Bergedorf. Nicht nur Flüchtlinge finden im SerrahnEins Unterstützung, etwa bei Wohnungssuche und Behördenpost. Doch Ehrenamtliche fehlen.

Es liegt ein regelrechtes Stimmengewirr über dem Raum – Arabisch, Hindi, Französisch, Spanisch, auch vermehrt Russisch und Ukrainisch. An den Tischen im Saal des Serrahn­Eins sitzen Menschen aus vielen Ländern, unterhalten sich bei einem belegten Brötchen und einer Tasse Kaffee. Wer hier nicht ganz so oft zu Gast ist, versteht schnell, warum sich die Gäste des Projekts Haus für alle des Vereins Bergedorfer für Völkerverständigung und einiger Kooperationspartner so schnell wohlfühlen: Weil sie Gesprächspartner in einer ihnen vertrauten Sprache finden – und weil es Beratung gibt.

Seit dem Jahr 2017 sind diese Zeiten bekannt: Donnerstag und Freitag von 10 bis 12 Uhr wird Sozialberatung (unter anderem auch mit Experten der Freiwilligenagentur, der Caritas oder des Begleiters) im Beratungs- und Begegnungscafé an der Serrahnstraße 1 angeboten. Donnerstag von 13.30 bis 16 Uhr treffen sich zudem Interessierte am selben Ort zum Café der Kulturen.

Beratungsangebot im Haus für ist immer mehr gefragt

Gerade das Beratungsangebot ist in unsicheren Zeiten besonders wichtig geworden. „Ohne uns“, sagt Therese Ziesenitz-Albrecht, Koordinatorin des Café-Teams, „wäre mancher aufgeschmissen“. Mit „uns“ sind die ehrenamtlichen Helfer gemeint, die versuchen, den Ratsuchenden zu helfen. Wenn beispielsweise mit der Post etwas für die Neuankömmlinge Unverständliches angekommen ist: eine Versicherungspolice, ein Schreiben eines Versorgungsunternehmens, Briefe vom Jobcenter oder dem Einwohnermeldeamt.

Doch die Truppe um Girija Harland, Vorstandsvorsitzende Bergedorfer für Völkerverständigung, kann noch viel mehr – weil sich Urgesteine wie Edgar Rehberg so gut bei Rechtsfragen oder auch beim Thema Krankenversicherung auskennen. Auch für das Thema Lehrstellen oder überhaupt berufliche Karrieren gibt es in der Serrahnstraße 1 Ansprechpartner. Oder zur Frage, was es denn so braucht für die erste eigene Wohnung in Deutschland. „Manche kommen mit ganzen Ordnern, die sie nicht verstehen. Über Kopf eingeheftet, manchmal ist auch Werbung dabei“, berichtet Edgar Rehberg. Sogar den Nachzug von in der Heimat zugelassenen Familienangehörigen versuchen die Ehrenamtlichen manchmal anzuschieben.

Beratung funktioniert gut, denn einige der Helfer sind mehrsprachig

Das Projekt Haus für alle funktioniert auch deshalb so gut, weil einige Helfende mehrsprachig sind. So wie die Koordinatorin Sanaa Chlihi Tale: „Am Anfang müssen wir die Besucher, die kommen, erst einmal sortieren und auf Berater aufteilen“, sagt die gebürtige Marokkanerin, die mittlerweile die spanische Staatsbürgerschaft besitzt, ausgebildete Sozialpädagogin ist und sich unter anderem auf Hilfe bei häuslicher Gewalt und Zwangsheirat spezialisiert hat.

Das Engagement der Ehrenamtlichen hat jedoch unter Corona gelitten: Das Personal aus Beratern, Übersetzern und anderen ist von 50 auf 40 zurückgegangen. Dazu hat sich die Anzahl an Beratungsbedürftigen – das niedrigschwellig gehaltene Angebot gilt für alle Bergedorfer – auch durch den Ukraine-Krieg vervielfacht. „Wir suchen vor allem Sprachmittler auf Russisch“, sagt Olga Raith, Deutsch-Russin aus Bergedorf, und erst seit zwei Monaten dabei. Ihre Einschätzung: „Ich schätze, dass demnächst noch mehr Ukraine-Flüchtlinge kommen werden.“

Was auch klar ist: Der Beratungsbedarf hat sich deutlich erhöht. Aktuell sind es schätzungsweise dreimal so viele Menschen wie vor Jahresfrist. Es kommen wöchentlich 150 statt bisher 50 Personen zu Café und Beratung. Wer sich berufen fühlt, sie zu unterstützen, sollte donnerstags oder freitags mal im SerrahnEins reinschauen.