Bergedorf. Nicht nur für Deutschkurse und Rentnertreffs will sich der 50-Jährige einsetzen. Was dem Bergedorfer besonders am Herzen liegt.

Vielseitig, lebensfroh sowie mit allerlei Kulturen und Wertvorstellungen in ihrem Erfahrungsgepäck leben Tausende Zugewanderte im Bezirk Bergedorf. Aber fühlen sie sich hier auch gut in der Gesellschaft aufgenommen? „Die Integration wird in Bergedorf etwas stiefmütterlich behandelt“, urteilt Cetin Akbulut und hofft, bald einen engagierten Integrationsbeirat gründen zu können. Immerhin wohnen laut Statistikamt Nord gut 20.000 Ausländer im Bezirk Bergedorf, das sind 15,3 Prozent der Bevölkerung.

Der 50-jährige Alevit verbrachte nur seine ersten fünf Lebensjahre in der Stadt Kayseri, bevor die Eltern von Kappadokien nach Deutschland auswanderten – und eine Bergedorfer Heimat Am Bult fanden: „Das war eine wunderbare Kindheit, da gab es keinen Rassismus. Meinen drei älteren Brüdern und mir standen in der Nachbarschaft alle Türen offen“, erinnert er sich dankbar – bis zum Umzug der Familie an den Ladenbeker Furtweg in Bergedorf-West: „Plötzlich war ich nur noch der Türke, wurde als Jugendlicher diskriminiert und beleidigt“, so Akbulut.

Cetin Akbulut will sich für Migranten einsetzen

„Wir sind hier nicht in einer Bananenrepublik“, habe er vor allem auf deutschen Ämtern gehört: „Im Gesundheitsamt, bei der Wohnungsummeldung oder im Finanzamt wurde auch gern mal sehr langsam mit mir gesprochen. Und oft hieß es, ich solle mich gut benehmen“, wunderte sich der gelernte Tischer, der inzwischen einen Friseursalon und ein Immobilienbüro am Röpraredder in Lohbrügger betreibt.

„Es gibt zwar viele Vereine in Bergedorf, die sich um Migranten kümmern. Aber eigentlich ist das doch eine Sache des Staates, der darf das nicht ans Ehrenamt abschieben“, ärgert sich das heutige FDP-Mitglied, das sich im Sommer 2022 von der Bezirksversammlung zum Mitglied des Hamburger Integrationsbeirates wählen ließ – gemeinsam mit der Syrerin Shirin Saghir aus Neuallermöhe. Dieser Hamburger Beirat hat Tradition im Kampf um die Gleichberechtigung zwischen den Kulturen: Er konnte gerade sein 20-jähriges Bestehen feiern und gründete zwei neue Arbeitsgemeinschaften zu den Themen Bildung und Diskriminierung. „Daraus würde ich auch gern in Bergedorf berichten, aber irgendwie scheitert es an der Kommunikation – auch wegen Corona. Man kennt mich hier überhaupt nicht in dieser Funktion“, meint Cetin Akbulut. Das möchte der stolze Vater einer 17-jährigen Tochter sofort ändern.

Ein neues Gremium soll gegründet werden und netzwerken

Nachdem 2019 der Bergedorfer Integrationsbeirat eingeschlafen war, will er nun ein neues Gremium gründen, das sich monatlich trifft, um zu netzwerken. Wichtige Themen müssten angegangen werden: Wo gibt es freie Plätze in Deutschkursen? Wo ist ein Bergedorfer Rentnertreff für Migranten? Wie lassen sich Seniorenheime besser mit vielen Nationalitäten durchmischen? „Außerdem müssen wir die Migranten besser über Krankheiten aufklären, damit die an Demenz erkrankte Oma nicht versteckt oder zurück in ihr türkisches Dorf gebracht wird“, meint der 50-Jährige, der seit nunmehr 45 Jahren in Bergedorf lebt, Türkisch, Englisch und sogar ein wenig Plattdeutsch spricht.

Integrationsfachkraft zu 95 Prozent mit Flüchtlingen beschäftigt

Tatsächlich trete die Integrationsarbeit derzeit in den Hintergrund, gesteht Mirjam Hartmann ein. Die studierte Sozialpädagogin und Gesundheitswissenschaftlerin ist seit April 2021 die neue Integrationsfachkraft im Bezirksamt Bergedorf – und kommt kaum zu ihrem Doppeljob: „Aktuell mache ich tatsächlich zu 95 Prozent Flüchtlingsarbeit. Die Stelle der Flüchtlingskoordination wurde zwar eingespart, aber das ist jetzt nun mal dringlicher als Integration“, wägt sie ab – und nennt Beispiele aus anderen Bezirken: „In Harburg gibt es eine halbe Personalstelle für die Integrationsarbeit. In Wandsbek ist sogar jede politische Fraktion der Bezirksversammlung in dem Beirat vertreten.“

Dennoch wolle sie zu aller Arbeit den „Dialog der Kulturen“ ihres Vorgängers aufnehmen: „Noch im ersten Halbjahr wird es gemeinsam mit dem Seniorenbeirat eine öffentliche Veranstaltung im Körberhaus geben. Wir wollen das Thema Pflege in den Mittelpunkt stellen“, kündigt Hartmann an.

Bis dahin will Cetin Akbulut am liebsten schon mit einem Integrationsbeirat beteiligt sein – wenn sich genügend Freiwillige melden. Auch Deutsche seien sehr willkommen, wenn es um die Eingliederung fremder Kulturen gehe, betont der Bergedorfer, der sich ebenso mit dem Seniorenbeirat und dem im Aufbau befindlichen Inklusionsbeirat verbinden möchte. Da er aktuell keine festen Sprechstunden in einem Büro anbieten kann, hofft Akbulut, dass sich engagierte Interessenten bei ihm direkt melden unter Telefon 0172/684 94 54 oder per E-Mail: cetin.akbulut@gmx.de. stri