Hamburg. Die Bürgerschaft soll sich erneut mit der Volkspetition zur Reduzierung des Fluglärms befassen – obwohl sie diese im September bereits zurückgewiesen hatte. Das jedenfalls fordert jetzt der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) und wirft Senat und Bürgerschaft einen gravierenden Fehler bei der Beratung über seine Petition vor. Der BUND hatte die Bürgerschaft zur Befassung mit dem Thema Fluglärm gezwungen und dafür im September 2017 mehr als die laut Gesetz nötigen 10.000 Unterschriften eingereicht. Ziel war eine Änderung der Betriebserlaubnis für den Flughafen, um Flüge werktags zwischen 22 und 6 Uhr und sonn- und feiertags zwischen 22 und 8 Uhr zu untersagen.
Im Mai 2018 befasste sich der Umweltausschuss mit der Petition. Dabei sagte Umweltstaatsrat Michael Pollmann ausweislich des Wortprotokolls, die Stadt könne die Betriebsgenehmigung gar nicht ändern. „Das kann man nicht machen“, so Pollmann. Bei einer Sitzung am 6. September empfahl der Umweltausschuss der Bürgerschaft auf Grundlage dieser Aussage, die Volkspetition als „nicht abhilfefähig“ abzulehnen. Erst eine Woche danach und mehr als drei Monate nach seiner Aussage räumte Umweltstaatsrat Pollmann in einem Brief an die Ausschussvorsitzende Birgit Stöver (CDU) ein, dass seine Einschätzung „so nicht zutreffend“ gewesen sei. Die Stadt könne eine Betriebsgenehmigung sehr wohl widerrufen. Er bedauere seine „unzutreffende“ Aussage und wolle sich dafür „ausdrücklich entschuldigen“, so Pollmann.
Obwohl also der Umweltausschuss die Ablehnung der Petition aufgrund einer zentralen Fehlinformation empfohlen hatte, folgte die Bürgerschaft ihm – und wies die Volkspetition zum Schutz gegen Fluglärm am 26. September zurück. Dabei wurde die Fehlinformation laut BUND nicht weiter thematisiert. Über den Brief des Staatsrats waren die Abgeordneten kurz vorher lediglich schriftlich informiert worden.
BUND wendet sich per Brief an Veit
„Das ist ein höchst befremdlicher Vorgang“, sagte der BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch. „Jetzt steht fest, dass Senatsvertreter die Bürgerschaft falsch informiert haben und letztlich unsere Volkspetition auch deswegen abgelehnt wurde. Wir fordern stellvertretend für die Lärmbetroffenen und für die fast 15.000 Menschen, die ihre Unterschrift geleistet haben, dass sich die Bürgerschaft erneut mit der Petition und dem Nachtflugverbot ab 22 Uhr befasst.“ Außer den Wirtschaftsinteressen des Flughafens gebe es „kein einziges belastbares Argument gegen mehr Nachtruhe an unserem Flughafen“, so Braasch. „Wir hoffen, dass Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit für ein sauberes und ehrliches Verfahren sorgt und die Abgeordneten neu nachdenken.“
Zu diesem Zweck hat der BUND sich jetzt per Brief an die SPD-Bürgerschaftspräsidentin gewandt. „Staatsrat Pollmann hatte ... mit Unterstützung von Staatsrat Rieckhof ausgeführt, dass bereits von ,Amts wegen die Einführung eines Nachtflugverbots ab 22 Uhr im Sinn der Volkspetition nicht möglich sei“, schreibt Braasch darin. „Diese entscheidende Information hat sich als falsch herausgestellt.“ Gleichwohl habe die Bürgerschaft die Volkspetition auf Grundlage dieser Fehlinformation zurückgewiesen. „Der Hinweis, dass Vertreter des Senats den Umweltausschuss falsch informiert haben, hat die Abgeordneten erst wenige Tage vor der Bürgerschaftssitzung ... über eine ,redaktionelle Anmerkung‘ ... erreicht“, schreibt Braasch. „Mehrere Abgeordnete haben gegenüber dem BUND versichert, dies vor der entscheidenden Bürgerschaftssitzung gar nicht wahrgenommen zu haben.“ Da die „richtungsweisende Empfehlung des Umweltausschusses auf einer gravierenden und entscheidungserheblichen Fehlinformation des Senates basiert“ und die Abgeordneten „nicht oder zumindest nicht ausreichend auf diesen Tatbestand hingewiesen wurden, möchten wir Sie bitten, eine Neubefassung der Bürgerschaft mit der BUND-Petition ,Nachts ist Ruhe‘ zu veranlassen.“
"Volkspetition kann nicht wieder belebt werden“
Dass Veit dieser Bitte folgt, scheint unwahrscheinlich. „Die Volkspetition kann nicht wieder belebt werden“, so ein Bürgerschaftssprecher. „Bürgerschaft und Ausschuss haben sich ordnungsgemäß und abschließend beraten. Die Entscheidung, sich aufgrund falscher Informationen erneut mit dem Thema zu befassen, obliegt den Fraktionen.“ Mithin: Jede der im Parlament vertretenen Parteien könnte das Thema wieder auf die Tagesordnung der Bürgerschaft setzen – der BUND aber könne das trotz des Fehlers nicht.
Auch die Umweltbehörde sieht keine Notwendigkeit einer Neu-Befassung. „Wir haben alles getan, damit die Bürgerschaft rechtzeitig vor Beschlussfassung die richtigen Informationen hat“, so Sprecher Jan Dube. „Die Verspätungen nach 23 Uhr“ seien „ein großes Ärgernis“. Die Bürgerschaft habe daher einen 21-Punkte-Plan beschlossen, um diese zu reduzieren.
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