Höhe riesige Rotationsmaschine machte den Umzug des Verlags unumgänglich: „Die Bauaufsicht forderte aus Gründen des Verkehrs, des Lärms und der räumlichen Enge eine Verlagerung aus dem Bergedorfer Stadtkern heraus“, schrieb unsere Zeitung im Juni 1965, als bereits das massive Fundament des ersten der Neubauten unseres Verlages am Curslacker Neuen Deich geschüttet wurde.

Druckhaus am Curslacker Neuen Deich mit 110 Tonnen schwerer Druckmaschine

Das neue Druckhaus im Industriegebiet sprengte für das mittelständische Unternehmen alle bis dahin gültigen Dimensionen. Für die 110 Tonnen schwere Druckmaschine wurde ein eigenes, vom Gebäude selbst unabhängiges Fundament aus Stahlbeton geschüttet, das auf Betonpfeilern ruhte, die elf Meter tief in den Boden reichten. „Keine Erschütterungen dürfen das Gebäude der Druckhalle und die benachbarten Räume der Maschine ins Schwingen bringen“, informierten wir damals unsere Leser.

Die Begeisterung über die neue Technik war auch in der Redaktion groß, garantierte das Ungetüm doch die Zukunft der Bergedorfer Zeitung und ihres Verlags. Denn die Rotationsmaschine schaffte bis zu 25.000 Zeitungen innerhalb einer Stunde – und das zumindest teilweise in Farbe und mit Umfängen von bis zu 32 Seiten. Am alten Standort war schon bei der halben Seitenzahl Schluss und Farbe nur notdürftig nachgerüstet worden. Für eine Wochenendausgabe hatte das stets zwei Druckgänge samt zeitintensiver Umrüstungsarbeiten bedeutet, die das pünktliche Erscheinen der Bergedorfer Zeitung stets zu einem Wettlauf mit der Zeit gemacht.

Ab 1966: Zweiter Bauabschnitt mit Kontorhaus und eigenen Haus für den Buchdruck

Doch Reinhard Wagner ließ am Curslacker Neuen Deich nicht nur eine neue Druckerei samt Papierlager, Gießerei für die Druckplatten und Vertriebshalle errichten. In einem zweiten Bauabschnitt investierte er 1966 auch in ein modernes Kontorhaus mit Empfangshalle, Redaktion, Anzeigenabteilung, Kantine sowie Verlagsleitung – und gleich zwei Hausmeisterwohnungen.

Reinhard Wagner (vorn, li.), Verleger der Bergedorfer Zeitung und Inhaber der „Buchdruckerei von Ed. Wagner“ in dritter Generation, 1965 bei einer der letzten Betriebsfeiern im Innenhof des alten Verlagshauses am Bergedorfer Markt.
Reinhard Wagner (vorn, li.), Verleger der Bergedorfer Zeitung und Inhaber der „Buchdruckerei von Ed. Wagner“ in dritter Generation, 1965 bei einer der letzten Betriebsfeiern im Innenhof des alten Verlagshauses am Bergedorfer Markt. © BGZ | Archiv Marin Korth

Und als dritter Neubau auf dem 5000 Quadratmeter großen Grundstück entstand zwischen dem vierstöckigen Bürobau an der Hauptstraße und dem Druckhaus gleichzeitig auch noch ein Mitteltrakt, der die Buchdruckerei, die Buchbinderei und die Setzerei beherbergte.

„Aber eigentlich wollte kein Mitarbeiter der Bergedorfer Zeitung die Innenstadt verlassen. Auch wenn der Neubau kaum 15 Minuten Fußweg von der City entfernt lag, war die Stimmung trotz aller Begeisterung über die neue Technik und die modernen Büros nicht gerade positiv“, erinnert sich Karin Korth, deren Vater Heinz Wendt damals als Schriftsetzer im Verlag arbeitete.

Sorge vor dem Umzug der Geschäftsstelle – Sie bleibt in der Innenstadt

Auch Verleger Reinhard Wagner muss gewusst haben, dass die Investition in den Neubau im Industriegebiet zwar wichtig für die Zukunft des Druckstandorts war, aber mindestens schwierig für das Tagesgeschäft. Denn vor allem die wichtige Annahme von Familienanzeigen, aber auch die sonstigen Funktionen der Geschäftsstelle bis hin zum persönlichen Plausch waren am Bergedorfer Markt seit 1884 etabliert. Wer sollte dafür den Weg an den Curslacker Neuen Deich antreten?

Tatsächlich blieb die Geschäftsstelle in der Innenstadt. Sie zog im Frühjahr 1967 nur 50 Meter Luftlinie weiter – ins sogenannte Iduna-Hochhaus an der Bergedorfer Straße. „Hier werden alle Kundenwünsche erledigt“, informierte unsere Zeitung im März in der Rubrik „Wir über uns“. Verlagsleitung und Redaktion würden sich „demnächst“ aber am Curslacker Neuen Deich befinden, „da sich ihre Tätigkeit nur in unmittelbarer Nachbarschaft der Technik ausüben lässt“.

Umzug in mehreren Etappen, verteilt auf eineinhalb Jahre

Wie dieser Hinweis andeutet, geschah der Umzug der Bergedorfer Zeitung in mehreren Etappen, verteilt über rund eineinhalb Jahre. Als erstes wechselten bereits Ende 1965 mit dem Anlaufen der neuen Rotationsmaschine die Zeitungsdrucker und der Vertrieb. Die Weihnachtsausgabe war die erste Zeitung, die im Neubau gedruckt wurde.

Zu diesem Zeitpunkt existierte der zweite Bauabschnitt mit Kontorhaus und Buchdruckerei erst auf dem Papier. Doch dann ging alles ganz schnell: Schon am 28. Oktober 1966 titelten wir: „Richtkranz am Curslacker Neuer Deich“. Tatsächlich bezugsfertig waren beide dann im März 1967. Als erstes eroberten die Buchdrucker ihren Neubau. Kurz vor Ostern folgten im selben Monat dann auch Redaktion, Verlagsleitung, Buchhaltung und der Teil des Anzeigenbereichs, der nichts mit der Geschäftsstelle zu tun hatte.

Alte Verlagsgebäude am Bergedorfer Markt müssen Kaufhaus-Neubau weichen

Die blieb zunächst sogar noch für einige Wochen am Bergedorfer Markt, bevor „die Spitzhacke auf unser Verlagsgebäude am Bergedorfer Markt wartet“, wie es in der Rubrik „Wir über uns“ am 11. März 1967 heißt. Die beiden markanten Bauten im großbürgerlichen Gründerzeit-Stil wurden Monate später abgerissen, um der damals als zukunftsweisend gelobten Kaufhaus-Architektur der Kepa (später Karstadt) aus Beton und Glas Platz zu machen.

Das mittlerweile ehemalige Verlagshaus unserer Zeitung am Curslcker Neuen Deich/Ecke Lehfeld: Heute beherbergt es unter anderem ein Küchenstudio und verschiedene Abteilungen der Verkehrsbetrieb Hamburg-Holstein (VHH). Die Bergedorfer Zeitung hat ihren Sitz seit 4. November 2021 wieder in der Bergedorfer Innenstadt – an der Chrysanderstraße 1.
Das mittlerweile ehemalige Verlagshaus unserer Zeitung am Curslcker Neuen Deich/Ecke Lehfeld: Heute beherbergt es unter anderem ein Küchenstudio und verschiedene Abteilungen der Verkehrsbetrieb Hamburg-Holstein (VHH). Die Bergedorfer Zeitung hat ihren Sitz seit 4. November 2021 wieder in der Bergedorfer Innenstadt – an der Chrysanderstraße 1. © Levi Roock | Levi Roock

Dessen Neubau, wie auch die Errichtung unseres Verlagshauses am Curslacker Neuen Deich, fiel in eine Zeit umfangreicher Bautätigkeit im Bezirk Bergedorf. So entstand Mitte der 60er-Jahren auch das Iduna-Hochhaus mit der Bergedorfer-Zeitung-Geschäftsstelle, zudem der erste befestigte ZOB, das Penndorf-Haus (heute Neuer Mohnhof), das Kaufhaus Woolworth am Serrahn, die Hauptpost (heute Bergedorfer Tor), in Reinbek das mächtige Sachsenwald-Hochhaus mit Blick auf Bergedorf und nicht zuletzt Lohbrügge-Nord, das größte Wohnprojekt im Nachkriegsdeutschland.

Eine Einweihungsfeier für unser neues Verlagshaus hat es übrigens nie gegeben. Und auch die tatsächlichen Investitionskosten sind nie öffentlich geworden.

Gewürdigt wird das neue Haus, das bis zum 3. November 2021 Heimat unserer Zeitung bleiben sollte, schließlich nur mit einem Absatz in der Rubrik „Wir über uns“: „Mit dem Neubau am Curslacker Neuen Deich hat ein neuer, bedeutender Abschnitt in der Geschichte der Buchdruckerei von Ed. Wagner begonnen. Die rund 150 Mitarbeiter haben sich schnell in den hellen, großzügigen neuen Räumen eingelebt. Auch wenn der Weg zum Arbeitsplatz etwas weiter geworden ist, am Curslacker Neuen Deich ist die ,BZ’-Familie schnell heimisch geworden. Viele Freunde der Heimatzeitung freuen sich mit uns über den schönen, großzügigen Bau. Sie bekundeten dies durch ihre Glückwünsche und Blumengrüße.“