Hamburg. Die 76-Jährige war vor dem Krieg nach Hamburg geflüchtet und lebte im Hotel. Polizei hat neue Erkenntnisse zum Unfallhergang.

Hunderte Meter weit hat der Lkw die Seniorin mitgeschleift: Nach dem tragischen Unfall auf der Amsinckstraße, bei dem eine Fußgängerin am Donnerstagmorgen von einem Lkw erfasst und getötet wurde, hat die Polizei Hamburg nun mehr Klarheit über den Hergang.

Ukrainerin bei Unfall auf der Amsinckstraße getötet

Nach Auswertungen von Spuren und der Vernehmung von Zeugen gehen Ermittler davon aus, dass die 76-Jährige bei Rot noch über die Straße in Höhe Högerdamm wollte. Der Fahrer (43) des 26-Tonnen Lasters hatte dort gehalten und war beim Umspringen der Ampel auf Grün losgefahren. Dabei hatte sein Fahrzeug die Frau erfasst und etwa 400 Meter mitgeschleift. Der Fahrer des – so hatten Untersuchungen ergeben – technisch einwandfreien Lasters, hatte den Zusammenprall offenbar nicht bemerkt.

Bei der 76-Jährigen, die sofort tot war, handelt es sich um eine vor dem Krieg aus der Ukraine geflüchtete Frau, die ganz in der Nähe in einem Hotel untergebracht war.

Unfall Amsinckstraße: Lkw überrollt Fußgängerin – tot

Um kurz nach 9 Uhr hatte ein Lkw auf der Amsinckstraße in Höhe Högerdamm die Fußgängerin erfasst. Der Fahrer hatte dies offenbar nicht gemerkt und war weitergefahren. Erst in Höhe Süderstraße fiel der bereits völlig entstellte Körper der Frau auf die Straße. Der Lastwagenfahrer stoppte erst rund 100 Meter weiter.

Feuerwehr, Notarzt und Polizei rückten zur Unfallstelle aus. Für die verunglückte Fußgängerin gab es keine Rettung mehr. „Eine Versorgung war aufgrund der Schwere der Verletzungen nicht mehr möglich“, sagte Feuerwehrsprecher Jan-Ole Unger.

Der Fahrer des Lkw erlitt einen Schock und wurde von Notfallseelsorgern betreut.
Der Fahrer des Lkw erlitt einen Schock und wurde von Notfallseelsorgern betreut. © Michael Arning

Die Amsinckstraße musste in Richtung Elbbrücken gesperrt werden. Die Polizei begann mit einer umfangreichen Unfallaufnahme, zu der auch ein 3D-Scanner zum Vermessen des Unfallortes eingesetzt wurde. Der Polizeihubschrauber „Libelle“ fertigte Luftfotos. Ein Sachverständiger wurde zu den Ermittlungen hinzugezogen. Der Unfallfahrer selbst war zunächst nicht vernehmungsfähig. Ein Notfallseelsorger der Feuerwehr kümmerte sich um den Mann.

Tödlicher Unfall Amsinckstraße: Polizei sucht nach Zeugen

Mittlerweile gehen die Unfallermittler davon aus, dass der 43-jährige Lkw-Fahrer auf dem rechten Fahrstreifen der Amsinckstraße unterwegs und wegen der Rot zeigenden Ampel als Erster an der Einmündung Högerdamm zum Halten gekommen war. "Beim Wiederanfahren erfasste er die 76-Jährige, die zuvor aus Richtung Högerdamm gekommen war und die Fahrbahn betreten hatte", sagte Polizeisprecher Sören Zimbal.

Die Amsinckstraße blieb für die Unfallaufnahme und Reinigungsarbeiten stadtauswärts bis 14.40 Uhr gesperrt. Zimbal: "Es kam zu erheblichen Verkehrsbehinderungen." Die Ermittler bitten nun Zeugen, die den Unfallhergang beobachtet haben oder Angaben zu den Umständen machen können, sich unter der Telefonnummer 040/4286-56789 beim Hinweistelefon der Polizei Hamburg oder bei einer Polizeidienststelle zu melden.

Dritter tödliche Unfall innerhalb von rund vier Wochen in Hamburg

Der tragische Verkehrsunfall mit der Seniorin ist in Hamburg der dritte tödliche Unfall innerhalb von rund vier Wochen, bei dem ein Fußgänger von einem Lastwagen erfasst wurde und ums Leben kam. Erst am 9. November war ein 65 Jahre alter Mann auf dem Schiffbeker Weg in Billstedt von einem Lkw erfasst und getötet worden. Zu dem Zeitpunkt hatte dort Stop-and-go-Verkehr geherrscht. Der Mann hatte versucht, vor dem Lastwagen die Straße zu überqueren, und war von dem anfahrenden Lkw erfasst worden. Offenbar hatte der Fahrer ihn nicht gesehen.

Am 25. Oktober starb eine 81 Jahre alte Frau auf dem Lehmweg/Ecke Hegestraße, als sie auf einem Zebrastreifen von einem abbiegenden Lastwagen erfasst wurde. Der Fahrer hatte, wie offenbar auch jetzt bei dem Unfall auf der Amsinckstraße, den Zusammenprall nicht bemerkt und war zunächst weitergefahren.

Verkehrsunfallermittler der Polizei bitten Zeugen, die den Unfallhergang beobachtet haben oder Angaben zu den Umständen machen können, sich unter der Telefonnummer 4286-56789 zu melden.

Sieben Unfälle, bei denen Fußgänger getötet wurden 2022 in Hamburg

Bereits Anfang des Jahres, am 22. Februar, hatte sich ein weiterer tödlicher Verkehrsunfall ereignet, bei dem ein Fußgänger von einem Lastwagen erfasst wurde und starb. Der Unfallort war eine Nebenstraße im Stadtteil Wilstorf gewesen. Der Lastwagenfahrer bog im Vinzenzweg in eine Einfahrt zu einem Grundstück ein und überrollte dabei den 87 Jahre alten Mann.

Bei weiteren drei Unfällen ebenfalls in diesem Jahr kamen Fußgänger in Hamburg ums Leben. In Rahlstedt starb Ende Mai ein Fußgänger (67), der von einem Radfahrer angefahren worden war. Anfang Juli wurde ein 66 Jahre alter Mann auf dem Parkplatz eines Drogeriemarktes am Fähranleger in Kirchwerder von einem Auto erfasst und getötet. Offenbar hatte der Autofahrer (89) panisch reagiert, als er Gas und Bremse verwechselt hatte.

Tödliche Unfälle in Hamburg: Hohe Zahl an Senioren

Ebenfalls im Juli wurde in Lurup eine Frau von einem Autofahrer überfahren, als der in eine Tiefgarageneinfahrt einbog. Die Frau hatte vermutlich schon am Boden gelegen, als sie von dem Fahrzeug erfasst wurde.

Sieben direkt oder unmittelbar nach einem Verkehrsunfall verstorbene Fußgänger ist eine tragische, aber im Vergleich nicht ungewöhnlich hohe Zahl. 2012 waren es 18 Fußgänger, die auf Hamburgs Straßen bei Verkehrsunfällen ums Leben kamen. 2016 war die Zahl der getöteten Fußgänger mit sechs auf dem niedrigsten Stand.

Nimmt man die vergangenen zehn Jahre, kamen laut Erhebungen der Polizei doppelt so viele Fußgänger wie Autofahrer und mehr als dreimal so viele Fußgänger wie Radfahrer bei Verkehrsunfällen in Hamburg ums Leben. Von 2012 bis 2021 wurden bei Verkehrsunfällen in der Hansestadt 110 Fußgänger, 54 Autofahrer oder Mitfahrer und 37 Radfahrer im Straßenverkehr getötet. Auffallend bei den tödlichen Verkehrsunfällen mit Fußgängern ist die hohe Zahl der Senioren, die Opfer wurden. Sie lag in den vergangenen zehn Jahren bei fast der Hälfte der Opfer.

Tödliche Unfälle in Hamburg: Zahl seit 1990 deutlich zurückgegangen

Insgesamt ist die Zahl der tödlich verunglückten Verkehrsteilnehmer über die Jahre in Hamburg deutlich zurückgegangen. Seit Anfang der 1990er-Jahre liegt die Zahl der tödlich Verunglückten unter 100 im Jahr, seit Anfang der 2000er-Jahre unter 50. 2020 hatte es mit 15 tödlich verunglückten Verkehrsteilnehmern einen historischen Tiefststand gegeben. Neun der Opfer waren Fußgänger.

Ganz anders hatte es noch in den 1970er-Jahren ausgesehen. Damals kamen in einem Jahr allein in Hamburg 379 Menschen im Straßenverkehr bei Verkehrsunfällen zu Tode, so viele wie nie zuvor oder danach. Jeden Tag gab es, statistisch gesehen, mindestens einen Toten auf den Straßen der Hansestadt.