Homeoffice

Corona und Arbeitsausfall – wann zahlt der Arbeitgeber?

| Lesedauer: 10 Minuten
Anne Dewitz
Eine Frau nimmt aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus aus ihrem Wohnzimmer an einer Telefonkonferenz teil.

Eine Frau nimmt aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus aus ihrem Wohnzimmer an einer Telefonkonferenz teil.

Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Arbeitsrechtler erklären, was passiert, wenn das Unternehmen den Arbeitnehmer nicht mehr im Betrieb beschäftigen kann.

Hamburg. Die weltweite Coronavirus-Epidemie hat auch die deutsche Wirtschaft fest im Griff. Regelmäßige Hiobsbotschaften über gestiegene Infiziertenzahlen und verschärfte Eindämmungsmaßnahmen sind an der Tagesordnung. Eine Ausgangssperre wird bereits diskutiert. Arbeitsrechtler erläutern, wann ein Arbeitnehmer sein Gehalt bekommt, wenn das Unternehmen den Arbeitnehmer nicht mehr im Betrieb beschäftigen kann.

Coronavirus: Muss der Arbeitnehmer Freistellungen und unbezahlten Urlaub hinnehmen?

Kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen, darf der Arbeitnehmer auch gegen seinen Willen freigestellt werden. "Hierbei ist zwischen einer bezahlten und unbezahlten Freistellung zu unterscheiden", sagt Professor Dr. Michael Fuhlrott, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg. Bei einer bezahlten Freistellung bleibe der Lohnanspruch bestehen. Diese sei – jedenfalls befristet – ohne weiteres möglich. Der Arbeitnehmer bekomme sein Geld und kann sich zu Hause anderen Dingen widmen, so Fuhlrott.

"Eine unbezahlte Freistellung oder das Anordnen von unbezahltem Urlaub ist hingegen grundsätzlich nur möglich, wenn der Arbeitnehmer zustimmt", sagt er. Hat der Arbeitnehmer Angst vor einer Infektion und will nicht mehr zur Arbeit kommen, kann er sich mit seinem Arbeitgeber über unbezahlten Urlaub oder eine unbezahlte Freistellung einigen. "Hier ist aber ein Einverständnis des Arbeitgebers ausdrücklich notwendig." Andernfalls handelt es sich um eine unberechtigte Arbeitsverweigerung, die Konsequenzen bis hin zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung nach sich ziehen kann.

Corona-Krise in Hamburg: Gibt es ein Recht auf Homeoffice?

Einer Tätigkeit im Homeoffice kann nur nachgegangen werden, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber dem zustimmen,so der Experte. "Ob sich eine Tätigkeit für das Homeoffice eignet oder die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb notwendig ist, entscheidet aber allein der Arbeitgeber", sagt Fuhlrott. Ebenso wie es keine Pflicht zum Homeoffice gebe, habe der Arbeitnehmer auch kein Recht darauf.

Anderes gilt nur, wenn zum Beispiel eine Rahmenvereinbarung über Homeoffice-Tätigkeiten geschlossen wurde oder es eine Betriebsvereinbarung gibt, auf die sich eine Seite berufen kann. "In Extremsituationen wie der aktuellen Corona-Krise spricht aber Einiges dafür, dass Arbeitgeber für einen befristeten Zeitraum Homeoffice auch einseitig anordnen können – jedenfalls, wenn sie dem Mitarbeiter die Betriebsmittel wie Mobiltelefon und Laptop zur Verfügung stellen und es keine besonderen Hinderungsgründe auf Seiten des Arbeitnehmers gibt", sagt Fuhlrott.

Wie ist die Erreichbarkeit im Homeoffiice geregelt?

Hierzu schreibt die Schleswig-Holsteinische Rechtsanwaltskammer auf ihrer Internetseite www.ihr-ratgeber-recht.de: Fallen Telefon und PC aufgrund von Verbindungsproblemen aus, ist die Arbeit in vielen Berufen nicht mehr möglich. Arbeitnehmer haben in diesen Fällen nur einen Vergütungsanspruch, sollte das Problem im Betrieb vorliegen. Liegt der Fehler in der Infrastruktur des Arbeitnehmers, besteht kein Vergütungsanspruch.

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Wurden die Arbeitsmittel im Homeoffice vom Arbeitsgeber gestellt und installiert, so gelten die Bestimmungen der Arbeitsstättenverordnung. Um Vorgaben wie der Gefährdungsbeurteilung nachzukommen, muss der Arbeitgeber Zugang zum Homeoffice erhalten.

Was sind die Vor- und Nachteile von Kurzarbeit?

Kurzarbeit heißt, dass der Arbeitgeber die normale Arbeitszeit der Arbeitnehmer reduziert und in gleichem Maße auch das Gehalt. "Das kann bis zur sogenannten Kurzarbeit 0 gehen, also bis zu einer völligen Reduzierung der Arbeitspflicht und dementsprechend Streichung des Gehalts", sagt der Hamburger Arbeitsrechtler Fuhlrott. Die Lohneinbußen werden durch von der Agentur für Arbeit gezahltes Kurzarbeitergeld teilweise aufgefangen. Dieses beträgt 60 beziehungsweise bei Arbeitnehmern mit Kindern 67 Prozent des bisherigen Nettoarbeitsentgeltes.

Voraussetzung dafür ist, dass der Arbeitgeber die Kurzarbeit anzeigt und ein Teil der Belegschaft vom Arbeitsausfall betroffen ist. Der Gesetzgeber hat durch das am 13.3.2020 im Eilverfahren beschlossene Gesetz „zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld“ die Voraussetzungen der Kurzarbeit optimiert, in dem nur noch zehn Prozent der Arbeitnehmer im Betrieb und nicht mehr – wie früher – ein Drittel der Arbeitnehmer betroffen sein müssen.

Coronavirus: So können Sie sich vor Ansteckung schützen

  • Niesen oder husten Sie am besten in ein Einwegtaschentuch, das Sie danach wegwerfen. Ist keins griffbereit, halten Sie die Armbeuge vor Mund und Nase. Danach: Hände waschen
  • Regelmäßig und gründlich die Hände mit Seife waschen
  • Das Gesicht nicht mit den Händen berühren, weil die Erreger des Coronavirus über die Schleimhäute von Mund, Nase oder Augen in den Körper eindringen und eine Infektion auslösen können
  • Ein bis zwei Meter Abstand zu Menschen halten, die Infektionssymptome zeigen
  • Schutzmasken und Desinfektionsmittel sind überflüssig – sie können sogar umgekehrt zu Nachlässigkeit in wichtigeren Bereichen führen

Auch ist der Abbau von Arbeitszeitkonten vorher nicht erforderlich. Der Staat beteiligt sich zudem an den vormals vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträgen. Gibt es einen Betriebsrat, muss dieser der Kurzarbeit zustimmen.

In Betrieben ohne Betriebsrat muss der Arbeitgeber mit den Arbeitnehmern Änderungsvereinbarungen abschließen, wenn er sich im Arbeitsvertrag nicht das Recht zur Einführung von Kurzarbeit vorbehalten hat. Einer entsprechenden Änderungsvereinbarung muss der Arbeitnehmer zwar zustimmen. "In Krisensituationen hier die Zustimmung zu verweigern, kann aber „ein Eigentor“ sein und zum mittelfristigen Verlust des Arbeitsplatzes führen", sagt Fuhlrott.

Was passiert, wenn Betriebe bei Corona-Verdachtsfällen schließen müssen?

"Betriebe sollten sich auf den Ernstfall vorbereiten, indem sie einen Notfallplan schriftlich festhalten", sagt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Görzel aus Köln. Er verweist auf das Handbuch für betriebliche Pandemieplanung, in welchem entsprechende Leitlinien und Verhaltensregeln für Betriebe festgelegt wurden.

Neben Maßnahmen zum Infektionsschutz sollten Mitarbeiter genau über den Notfallplan informiert werden, sodass im Ernstfall das Kerngeschäft möglichst reibungslos ablaufen kann. "Halten Sie möglichst Telefon- oder Videokonferenzen ab und vermeiden Sie persönliche Besprechungen in größeren Gruppen", so Görzel. Zudem sollte klar sein, wer in dieser speziellen Situation Ansprechpartner ist. Gegebenenfalls sollte festgelegt werden, welche Mitarbeiter mit wichtigen Aufgaben betraut werden können.

Wann kann oder sollte ein Betrieb geschlossen werden?

In Zeiten einer Pandemie wird zum Minimalbetrieb geraten. Das heißt: Unternehmen sollten sich fragen, welche Funktionen und Tätigkeiten zwingend aufrechterhalten werden müssen, um den Betrieb zu sichern. Oberste Priorität müsse laut Görzel sein, Rücksicht auf die Belange der Mitarbeiter zu nehmen. Nur solange gewährleistet ist, dass Angestellte ausreichend vor Infektionen im Betrieb geschützt sind, können einzelneTätigkeiten weiter durchgeführt werden.

Kann das Gesundheitsamt den Betrieb schließen?

Behörden können die Generalklausel, also die Schließung ganzer Betriebe, anordnen. Die Anforderungen dafür sind dabei relativ niedrig. Ein einzelner infizierter Arbeitnehmer ist ausreichend. Sollte sich also beim Besuch der Behörde ein Verdachtsfall bestätigen, wird der Betrieb wohl stillgelegt.

Fachanwalt Görzel rät: „Betriebe sollten in einem solchen Fall möglichst eng mit dem Gesundheitsamt zusammenarbeiten, denn letzten Endes trifft den Arbeitgeber in einer solchen Situation eine gesteigerte Schutzpflicht gegenüber der restlichen Belegschaft und er hat angemessene Schutzmaßnahmen zu tätigen. Mitarbeiter, die Symptome einer Infektion aufweisen, sollten dringend von der Arbeitspflicht entbunden und nach Hause geschickt werden.“

Wird die Schließung angeordnet, müssen Betriebsinhaber sich zunächst daran halten. "Lediglich im Nachhinein kann gerichtlich festgestellt werden, dass die Maßnahme möglicherweise nicht rechtmäßig war. Dann können auch etwaige Schäden oder Umsatzverluste gegenüber der Behörde geltend gemacht werden", sagt Görzel.

Müssen Arbeitnehmer Zwangsurlaub nehmen?

Wenn wegen des Coronavirus' geschlossen werden muss, gibt es keinen Zwangsurlaub, denn der Arbeitgeber befindet sich wegen des stillgelegten Betriebs in Annahmeverzug. "Das heißt: Der Arbeitnehmer ist nicht krank, könnte und würde gerne arbeiten – der Arbeitgeber kann ihm das aber nicht ermöglichen", so der Experte.

Es ist nicht Schuld des Mitarbeiters, sondern das Unternehmen kommt quasi „in Verzug, das Arbeitsangebot anzunehmen.“ Die ausfallenden Tage sind kein Urlaub und damit auch kein Überstundenabbau. "Möglich ist aber, dass – sofern es möglich ist – im Unternehmen die Mitarbeiter angewiesen werden, im Homeoffice zu arbeiten", sagt Görzel.

Bekommen Mitarbeiter, die sich in Quarantäne befinden, weiter Gehalt?

Bei bloßem Infektionsverdacht mit anschließendem, von Behörden angeordnetem Beschäftigungsverbot beziehungsweise Quarantäne haben Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber. Es erhält nur Lohnfortzahlung, wer akut erkrankt und dadurch arbeitsunfähig ist.

Ansonsten gehen Arbeitnehmer aber nicht leer aus. Eine Entschädigungsleistung gibt es nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten (§ 56 Abs. 1 IfSG) durch den Staat. Diese richtet sich in der Höhe nach dem Krankengeldanspruch und wird vom Arbeitgeber ausgezahlt, aber vom zuständigen Gesundheitsamt erstattet. "Auch Selbständige müssen in Quarantäne nicht auf Einkommen verzichten", sagt Görzel.

Was passiert, wenn mein Betrieb wegen des Corona-Virus schließt?

"Hier muss man unterscheiden: Wenn ein Unternehmen behördlich geschlossen wird wegen einer nachgewiesenen Infektion, dann haben Beschäftigte Anspruch auf die Fortzahlung ihrer Gehälter", sagt Rechtsanwalt Görzel. Der Arbeitgeber trage in diesem Falle das Risiko. "Bei einer amtlichen Schließung können die Unternehmen allerdings das Geld hierfür wieder vom Staat zurückfordern."

Wenn ein Arbeitgeber sich dagegen „vorsorglich“ dazu entschließt, den Betrieb einzustellen, kann er grundsätzlich nicht von seinen Beschäftigten verlangen, für diese Zeit Urlaub zu nehmen. Allerdings hat der Bundestag aktuell die Regelungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld gelockert.

"Das heißt, wenn ein Unternehmen, etwa weil massiv Aufträge weggebrochen sind, seinen Betrieb nicht mehr aufrechterhalten kann, kann es Kurzarbeit beantragen", sagt Görzel. Die Arbeitszeit der Beschäftigten wird dann reduziert – bei entsprechender Kürzung des Lohns.

Die Bundesagentur für Arbeit übernimmt dann einen Teil des Verdienstausfalls: 60 Prozent beziehungsweise 67 Prozent, wenn die oder der Beschäftigte einen Kinderfreibetrag in der Lohnsteuerkarte eingetragen hat.

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