Hamburg. Ernährungs-Doc Matthias Riedl erklärt, wie man nachhaltig Gewicht verliert und warum Sport nur der “kleine Bruder“ beim Abnehmen ist.

Noch haben die guten Vorsätze für das Jahr 2023 bei vielen Menschen Bestand, aber man sollte es nicht länger aufschieben, sie umzusetzen. Der Januar ist ein beliebter Monat, um schlechte Gewohnheiten abzulegen – und kein schlechterer als jeder andere auch.

Zu Jahresbeginn sind jedes Jahr die Fitnessstudios voll, die Mitgliederzahlen gehen schlagartig in die Höhe. Im Podcast von Ernährungs-Doc „Matthias Riedl. So geht gesunde Ernährung.“ geht es diesmal darum, womit man tatsächlich anfangen sollte, wenn man etwa für seine Gesundheit tun möchte. Mit Bewegung allein ist es nämlich nicht getan.

Ernährungs-Doc Riedl: Zur Analyse Ernährungstagebuch führen

Er vergleiche das gerne mit einem Betrieb, der Probleme hat, sagt Dr. Matthias Riedl, bekannt von den Ernährungs-Docs. Zu Beginn gebe es immer eine Analyse: „Wenn der Firmeninhaber merkt, wir machen nur noch rote Zahlen, dann hat er ein Problem. Wenn er wild agiert, hat er keinen Erfolg, sondern er muss erst mal gucken, woran liegt das denn, dass er die schwarzen Zahlen nicht erreicht?“

Ähnlich sei das beispielsweise bei Übergewicht: „Ich muss mir klarmachen, was falsch läuft. Und dafür brauche ich eine Analyse.“ Ideal sei dafür ein Ernährungstagebuch. „Da kann man dann auch sehen, wie häufig man gegessen hat. Wenn das fünf-, sechsmal war, dann ist das Snacking. Da habe ich schon mal ein Problem erkannt.“ Dann erkenne man auch, dass vielleicht viele Süßigkeiten dabei waren und möglicherweise überhaupt kein Gemüse.

Ernährungs-Doc Riedl empfiehlt, das eigene Essverhalten gründlich zu analysieren. Dabei sei wichtig, nicht alle Problemfelder auf einmal anzugehen. „Das überfordert uns und dann scheitert man garantiert.“

Riedl rät zum 20:80-Prinzip. „Das ist ein altes Kaufmannsprinzip. Der Kaufmann weiß, mit 20 Prozent meiner Kunden mache ich 80 Prozent Umsatz. Da kümmere ich mich natürlich um die 20 Prozent der Kunden, die mir die Taschen voll machen. Das heißt, ich gucke mir meine Fehler an und schaue, welche den größten Hebel haben. Wenn ich einen Fehler verändere, kann es sein, dass es plötzlich fünf sechs Kilo weniger sind. Aber es muss ein relevanter Fehler sein“, sagt der Ernährungsmediziner, Internist und Diabetologe.

Ernährungs-Doc: Zuckerkonsum beobachten

Ein guter Anfange sei beispielsweise, seinen Zuckerkonsum zu reduzieren. „Natürlich sind 120 Gramm Zucker zu viel am Tag, 50 ist besser. Wenn ich sage, jetzt musst Du gleich am nächsten Tag 50 erreichen, das ist alles zu krass. Also erst mal 75 Gramm oder 100 und versuchen, sich so langsam nach unten zu pendeln.

Umstellung der Ernährung: Kleine Schritte sind effektiver als große

Das sei gut untersucht in Studien an der Stanford University, „Kleine Schritte sind effektiver als große“, sagt Riedl, sonst habe man nach spätestens zwei Monaten die Nase voll. „Diese absoluten Vorhaben, etwa nie wieder Schokolade zu essen, funktionieren nicht.“ Wenn man aber Schokolade essen möchte, dann besser nur gelegentlich und dann 80-prozentige und direkt nach der Mahlzeit, nicht zwischendurch.

„Also kleine Schritte machen und sich an der Realität orientieren“, sagt der Ärztliche Direktor des Medicum Hamburg. „Jedes Scheitern in Sachen Abnehmen hinterlässt bei uns ein fundamentales Gefühl von Versagen. Und wer so zehn-, 20-mal gescheitert ist, hat gelernt, mir kann man nicht helfen, ich bin ein Versager, das wird eh nichts mehr. Und das ist ganz fatal.

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Daraus kann sich ganz schnell schwerstes Übergewicht entwickeln. Dann geben sich diese Menschen auf und und das ist schade, denn so ein schweres Übergewicht führt irgendwann natürlich auch zum Tod.“

Als Faustregel gilt laut Ernährungs-Doc Riedl: Wenn man etwa zehn Kilo im Jahr abnimmt, ist das schon richtig gut. Diätversprechungen wie zehn Pfund oder zehn Kilo in zwei Wochen seien dagegen völliger Unsinn. „Wenn ich mir solche unrealistischen Ziele vornehme und ich erreiche sie nicht, was erlebe ich dann? Ich erlebe dann ein tiefes Versagen. Und das hindert mich daran, weiterzumachen.“

Ernährungs-Doc: Dass die Gewichtsabnahme stockt, ist normal

Wenn die Gewichtsabnahme zwischendurch stocke, sei das normal, man solle dann bloß nicht aufgeben, sagt der Ernährungs-Doc. „Am Ball bleiben, dann geht es nachher langsamer weiter und führt auch zum Erfolg. Nicht aufgeben!“

Es gebe aber auch Phasen, in denen das Leben einem andere Prioritäten vorgibt: „Hat meine Frau mich gerade verlassen? Bin ich jetzt gerade traurig? Habe ich Ärger beim Job? Ist der Hund gestorben? Da sagt man: Bitte lass alles, wie es ist. Wenn dann die Patienten zu mir kommen, sag ich: „Du merkst es doch selber. Das ist jetzt nicht die Zeit für Veränderung. Und wenn es dir wieder besser geht, dann geht es los.“ Er merke dann oft eine große Erleichterung bei den Patienten. „Das ist so ein bisschen wie beim Pastor.“

Dr. Matthias Riedl: Sport ist nur der „kleine Bruder“ beim Abnehmen

Wer die Aufbruchstimmung des neuen Jahres nutzen möchte, sollte aber jetzt schnell starten – mit Veränderungen bei der Ernährung und mit mehr Bewegung. „Leider ist Sport nur der kleine Bruder bei der Gewichtsabnahme“, sagt Riedl. Bei all den dick machenden Lebensmitteln komme man mit Bewegung allein nicht gegen an. „Wir erreichen tatsächlich mit Ernährung mehr. Natürlich ist Bewegung toll, weil die Muskulatur wächst. Wenn sie dicker wird, braucht sie mehr Energie. Der Grundumsatz steigert sich, die Blutfette sinken. Es geht uns besser, wir sind vitaler. Alles super. Aber ohne Ernährungsoptimierung geht das nicht.“

Um seine Ernährung zu verbessern, brauche der Mensch Antrieb und dafür sei Bewegung entscheidend: „Sport macht uns ausgeglichener. Er verbraucht nicht nur Energie, sondern macht uns auch fitter und aktiver und und zeigt uns, was wir alles schaffen können. Es macht uns selbstwirksam.“ Riedl zitiert Studien, die belegen, dass, wer viele Fertiggerichte isst, depressiver und ängstlicher ist. „Und wer depressiv und ängstlich auf der Couch hockt, der traut sich natürlich nichts zu. Der traut sich nicht mal zu, seine Ernährung zu verändern und damit ist man dann sozusagen in der Falle.“

Ernährungs-Doc Matthias Riedl kritisiert Untätigkeit der Politik

Übergewicht sei indes keine Privatangelegenheit, sagt der Autor von mehr als 30 Bestsellern zum Thema Ernährung. „Übergewicht ist ein Staatsversagen, weil der Staat es zulässt, dass wir in Supermärkte gehen müssen, wo 80 Prozent der Produkte für uns nicht gut sind, schädlich sind und uns dick werden lassen. Die Politik sagt, das ist Privatangelegenheit. Dass uns die ganze Bevölkerung dabei krank wird, ist der Politik leider immer noch egal.“

Er appelliere an jene Menschen, die es nicht schaffen, mit „Bordmitteln“ voranzukommen, sich an eine Schwerpunktpraxis für Ernährungsmedizin zu wenden. Übergewicht sei eine chronische Erkrankung, bei der man sich helfen lassen sollte.

Abnehmen fällt ab 50 Jahren leichter fällt als mit 30

Und das können auch jüngere Menschen sein. Ihnen falle es oft schwer, abzunehmen und ihre Ernährung umzustellen. Sie seien durch Ausbildung, Karriere, Partnerwahl oder Trennung und Kindererziehung belastet und oft auch überlastet, sagt Riedl. „Ab 50 hat man nicht mehr so viel um die Ohren. Und dann merkt man auch, es geht auf die letzten 30 Jahre zu. Wenn du das jetzt nicht packst, dann verkürzt es dir dein Leben.“

Deshalb seien Menschen in diesem Alter leichter bereit, sich umzustellen. „Das heißt, wir müssen uns mit den jungen Menschen eher Mühe geben, weil sie schneller überfordert sind. Und denen rate ich dann auch: Lasst es langsam angehen.“