Hamburg. Der 61-Jährige war vor einer Woche nicht zum Prozessauftakt erschienen. Die Begründung hielt die Kammer für nicht glaubwürdig.

Vielleicht hat der Mann gedacht, er könne sich aus der Sache irgendwie rauswinden. Seinem Strafverfahren in Sachen Rainbow Tours einfach fernbleiben — und damit würde sich die Sache schon auf wundersame Weise von selbst erledigen.

Rainbow-Tours-Prozess: Geschäftsführer muss erscheinen

Doch Jörg G., einst wenige Monate lang Geschäftsführer des ehemals florierenden und dann in die Insolvenz abgerutschten Reiseunternehmens Rainbow Tours, muss auf jeden Fall zum Prozess erscheinen, nun mit Hilfe der Polizei. Am Mittwoch wurde der 61-Jährige, der sich krank gemeldet hatte, in Cottbus verhaftet.

Schon in der vergangenen Woche hatte der Prozess um die Insolvenz von Rainbow Tours mit drei Angeklagten beginnen sollen. Doch da waren der wegen Insolvenzverschleppung angeklagte langjährige frühere Firmenchef Mathias Kampmann (58), ein weiterer Beschuldigter sowie die anderen Prozessbeteiligten vergeblich zusammengekommen.

Zweifelhafte Corona-Krankschreibung des Geschäftsführers

An jenem Tag hatte sich Jörg G. zum ersten Mal entschuldigen lassen, und zwar mit der Begründung, es gebe bei ihm den Verdacht auf eine Infektion mit „Covit-19“. Dass in der ärztlichen Bescheinigung der Name der Krankheit fälschlicherweise mit „T“ geschrieben wurde, war nur einer der Gründe, die Staatsanwaltschaft und Gericht an der Seriosität der Krankschreibung zweifeln ließen.

Daraufhin hatte das Gericht einen Haftbefehl gegen den 61 Jahre alten Angeklagten Jörg G. erlassen, der bei Rainbow Tours die Rolle des „professionellen Firmenbestatters“ und „Strohmann-Geschäftsführers“ inne gehabt haben soll.

Jörg G. ließ sich diverse Male entschuldigen

Doch als die Polizei den Mann in seinem Haus nahe Berlin einsammeln wollte, war er nicht greifbar. Angeblich sei er mittlerweile auf Verwandtenbesuch in Köln, hieß es. Am Mittwoch nun ließ er sich mit der Begründung entschuldigen, er liege in Cottbus im Krankenhaus. Offenbar bewege sich der Angeklagte „kreuz und quer durch die Republik“, sagte der Vorsitzende Richter Kai-Alexander Heeren dazu.

Das „etwas Nebulöse“ setze sich fort, so der Richter. Eine Krankmeldung allein sei kein wirksamer Entschuldigungsgrund für einen Angeklagten, um nicht bei seinem Prozess erscheinen zu müssen. Nach Auskunft der zuständigen Ärzte könnten alle notwendigen Untersuchungen bei Jörg G. auch ambulant erfolgen. Nun soll der Prozess am 13. November richtig losgehen, dem Tag, der ursprünglich bereits als dritter Verhandlungstag geplant war.

Rainbow Tours brachte junge Leute in den Urlaub

Rainbow Tours: Es war das Unternehmen, das vor allem in den 90er Jahren vornehmlich bei jungen Leuten beliebt war, weil es sie für kleines Geld nach Paris, nach Lloret de Mar, an den Plattensee oder nach Bulgarien schaffte, auf langen Touren in Bussen. Das Geschäft ging über Jahre blendend, doch dann änderten sich die Vorlieben der Reisenden.

Das Fernweh verlangte nach weiter weg gelegenen Zielen, die vornehmlich mit dem Flugzeug zu erreichen sind. Nun schlitterte die Firma in ungemütliche Zeiten, die auch von einer Serie von Pleiten, Pech und Pannen geprägt gewesen sein sollen. Und so gilt vor allem das Geschäftsgebaren des langjährigen früheren Inhabers des Unternehmens, Mathias Kampmann, als zumindest zwielichtig.

War Geschäftsgebaren des Inhabers strafbar?

Inwieweit es auch strafbar war, soll nun im Prozess vor einer Wirtschaftskammer geklärt werden. Laut Anklage befanden sich Rainbow Tours schon im Jahr 2010 in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten. Diese hätten sich im Jahr 2011 so weit verschärft, dass die Gesellschaften Anfang September des Jahres zahlungsunfähig gewesen seien. Mathias Kampmann als damaliger Inhaber des Unternehmens habe beabsichtigt, so die Staatsanwaltschaft, den Insolvenzantrag hinauszuzögern.

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Ziel dieser Aktion sei gewesen, die noch rentablen Bereiche des Busunternehmens in eine neu gegründete Gesellschaft zu überführen. Um die bisherigen Geschäftsführer aus einem Insolvenzverfahren herauszuhalten, seien die Gesellschaften verkauft und ihr Sitz von Hamburg nach Neustrelitz verlagert worden. Der Käufer Jörg G., der nunmehr auch Geschäftsführer wurde, soll erst im Dezember 2011 Insolvenzanträge für die Gesellschaften gestellt haben, obwohl er von der finanziellen Misere gewusst habe.

Einem dritten Angeklagten, dem späteren Insolvenzverwalter, wird Beihilfe zur Insolvenzverschleppung vorgeworfen. Den vormaligen Inhaber Kampmann und Käufer Jörg G. hat die Staatsanwaltschaft zudem wegen Bankrotts durch Verschleierung ihrer geschäftlichen Verhältnisse angeklagt.